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1.2 KTMZ: Kommunikationsform, Textsorte, Modus, Zeichen

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Außer Medium müssen wir noch vier andere Begriffe definieren, nämlich Kommunikationsform, Textsorte, Modus und Zeichen. Wer diese fünf Termini sorgfältig auseinanderhält, mit ihnen angemessen jongliert und sie derart auf konkrete empirische Fälle anwenden kann, dass neue Erkenntnisse entstehen, beherrscht Medienlinguistik.

Kommunikationsformen

Zunächst also Kommunikationsform. Kommunikationsformen „sind durch Gegebenheiten der kommunikativen Situation gekennzeichnet und unterschieden“ (Ermert 1979: 59): Ein Brief funktioniert anders als ein Telefongespräch oder eine Fernsehsendung. Eine Kommunikationsform ist also (in Anlehnung an Brinker u.a. 2014: 142) der durch Besonderheiten der Situation und des benutzten Mediums geprägte Rahmen, innerhalb dessen kommuniziert wird, der aber für verschiedene Inhalte und kommunikative Funktionen offen ist.

Brinker u.a. (ebd. 141) weisen darauf hin, dass die Kommunikationssituation „entscheidend durch das Medium bestimmt“ wird. Jedes Medium bringt bestimmte Möglichkeiten und Grenzen mit sich, innerhalb deren allein man sich verständigen kann. In manchen Kommunikationsformen wird monologisch kommuniziert (z.B. Zeitungsartikel), in anderen dialogisch (z.B. Telefongespräch); in manchen gleichzeitig (z.B. Fernsehen), in anderen zeitversetzt (z.B. E-Mail). Tabelle 1 gibt einen Überblick über einige besonders prägnante Merkmale vieler Kommunikationsformen. Danach ist zum Beispiel ein Chatgespräch flüchtig (auch wenn es aufgezeichnet werden kann) und aktuell (bezieht sich also auf die gerade aktuelle Situation im Gegensatz etwa zu Büchern). Es wird nicht mündlich geführt, sondern schriftlich. Üblicherweise werden dabei weder statische noch dynamische Bilder (z.B. Fotos bzw. Filme) verwendet, und man kann einander auch nicht hören oder Audio-Dateien verschicken. Prototypische Chats sind mehr oder weniger öffentlich zugänglich. Das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger ist nicht als Einwegkommunikation gestaltet, sondern dialogisch. Und – anders als bei Nebenbei-Medien vor allem im öffentlichen Raum – man kann (sich) aktiv nach Belieben ein- und ausschalten.


Tabelle 1: Sprachgebundene Kommunikationsformen

Textsorten

Kommunikationsformen sind „allein durch situative bzw. mediale Merkmale definiert, in kommunikativ-funktionaler Hinsicht also nicht festgelegt“ (Brinker u.a. 2014: 142). Textsorten hingegen sind „immer an eine bestimmte (dominierende) kommunikative Funktion (die Textfunktion) geknüpft“ (ebd.). Ein Brief ganz allgemein betrachtet ist also eine Kommunikationsform; Liebesbriefe, Mahnschreiben, Hirtenbriefe aber sind Textsorten. „Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben“ (ebd. 139). Wetterberichte, Kochrezepte und Buchrezensionen beispielsweise sind Textsorten. Aufgrund ihrer äußeren Erscheinung, ihres inneren Aufbaus, ihrer sprachlichen Form und ihres Themas erkennt jeder erfahrene Leser oder Hörer sie auf Anhieb. Und doch gibt es zahlreiche Varianten, die unter anderem auch von der gewählten Kommunikationsform abhängen. Beispielsweise nutzen Wetterberichte im Fernsehen, im Hörfunk und in Tageszeitungen die unterschiedlichen medialen Möglichkeiten der jeweils gewählten Kommunikationsform (s. Tabelle 1) aus und bleiben dennoch als Wetterberichte mit durchgehend gleichen und ähnlichen Merkmalen erkennbar. Einen guten Überblick über Textsorten und ihre Beschreibung bietet Adamzik 2008.

Wie in den meisten Wissenschaften gibt es auch in medienbezogenen Wissenschaften konkurrierende Terminologien aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven oder für unterschiedliche Zwecke. Linguisten unterscheiden oft (nicht immer) zwischen geschriebenem ‚Text‘ und gesprochenem ‚Gespräch‘ oder ‚Diskurs‘; Soziologen klassifizieren Dialogsorten gern als ‚kommunikative Gattungen‘ (Luckmann 1986); und Medienwissenschaftler beschreiben ‚Genres‘ und ‚Formate‘ (Darstellung und Diskussion bei Bucher/Gloning/Lehnen 2010: 18–22). MedienlinguistInnen geht es im Kern um den Sprachgebrauch in Medien. Um ihn in seinen Formen und Bedingungen zu erfassen, genügen in den meisten Fällen die hier vorgeschlagenen Termini, wobei wir der Einfachheit halber den Wortlaut schriftlicher, mündlicher und multimodaler Kommunikate ‚Text‘ nennen, an dieser Stelle also nicht grundlegend zwischen Textsorten und Gesprächssorten unterscheiden. (Zur Diskussion vgl. Fix u.a. (Hg.) 2002.)

