Читать книгу Alles für die Katz - Lippe 1358 - Ulrich Pflug - Страница 10
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Оглавление„Ihr seid ebenso ein Verräter an der Heiligen Mutter Kirche wie jener dort“, sprach er und zeigte hinüber zum Scheiterhaufen, auf welchem man eben Reinald an den Pfahl kettete.
„Wer aber jene unterstützt, welche die allein selig machende ecclesia catholica verleugnen, der teilt deren Schicksal.“
„Heißt das, Ihr wollt auch mein Weib und mich auf den Scheiterhaufen stellen?“ fragte ich und begann, auch ohne die Flammen gespürt zu haben, zu schwitzen.
Der Geistliche verzog das Gesicht zu einem hämischen Grinsen.
„Nicht doch, nicht doch“, erwiderte er mit hohntriefender Stimme. „Selbstverständlich habe ich für jeden von euch eine andere Art ausgewählt. Das ist das Mindeste, was ich für Euch tun kann. Und schließlich steht dem gemeinen plebs doch ein wenig Abwechslung zu. – Meint Ihr nicht auch?“
Er griff in den Korb zu seinen Füßen und zog daraus eine sich heftig sträubende, fauchende Katze hervor.
„Eure Hexe hier werde ich steinigen lassen. Das heißt... – na ja, vielleicht lasse ich sie auch ersäufen. Wäre doch schade um das schöne Fell. Für Euch hingegen habe ich mir etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Ihr kommt zuletzt an die Reihe, damit ihr Euch daran ergötzen könnt, wie der Mönch und Eure Hexe vor Euch zur Hölle fahren. Dann werdet Ihr gerädert, ausgeweidet und endlich von vier Rössern zerrissen. – Seht, da kommen sie schon!“
Aus einer Gasse fuhren langsam nacheinander vier Landrover auf den Marktplatz und stellten sich nebeneinander hinter ihm auf. Einem der Fahrzeuge entstieg ein schmieriger kleiner Mann, der eine schmutzige Schürze umgebunden hatte, einem anderen ein reichgekleideter Kaufmann. Beide bezogen Position neben dem Geistlichen und lächelten mich an, wobei der schmierige Typ zwei Reihen schwarzer Zahnstummel entblößte.
„Meister Henreid hier“, der Inquisitor zeigte auf den Schmierigen, „wird schon dafür sorgen, dass auch nicht das Geringste von Euch
übrigbleibt. Wenn er erst einmal seine Pasteten mit Euren Resten gefüllt hat ....“
„Vorher muss ich aber eine Probe von ihm nehmen dürfen, das bin ich meiner Kundschaft schuldig“, unterbrach ihn Henreid. Er zog ein riesiges Messer unter seiner Schürze hervor und kam diabolisch grinsend auf mich zu.
„Beschädigt ihn mir nicht zu sehr, Henreid“, bemerkte der Inquisitor besorgt. „Schließlich habe ich noch einiges mit ihm vor.“
„Keine Sorge! Ich nehm’ nur seine Nase“, entgegnete Henreid, der inzwischen so dicht vor mir stand, dass ich seinen stinkenden Atem riechen konnte. Ich schloss die Augen, spürte, wie mir der kalte Angstschweiß ausbrach, fühlte, wie der Stahl seines Messer feuchtkalt gegen meine Nase stupste – und erwachte.
Benommen öffnete ich einen Spalt breit die Lider. Der Marktplatz und der Inquisitor waren verschwunden und statt zwischen die Zahnruinen Henreids blickte ich in die grünen Augen einer Katze, die dicht vor mir hockte und mich neugierig betrachtete. Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich mich befand. Völlig verständnislos starrte ich auf das Tier, als mir allmählich die Ereignisse des vergangenen Tages einfielen.
So absurd der Traum auch gewesen sein mochte, aus dem ich gerade erwacht war, die ‚Wirklichkeit’, in welcher ich mich wiederfand, schien mir nicht weniger aberwitzig. Ich lag im duftenden Heu eines Stalles und mir wurde klar, dass ich mich immer noch in einem längst vergangenen Zeitalter aufhielt. Ich befand mich im Mittelalter. Dazu in Begleitung einer hübschen Frau, die eigentlich eine Katze war.
