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Die frische Luft der Demokratie

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Als nach dem 2. Weltkrieg die Westdeutschen erstmals wieder zur Wahlurne gehen durften, war die Wahlbeteiligung groß. Die frische Luft der Demokratie und Freiheit schmekkte damals wirklich süß. Die Wahlbeteiligung lag in den ersten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik stets um die 90 Prozent, in den Jahren 1972 und 1976, als es darum ging, ob erstmals eine sozialliberale Regierung in der Bundesrepublik die Regierungsverantwortung tragen sollte, sogar noch darüber.

Doch allmählich rückten die Jahre der braunen Diktatur, die politische Entmündigung und Entrechtung von damals in den Hintergrund. Materielle Wünsche wurden wichtiger. Bei den Bürgern setzte eine Wahlermüdung ein, dazu kam eine immer tiefer greifende Parteienverdrossenheit. Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahrzehnten rapide. 2002 lag sie sogar unter 80 Prozent, bei Landtagswahlen noch weiter darunter. In einigen Bundesländern wurden die Nichtwähler mittlerweile sogar zur stärksten Partei.

Wahlforscher haben den typischen Nichtwähler längst analysiert und ziemlich genau charakterisiert: Meist ist er jung und sein sozialer Status ist eher niedrig. Er hat keine Bindung zur Kirche oder zu einem Verein. Er interessiert sich nicht für Politik, lehnt sie sogar ab. Seine Stimmverweigerung ist auch ein Ausdruck des Protestes gegen die politischen Zustände hierzulande. Oder er ist über 70, einsam und gebrechlich. – Die Entscheidung, nicht zu wählen, mag irgendwo verständlich sein und ist individuell immer gut argumentierbar. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass wer nicht wählt das Erbe der Altvorderen verschleudert, die sich Schritt für Schritt, hartnäckig dieses Recht einst erkämpft haben.

Sie sind eine Frau? Wussten Sie, dass Sie vor 1917 noch gar nicht hätten wählen dürfen? Sie hatten das Recht, Ihre Kinder aufzuziehen und dem jeweiligen Staatslenker tüchtige Soldaten zu schenken. Doch ihr politisches Schicksal bestimmen durften Sie nicht.

Sind Sie Arbeiter? Dann hätten Sie vor 150 Jahren für einen Hungerlohn schuften müssen. Von einem freien Wochenende hätten Sie damals nur träumen und darauf hoffen können, nicht krank zu werden. Keiner hätte sich dann um Sie gekümmert, schon gar nicht der Staat. Wählen aber hätten Sie nicht dürfen. Sie hätten Ihrem Landesherren zujubeln und Steuern zahlen müssen, aber Sie wären, wenn Sie das Wahlrecht gefordert hätten, bei Wasser und Brot eingesperrt worden. Verschenken Sie also nicht, was Ihre Vorfahren mit Blut, Schweiß und Tränen erkämpft haben!

Wähl' mal wieder!

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