Manche Kommunikationsformen eignen sich eher für diese, andere oft besser für jene Textsorten. Zum Beispiel werden Todesanzeigen in Tageszeitungen veröffentlicht und könnten unhöflicherweise auch per Fax übermittelt werden, nicht aber als SMS-Botschaft. Ursprünglich zeitungstypische Leitartikel lassen sich zwar (als Tageskommentar) über Fernsehen übertragen, nicht aber auf Werbeplakaten. Manche Textsorten sind auch an eine bestimmte Kommunikationsform gebunden: Talkshows gehen nur als Fernsehsendung; Gesprächsrunden im Hörfunk folgen anderen strukturellen und sprachlichen Mustern – von Interviews in Zeitungen zu schweigen.

Modus

An diesen Beispielen sollte schon klar werden, was Modus im Rahmen dieses Buches bedeutet (siehe auch Tabelle 1). Modus ist die sinnliche Gestalt, in der Zeichen übermittelt werden, nämlich einer der fünf Kommunikationsträger gesprochene und geschriebene Sprache, stehendes und bewegtes Bild sowie Audio (incl. Musik und Geräusch). Als multimodal gelten folglich jene Botschaften, in denen zwei oder mehrere Modi miteinander verbunden werden – zum Beispiel geschriebener Text und statisches Bild im Comic oder gesprochene Sprache, Film und Ton im Fernsehkrimi. Tabelle 1 lässt sich entnehmen, dass zwar nicht alle, aber doch die meisten Kommunikationsformen multimodal arbeiten (können).

Zeichen

Als Zeichen schließlich gelten alle Gestalten welcher modalen Art auch immer, denen Bedeutung zugeschrieben wird. Die Lehre von den Zeichen heißt Semiotik. Linguistik bearbeitet ein Teilgebiet: Sie ist die Wissenschaft speziell der sprachlichen Zeichen und des Umgangs damit.

Ikon, Index, Symbol

Der amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce unterscheidet drei Zeichenklassen, nämlich Ikon, Index und Symbol (Peirce V, 73–76). Wenn die Zeichenverwender eine Ähnlichkeit zwischen Zeichenträger und Referenzobjekt erkennen (wie bei einem Porträt), handelt es sich um ikonische Zeichen (Peirce V, 73). Bei indexikalischen Zeichen sind Zeichenträger und Referenzobjekt faktisch (z.B. ursächlich) miteinander verbunden (wie bei Fieber als Symptom einer Krankheit) (Peirce II, 306 & III, 361). Schließlich wenn Zeichenträger und Referenzobjekt weder durch Ähnlichkeit noch durch reale Zusammengehörigkeit aufeinander bezogen sind, sondern durch konventionelle Regeln (wie meist bei sprachlichen Zeichen), haben wir es mit symbolischen Zeichen zu tun (Peirce IV, 447).

Zeichen können auch zwei oder alle drei Arten vereinen (Peirce II, 292–302). So haben onomatopoetische Wörter ikonische Elemente („Kuckuck“ ahmt den Ruf dieses Vogels nach), aber auch symbolische (englisch heißt er „cuckoo“, estnisch „kägu“, ungarisch „kakukk“). Fotos sind ikonisch, insofern sie eine Ähnlichkeit abbilden, und indexikalisch, weil sie durch Lichtstrahlen zustande gekommen sind, die von den Objekten reflektiert wurden. Wo kulturelle Muster die Deutung prägen, sind stets auch symbolische Aspekte im Spiel.

In gesprochener und geschriebener Sprache (erster und zweiter Modus) verwendet man vornehmlich symbolische Zeichen, denn die sprachlichen Regeln beruhen auf Konvention. Die meisten statischen und bewegten Bilder (dritter und vierter Modus) sind auf den ersten Blick ikonischer Art. Denn man unterstellt eine Ähnlichkeit zwischen dem, was man sieht (z.B. kleine, zweidimensionale Abbilder eingestürzter Häuser in einer Nachrichtensendung), und dem, was vermutlich gemeint ist (tatsächlich eingestürzte große dreidimensionale Häuser). Aufgrund der physikalischen Entstehung (hier Spuren von Lichtstrahlen) sowie konventioneller Regeln der Bedeutungszuweisung (hier Ausblendung der materiellen und proportionalen Unterschiede, Deutung als tagesaktuelle Dokumentation usw.) können aber auch indexikalische und symbolische Momente beteiligt sein. Geräusche und Musik (fünfter Modus) können je nach Typ ikonisch (Richard Strauss’ Alpensinfonie), indexikalisch (Knall für Explosion) und/oder symbolisch (Sirene für Alarm) sein.

Einführung in die Medienlinguistik

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