Langsam richtete ich mich auf. Durch die weit offene Stalltür schien die Sonne auf den leeren Platz neben mir. Die Frau – wie hieß sie doch gleich? – richtig, Silvia! - fehlte. Nur nicht die Katze. Das Tier, das mich die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte, war, als ich mich aufrichtete zwei Schritte zurückgewichen, aber nicht fortgelaufen. Herzhaft gähnend sah ich sie an und sagte:
„Komm, Silvia, lass den Quatsch.“
Das Kätzchen, ein junges Tier, völlig schwarz mit weißen Pfoten, antwortete mit einem lauten deutlichen ‚Miau‘.
„Jetzt lass doch den Blödsinn.“
Das Tier kam wieder einen Schritt näher, miaute erneut, machte ansonsten aber keine Anstalten, mitzuteilen, dass es meine Bitte verstanden hatte. In der Kate nebenan hörte ich Reinald rumoren.
„Silvia, es ist gut! Du hast deinen Spaß gehabt. Gleich kommt Reinald, um uns zu wecken. Wie willst du dem erklären, dass du eine Katze bist?“ sagte ich, nun schon etwas ärgerlich, und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
Das Kätzchen kam noch näher, legte sich auf meinen Schoss und begann behaglich zu schnurren.
„Los, Mädel, red‘ mit mir!“
Langsam geriet ich in Panik. Warum, zum Teufel, reagierte sie nicht?
Ich streichelte das weiche Fell des Tieres und erntete ein weiteres, begeistertes Schnurren. Inzwischen war ich hellwach. Was nun? Verloren im Mittelalter? Von einer Zeitreise nicht zurückgekehrt? Warum sagte dieses verdammte Biest nichts? Typisch für mich! Kaum vertrau‘ ich einer Frau, schon fall‘ ich auf die Schnauze.
„Verdammt noch mal, jetzt ist es aber gut gewesen! Hör endlich mit dem Blödsinn auf!“ knurrte ich wütend das Kätzchen an, wobei ich es unsanft am Nackenfell ergriff und hochhob.
Erschrocken über die grobe Behandlung fauchte das Tier und versuchte mich zu kratzen.
„Lass das Theater – werd‘ lieber vernünftig!“
Ich hätte am liebsten laut gebrüllt, traute mich aber nicht, weil ich fürchtete, Reinald könne mich hören.
„Schau an, doch ein neuer Franz von Assisi. – Aber meinst du wirklich, dass dies der rechte Umgangston mit Tieren ist? Mit Frauen jedenfalls nicht, das kann ich dir versprechen.“, hörte ich Silvias Stimme von der Tür her.
Da stand sie lachend, während ich verdutzt auf das Tier in meiner Hand sah, das mich immer noch beleidigt anschaute.
„Nun lass das arme Vieh schon los.“
Glucksend vor unterdrücktem Lachen kam Silvia näher, nahm mir das Kätzchen aus der Hand und streichelte es.
„Arme Kleine. War der Kerl garstig zu dir? Ist ja gut. Jetzt bin ich da, um dir gegen den Grobian zu helfen.“
Ich hockte im Stroh und schaute wohl reichlich dämlich aus, war aber heilfroh über Silvias Auftauchen. Die setzte sich neben mich,
hielt mit einem Arm die Katze fest, legte mir den anderen um die Schultern und gab mir einen Kuss.
„Guten Morgen. – Hast du Angst gehabt, ich könnte fort sein und dich hier allein gelassen haben?“
Ich nickte betreten.
„Dein Vertrauen ehrt mich.“ Der ironische Tonfall in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Ich musste nur mal für kleine Mädchen. Dabei habe ich hinter dem Haus eine Zisterne gefunden, an der ich auch gleich meine Morgentoilette erledigen konnte. Darum hat es ein wenig länger gedauert.“
Sie strich mir über den Kopf und zupfte Heu und Stroh aus meinem Haar.
„So, nun kannst du dich bei dem armen Vieh hier entschuldigen, weil du es so angemault hast. Anschließend geh dich waschen – wo, weißt du ja nun.“
Mit einem verlegenen Lächeln nahm ich sie samt der Katze in die Arme.
