Читать книгу Päpste. 100 Seiten - Ulrich Nersinger - Страница 13

Die Imitatio Imperii petrinisch gelebt

Оглавление

Zwar ist die »Konstantinische Schenkung« eine Fälschung, Wirklichkeit sind dagegen die Übertragung imperialer Kleidung, Insignien und Bräuche auf das Papsttum. Aus dem lorum, dem Oberteil der toga trabea, die der Kaiser bei Staatsakten anzulegen pflegte, wurde das päpstliche Pallium. Der rote kaiserliche Umhang fand sich im mantum, dem zeremoniellen Mantel des Papstes, wieder. Das Zepter des Imperators nahmen die Päpste als ferula in Besitz. Im antiken Rom bedienten sich die Kaiser seit Augustus und Tiberius eines Tragstuhls; der Ursprung eines päpstlichen Tragsessels, der gestatoria sella apostolica, lässt sich bis ins fünfte Jahrhundert zurückverfolgen.

Selbst noch in den Sozialen Medien unserer Tage findet sich für den Papst die Bezeichnung Pontifex Maximus. Im vorchristlichen Rom war der Pontifex Maximus der ranghöchste Priester der Stadt, dem die Oberaufsicht über alle sakralen Handlungen zukam. Mit Augustus beginnend, fiel allen römischen Kaisern diese hohe Würde zu. Als die Caesaren sich im 4. Jahrhundert dem Christentum zuwandten, verzichteten sie auf die Andrede Pontifex Maximus. Die Päpste griffen diese uralte Titulatur im 6. Jahrhundert wieder auf. Pontifex wird allgemein mit ›Brückenbauer‹ übersetzt, abgeleitet vom lateinischen pons (›Brücke‹) und facere (›machen‹). Aus historischen Quellen geht hervor, dass noch im 7. Jahrhundert vor Christus die römischen Oberpriester für die Instandhaltung der Brücken über dem Tiber verantwortlich zeichneten. So scheint die Übernahme des Titels durch die Päpste geradezu folgerichtig – der höchste der Bischöfe hat die Aufgabe und Pflicht, »Brücken zu schlagen«, nicht nur zu Gott, sondern zu und unter allen Hirten und Gläubigen der Kirche.

Die offiziellen Titel des Papstes

Stellvertreter Jesu Christi

(Vicario di Gesù Cristo)

Nachfolger des Apostelfürsten (Petrus)

(Successore del Principe degli Apostoli)

Summus Pontifex (Oberster Hirte) der Gesamtkirche

(Sommo Pontefice della Chiesa Universale)

Primas von Italien

(Primate d’Italia)

Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz

(Arcivescovo e Metropolita della Provincia Romana)

Souverän des Staates der Vatikanstadt

(Sovrano dello Stato della Città del Vaticano)

Diener der Diener Gottes

(Servo dei Servi di Dio)

Quelle: Annuario Pontificio

Nach zwei Jahrtausenden beeindruckt den Besucher der Ewigen Stadt noch immer das Forum Romanum, das Herzstück der antiken Welt. Auf ihm erhebt sich ein mächtiger Backsteinbau, der Sitz des Senats – die Kurie. Von hier aus wurden die Geschicke des Römischen Reiches bestimmt oder zumindest mitgetragen. Die ersten Christen Roms wussten um die Verwaltung ihres Staates, kannten deren Institutionen und achteten sie. Paulus, von Geburt römischer Staatsbürger, nutzte nach seiner Gefangennahme in Jerusalem die Gesetzgebung Roms, um durch sie in die Ewige Stadt zu gelangen und dort für den Glauben zu wirken (Apg 22,25–29). In ihrer Verwaltung übernahm die Kirche viele Elemente des alten Rom. Es war kein Zufall, dass die Türen der Kurie auf dem Römischen Forum nicht zerstört oder eingeschmolzen wurden, sondern dass man sie wiederverwendete. Sie geben bis zum heutigen Tag den Gläubigen den Weg in die Lateranbasilika, die Bischofskirche des Papstes, frei.

Vom Kirchenlehrer Petrus Damianus (1007–1072) stammte die Forderung, dass die römische Kirche in ihrer Verwaltung die antike Kurie der Römer nachzuahmen habe. So fand sich in antiken Gesetzestexten für die Zusammenkunft des Senates mit dem Kaiser eine Bezeichnung, die in den Sprachgebrauch der Kirche überging: das consistorium. In den Konsistorien beriet und berät sich der Papst mit den Kardinälen über die wichtigsten Angelegenheiten und Erfordernisse der Kirche. Viele der Ämter, Titulaturen und Bräuche an der Römischen Kurie und am Päpstlichen Hof ahmten und ahmen den Kosmos des Imperium Romanum nach und wurden damit zur imitatio Imperii.

Die Päpste folgten Petrus – und Caesar. Sie nahmen das Weltliche für das Geistliche in Anspruch und das Geistliche für das Weltliche. In unterschiedlicher Gewichtung, bis in die Gegenwart hinein.



Päpste. 100 Seiten

Подняться наверх