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5.3 Multimodalität als Forschungsproblem

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Stand der Forschung

Doch erst in letzter Zeit geraten multimodale Elemente oder Einbettungen von Texten mehr in den Blick. Erst durch die neuen Medien scheint dieses Thema dringlicher zu werden. Die betroffenen Einzeldisziplinen (Semiotik, Linguistik, Bildwissenschaft, Filmwissenschaft u.a.) arbeiten aber noch nicht eng genug zusammen; und zum Teil müssen überzeugende Methoden für größere empirische Untersuchungen erst noch ausgearbeitet werden. Einen guten Einblick in den sich entwickelnden Stand der Forschung verschaffen die folgenden Publikationen: Bateman 2008, Bucher 2000, Bucher u.a. (Hg.) 2010, Deppermann/Linke (Hg.) 2010, Diekmannshenke u.a. (Hg.) 2011, Jewitt (ed.) 2009, Kress 2010, Kress/van Leeuwen 1996 & 2001, Klug/Stöckl (Hg.) 2016, Liebert/Metten 2012, O’Halloran (ed.) 2004 & 2008, Roth/Spitzmüller 2007, Schmitz 2005a, Stöckl 2004, Tabaoda/Habel 2013, Ventola/Charles/Kaltenbacher (eds.) 2004.

Komposition und Rezeption

Einen sorgfältigen und kritisch diskutierenden Überblick über wissenschaftliche Ansätze zur Untersuchung von Multimodalität gibt Bucher (2011). Im Kern gehe es um zwei Probleme. Erstens müsse bestimmt werden, aus welchen Bestandteilen sich ein multimodaler Cluster zusammensetze und welchen Beitrag sie jeweils zu dessen Gesamtsinn leisten. Das ist das semantische Problem der Kompositionalität: Wie ‚interagieren‘ die verschiedenen Elemente untereinander? Zweitens gehe es darum, in welcher Weise die Rezipienten ein Verständnis dieses Clusters aufbauen. Das ist das pragmatische Problem der Rezeption: Wie ‚interagiert‘ der Rezipient mit dem Angebot? Beide Problemfelder, so Bucher, hängen eng miteinander zusammen; die bisherige Forschung habe sich aber auf das erste konzentriert. Der relationsgrammatische Ansatz entwerfe Typologien multimodaler Beziehungen; die soziale Semiotik untersuche die kompositionelle Funktion des Kommunikations-Designs, neige aber zu empirisch leicht falsifizierbaren normativen Zügen. Beide unterstellten eine autonome Bedeutung der einzelnen Elemente und vernachlässigten die pragmatische Seite, nämlich den jeweiligen Verwendungszusammenhang und das Vorwissen der Rezipienten. Deshalb regt Bucher eine interaktive Theorie des multimodalen Verstehens an und unterbreitet empirisch gestützte Vorschläge dafür.

Semantik und Pragmatik

Hier wiederholt sich also die für monomodal schriftliche Erzeugnisse geführte Debatte über die Frage, ob Texte an sich selbst eine Bedeutung haben oder in der konkreten Situation erst entfalten, also zum Beispiel durch einen hermeneutischen Verstehens-Prozess bedeutsam werden. In der Linguistik geht es entsprechend darum, ob man Semantik (Bedeutungslehre) unabhängig von Pragmatik (Verwendungslehre) sinnvoll betreiben kann oder ob Bedeutung vom Gebrauch abhänge. Klar wird in medienlinguistischer Perspektive, dass unterschiedliche Kommunikationsformen und -zwecke hier unterschiedliche Antworten verlangen. Wer etwas schreibt, das auch Jahrzehnte später möglichst gleichartig verstanden werden soll, wird sich bei seinen Formulierungen darum bemühen, die Rekonstruktionsleistung zukünftiger Leser so vorzustrukturieren, dass sie die Intention des Verfassers möglichst situationsunabhängig erkennen. Wer demgegenüber ein flottes Selfie mit einem ironisch perspektivierenden Kommentar verschickt, setzt auf die Situationskenntnisse der möglicherweise einzigen Empfängerin.

Einführung in die Medienlinguistik

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