„Ich glaub‘, ich muss mich bei euch beiden entschuldigen.“
„Das seh’ ich auch so“, feixte Silvia und gab mir einen Kuss auf die Nase. „Was mich betrifft - ich verzeih’ dir! Was das Kätzchen angeht, so musst du es schon selber fragen.“
Ich schaute hinunter auf die Katze, die mit vor Behagen geschlossenen Augen wohlig schnurrend in Silvias Armen lag. Das kleine Geschöpf schien meine ruppige Behandlung bereits vergessen zu haben. Vorsichtig kraulte ich das Kätzchen im Nacken, was es sich widerstandslos gefallen ließ.
„Katze müsste man sein“, seufzte Silvia.
„Möchtest du auch gekrault werden?“ fragte ich und strich zaghaft mit der freien Hand über ihr Haar.
„Ach, Junker, stundenlang könnte ich das ertragen“, erwiderte sie, wobei sie sich noch dichter an mich schmiegte. „Wünscht Ihr, dass ich ebenso schnurre wie das Kätzchen hier?“
Ich genoss es zutiefst, sie in den Armen zu halten. Die eben noch ausgestandenen Ängste waren im Nu verflogen und wichen einer tiefen Zufriedenheit. Was wollte ich eigentlich noch mehr?
„Dich waschen“, beantwortete Silvia leise meine unausgesprochene Frage. „Du solltest es jetzt tun, denn ich glaube, der gute Reinald wird
uns gleich zum Frühstück rufen. Und da ich deine Abneigung, ungewaschen zu frühstücken, kenne ...“
„Du hast gehorcht! – Aber stimmt“, knurrte ich.
Nur zögernd und widerwillig ließ ich sie los und machte mich auf den Weg zum Waschplatz. Draußen empfing mich herrlichster Sonnenschein. Die Luft war schwer von dem süßen Duft blühender Sträucher und der regennassen Erde. Kurz, es roch nach Frühling.
Der Himmel war azurblau, die Regenwolken der vergangenen Nacht hatten sich längst verzogen und aus den Hecken leuchteten strahlendweiß wie Schneeflocken die Blüten des Weißdorns. Es versprach ein herrlicher Tag zu werden. Gerade, als ich an der Eingangstür der Kate vorbei ging, trat der Mönch heraus.
„Einen guten Morgen wünsche ich Euch, Roger“, sagte er gähnend. „Ich hoffe, Eure Nacht war gut. - Doch sagt, was habt Ihr vor?“
Ich erwiderte seinen Gruß und erklärte ihm, dass ich mich waschen wolle.
„Waschen??“ Reinald Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Nun, wenn Ihr meint – hinter dem Haus ist eine Zisterne.“
Ich ging hinter das Haus, wo ich einen großen Sandsteintrog fand, der als Regenwasserbecken diente. Mein gewohntes morgendliches Reinigungsritual mit Dusche, Zähneputzen usw., wurde durch die Umstände auf eine Katzenwäsche reduziert. Seife besaß ich nicht und Zahnputzmittel fehlten natürlich ebenfalls. Bei dem Gedanken daran, dass wir uns noch eine Weile in dieser Zeit aufhalten würden, musste ich unwillkürlich grinsen. Wenn sich die hygienischen Verhältnisse nicht drastisch änderten, was allerdings kaum zu erwarten war, würde ich mich in kürzester Zeit an das Mittelalter, wenn schon nicht akklimatisiert, so doch zumindest ‚aromatisiert‘ haben. Die Vorstellung, Silvia und ich würden uns im wahrsten Sinne anstinken, reizte zum Lachen.
Zum Abschluss meiner Morgentoilette steckte ich noch einmal den Kopf in das Becken, schüttelte mir das Wasser aus den Haaren und ging dann wieder vor das Haus, wo ich schon erwartet wurde. Reinald hatte bereits den Tisch für das Frühstück gedeckt. Es gab das Übliche – Brot, Eier und Bier.
„Jetzt einen Pott Kaffee und eine Zigarette, dann wär‘ ich vollkommen glücklich“, sagte ich gedankenlos, als ich auf der Bank
neben Silvia Platz nahm.
„Kaffee und Zigarette?“ wiederholte Reinald verständnislos. „Tut mir Leid, aber das kann ich Euch nicht bieten, Roger. Ich kenne es nicht einmal. Ich nehme an, es handelt sich um Gerichte aus Eurer walisischen Heimat. So leid es mir auch tut, aber Ihr müsst schon mit dem vorlieb nehmen, was ich habe.“
Ich sah ihn erstaunt an, während mir langsam dämmerte, dass meine Bemerkung nicht ganz zeitgemäß gewesen war. Silvia hatte Mühe, ihr Lachen zu verbergen und ich weiß bis heute nicht, was sie mehr amüsierte – mein dummes Gesicht oder Reinalds Interpretation der ihm unbekannten Begriffe.
„Vergesst, was ich sagte“, entgegnete ich dem Mönch. „Ich wollte Euch nicht kränken. Aber Eure Vermutung ist richtig, es sind walisische Gerichte, von denen ich sprach. Es ist nur so, das Wetter und die Gegend haben mich an meine Heimat erinnert und dann bekomme ich eben manchmal ein wenig Heimweh.“
„Das kann ich verstehen. Auch ich sehne mich hin und wieder nach Montmajour.“
Reinald blickte abwesend vor sich hin, in Gedanken wohl wieder am Fuße der Alpilles weilend. Mir fielen die Urlaubstage ein, die ich dort verbracht hatte, und so begann auch ich meinen Erinnerungen nachzuhängen. Silvia war es, die uns aus unseren Träumen in die Wirklichkeit zurückholte.
„Ich glaube, Reinald, Ihr bekommt Besuch“, sagte sie, wobei sie auf den nach Lemgo führenden Hohlweg wies.
Wir schauten in die angegebene Richtung und ich erkannte einen Mann in der Uniform der Stadtwache, der zügig über die Heide auf uns zu kam.
„Das ist Volkwin.“ stellte Reinald verwundert fest, wobei er sich langsam erhob und dem Mann entgegen sah. „Was mag er um diese frühe Stunde hier wollen?“
Der Soldat, es war tatsächlich Volkwin, stand kurz darauf vor uns.
„Gott zum Gruße“, sagte er etwas atemlos. „Darf ich mich setzen?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sich neben Reinald, der sich auch wieder setzte, auf die Bank fallen.
„Der Herr sei mit Euch, Volkwin. Mögt Ihr vielleicht auch etwas essen?“
„Habt Dank, Reinald, aber ich habe schon gegessen. Doch wenn Ihr einen Becher Bier für mich hättet ... .“
Reinald schob ihm wortlos einen gefüllten Becher zu, den der Soldat in einem Zug leerte.
„Ahhh, das tat gut.“ Volkwin wischte sich über die Lippen. „Es wird heute noch ein heißer Tag werden, wenn es morgens schon so warm ist ... .“
„Ihr seid doch gewiss nicht den weiten Weg von Lemgo gekommen, um mit uns über das Wetter zu reden“, stellte Silvia kühl fest.
Volkwin musterte sie und mich mit einem prüfenden, misstrauischen Blick, bevor er sich zu einer Antwort entschloss.
„Nein, ich kam wegen Bruder Reinald“, sagte er bedächtig. „Nur weiß ich nicht ... .“
Er ließ den Satz unvollendet und schaute den Mönch fragend an.
„Ihr könnt getrost frei sprechen, Meister Volkwin. Ich habe keine Geheimnisse vor den beiden.“
Reinald klang ruhig und gelassen, als er dies sagte, wurde aber dadurch der Lüge gestraft, dass er sich nervös die Hände knetete. Der Mönch hatte augenscheinlich Angst.
„Wohlan, Ihr müsst wissen, was Ihr tut.“ begann Volkwin.
„Gestern erhielt der Rat der Stadt Besuch von Gesandten des Bischofs von Paderborn. Hauptsächlich ging es um Geschäfte. Warenlieferungen der Hansekaufleute an das Bistum und um den Aufbau von Handelsbeziehungen zum Barkhof. Ganz nebenbei erwähnte dann der Gesandte, dass man einen Mönch namens Reinald suche, von dem man gehört habe, dass er sich in unserer Gegend aufhalte. Ihm werden Verfehlungen gegen die Kirche vorgeworfen, wegen derer er sich vor der Heiligen Inquisition zu verantworten habe. Der Stadtrat wurde gebeten, den Mann festnehmen zu lassen und dem Bistum zu überstellen. Ich, als Hauptmann der Wache, wurde damit beauftragt, dafür Sorge zu tragen, den Mann festzunehmen, wenn er sich in der Stadt blicken lassen sollte. Auch Suchtrupps sollen heute die Gegend durchstreifen und nach dem Mönch Ausschau halten. Ebenso werden die Wächter an den Durchgängen der Landwehr heute informiert.“
Reinald war bei Volkwins Bericht leichenblass geworden. Obwohl er ja damit gerechnet hatte, dass die Gesandtschaft des Bischofs nicht zuletzt seinetwegen in Lemgo weilte, schien ihn die Bestätigung seiner Befürchtung zu schockieren.
„Ihr habt damals mit Eurem Trank meinem Kind das Leben gerettet“, fuhr Volkwin fort. „Ich stehe tief in Eurer Schuld und halte es für meine Pflicht, Euch zu warnen. Was immer Ihr angestellt haben mögt, dass Ihr Euch den Zorn Eurer Oberen zugezogen habt, es ist mir gleich. Zudem glaube ich nicht, dass es gar so schlimm sein könnte.“
Der Offizier schüttelte den Kopf.
„Euch der Inquisition überstellen, als wäret Ihr ein erbärmlicher Ketzer. – So ein Unfug!“
Volkwin machte eine Pause.
„Packt Eure Sachen, Reinald, so lange noch Zeit ist, und macht, dass Ihr fortkommt. Verlasst den Einflussbereich des Bischofs. Mehr als Euch warnen und einen guten Rat geben, kann ich leider nicht für Euch tun.“
Bei seinen letzten Worten bedachte er Silvia und mich mit einem finsteren Blick.
„Falls Ihr jetzt überlegen solltet, Söldner, ob Ihr Euch mit dem, was Ihr eben erfahren habt, den Beutel füllen könnt – so denkt besser nicht weiter darüber nach. Falls Ihr den Mönch verraten solltet, so habe ich für Euch etwas anderes als gute Ratschläge.“
Er klopfte bedeutungsvoll auf den Griff seines Schwertes.
Ich hob abwehrend beide Hände, Silvia aber lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und schaute Volkwin gerade in die Augen.
„Was habt Ihr eigentlich gegen uns?“ fragte sie ruhig. „Genügt es Euch nicht, dass uns Reinald vertraut? Stört es Euch, dass sich mein Gemahl als Söldner verdingt? Aber tut er damit nicht das gleiche wie Ihr? Er kämpft wie Ihr für den, der ihn bezahlt. Oder stört Euch die Tatsache, das wir Fremde in Eurem Lande sind, und fürchtet Ihr uns daher? – Wenn es so ist, solltet Ihr allerdings bedenken, dass Ihr die Einheimischen – denn der Bischof ist ja wohl einer – wesentlich mehr zu fürchten habt.“
Der Hauptmann sah etwas betreten drein. Bevor er antworten konnte, ergriff Reinald das Wort.
„Streitet euch nicht, meine Freunde. Es stimmt, was Silvia sagt. Ich vertraue ihr und Roger -und Ihr; Volkwin, solltet es auch tun.“
Er holte tief Luft und seufzte.
„Ich hatte es ja schon erwartet, aber es schmerzt mich doch, die Gegend hier verlassen zu müssen. Immerhin habe ich hier Freunde gefunden.“
Er sah Volkwin an.
„Ich werde Euch vermissen.“
„Wie viel Zeit bleibt uns, ehe die Schergen hier erscheinen, Volkwin?“ mischte ich mich in das Gespräch ein. „Wann glaubt Ihr, wird man mit der Suche beginnen?“
Der Hauptmann zuckte die Schultern.
„Genau kann ich Euch das nicht vermelden, doch ich denke, bis zum Mittag wird eine Truppe hier gewesen sein. Es ist in der Stadt ja bekannt, dass in diesen Ruinen ein Mönch haust. – Doch Ihr sprecht von uns. – Wollt Ihr Reinald etwa begleiten?“
„Nun, vielleicht könnt Ihr, wenn Ihr’s schon nicht versteht, wenigstens akzeptieren, dass auch wir, obwohl wir Fremde sind, einem Freund in der Not beistehen. Oder, so Euch beides nicht möglich sein sollte, zumindest einsehen, dass Ihr nicht der Einzige auf dieser Erde seid, der gewisse Vorbehalte gegen einige Würdenträger der Heiligen Mutter Kirche hat?“
„Schon gut!“ Volkwin lächelte verhalten.
„Ich bin nun mal ein misstrauischer Mensch“, erklärte er. „Das ergibt sich schon aus meinem Beruf. Als Hauptmann der Stadtwache darf man nicht zu vertrauensselig sein.“
Ich sah in seiner Erklärung die Entschuldigung, als die sie gedacht war. Der Offizier schien wirklich ein feiner Kerl zu sein. Immerhin war es nicht ganz ungefährlich für ihn, den Mönch zu warnen. Dass er Silvia und mir misstraute, fand ich verständlich. Er kannte uns nicht und in seinen Augen waren wir lediglich fremdes Gesindel, wie es zu Hauf über die Straßen zog. Warum also sollte er uns vertrauen?
„Genug geredet. Lasst uns Eure Sachen packen“, sagte Silvia zu Reinald. „Je früher wir hier fort sind, desto besser. Wohin wir uns wenden, können wir immer noch entscheiden.“
Sie stand auf, trat neben den Mönch und legte ihm tröstend ihre schmale Hand auf die Schulter.
„Los, kommt, ich helfe Euch. Zum Trübsalblasen bleibt Euch später Zeit genug. Jetzt müssen wir erst einmal von hier fort.“
Auch Volkwin war aufgestanden. Er schenkte sich noch einen Becher Bier ein und stürzte ihn in einem Zug hinunter.
„Hört auf das Weib, Reinald“, sagte er. „Ich muss zurück in die Stadt, bevor man mich dort vermisst. Ich denke, es ist auch gut wenn ich nicht weiß, wohin Ihr gehen wollt. So mich jemand nach Eurem Verbleib fragen sollte, brauche ich wenigstens nicht zu lügen.“
Reinald erhob sich schwerfällig und schloss den Offizier in die Arme, wobei er Tränen in den Augen hatte.
„Ich danke Euch für Eure Hilfe, Volkwin. Es war eine schöne Zeit bei Euch. Ich werde Euch vermissen und hoffe, Ihr vergesst mich nicht ganz.“
„Wie könnte ich. Jedes Mal, wenn ich mein Kind sehe, werde ich an Euch erinnert. Was Ihr für mich und mein Weib getan habt ... .“
Volkwin konnte die Rührung in seiner Stimme nicht verbergen.
„Ach was!“ unterbrach er sich. „Macht, dass Ihr fortkommt! Wenn es Euch irgendwann möglich sein sollte, so lasst von Euch hören. Und jetzt gehabt Euch wohl – Kuttenträger.“
Er nickte uns noch einmal zu und ging, ohne sich ein einziges Mal umzusehen, über die Heide in Richtung Lemgo davon. Wir blickten ihm so lange nach, bis er in dem Hohlweg verschwunden war.
„Nun denn – lasst uns packen.“ Reinald schien aus seiner Lethargie erwacht und zeigte plötzlich Initiative. „Roger, dort hinter dem Anbau steht ein kleiner Handkarren. Holt ihn mir doch bitte. Er dürfte für meine Habseligkeiten ausreichen. Wenn Ihr, Silvia, mir beim Zusammensuchen behilflich sein könntet ... .“
Silvia nickte stumm und die beiden gingen ins Haus, während ich den Karren holte.
Innerhalb einer knappen halben Stunde hatten wir Reinalds Hausrat, die letzten Krüge mit Bier und natürlich auch seine geliebten Kräuter auf dem Karren verstaut. Wir setzten uns ein letztes Mal an den Tisch, um zu beratschlagen, wohin wir nun gehen sollten. Mir fiel dabei die Einladung des Bogenbauers ein.
„Sagt mal, Reinald, wo liegt eigentlich Cappel?“ fragte ich den Mönch.
„Auf halbem Wege zwischen Lemgo und Blomberg soweit mir bekannt ist. Was wollt Ihr dort? Es soll da nur ein paar Höfe geben.“
„Erinnert Ihr Euch an den Bogenbauer, den wir gestern auf dem Markt trafen? Er bat mich um einen Besuch. Es wäre doch möglich, dass wir erst einmal bei ihm unterkommen könnten. Wir wären jedenfalls aus dem Gebiet heraus, in dem uns die Lemgoer suchen.“
Das ist wahr.“ stimmte Reinald mir zu. „Allerdings glaube ich nicht, dass wir uns längere Zeit dort aufhalten können. Es ist nicht besonders weit von Lemgo entfernt.“
„Macht nichts. Zumindest haben wir heute Abend ein Dach über dem Kopf und brauchen nicht im Freien zu nächtigen. Außerdem können wir uns dann in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll. – Lasst uns endlich aufbrechen.“