Читать книгу Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften - Ulrich Wackerbarth - Страница 140
a) Finanzielle Betrachtung
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Nimmt man die oben 1. und 2. beschriebenen Grundregeln zusammen, so ergibt sich die Grundidee des Gläubigerschutzes bei Kapitalgesellschaften: Eine finanzielle Betrachtung der Entwicklung des Vermögens der Gesellschaft während ihrer unternehmerischen Tätigkeit reicht für den Gläubigerschutz aus. Wenn der Zeitpunkt Z3 korrekt bestimmt wird, sind die Ansprüche der Gläubiger nur insoweit gefährdet, als ein bestimmtes diskretes Ereignis die Gesellschaft in die Überschuldung treibt.
Beispiel:
Gesellschaft hat aktives Vermögen in Form von 50 Mio. in Grundstücken + 50 Mio. in Forderungen, dagegen stehen Verbindlichkeiten in Form von 50 Mio. langfristiger Kredite + 50 Mio. Schulden aus Lieferungen und Leistungen. Nunmehr wird ein Schuldner der Gesellschaft zahlungsunfähig, der ihr 5 Mio. schuldete. Die Gesellschaft ist überschuldet. Im Insolvenzverfahren erhalten die Gläubiger (Forderungen gesamt = 100 Mio.) nur 95 Mio. (50 Mio. aus der Verwertung der Grundstücke, 45 Mio. aus den noch verwertbaren Forderungen der Gesellschaft), also jeder Gläubiger eine Quote von 95 % auf seine Forderungen).
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Die damit verbundene – in der Theorie nur sehr begrenzte – Einschränkung der Befriedigung der Gläubiger ist vom Gesetz gewollt, indem es das Institut der Haftungsbeschränkung eingeführt hat. Insoweit findet bei Kapitalgesellschaften eine beschränkte Verlagerung des unternehmerischen Risikos von den Gesellschaftern auf die Gläubiger statt. Das beinhaltet aber – jedenfalls in der Theorie – gerade keine Möglichkeit für die Gesellschafter, auf Kosten der Gläubiger zu wirtschaften oder zu deren Lasten unsorgfältig mit dem eigenen Unternehmen umzugehen. Denn wenn die Gesellschafter sich nur so lange Geld aus der Kasse der Gesellschaft nehmen können, als auch nach der Entnahme bei einer gedachten Liquidation ein Plus für die Gesellschafter in Höhe des Stamm-/Grundkapitals herauskommt, wirtschaften sie stets noch „mit eigenem Geld“ (und daher genügend sorgfältig, da auf eigenes Risiko). Sobald die gedachte Liquidation aber ein Minus ergibt und die Gesellschafter deshalb allein auf das Risiko der Gläubiger wirtschaften, wird die unternehmerische Tätigkeit – wegen der Insolvenzantragspflicht: zwangsweise – beendet und die Gläubiger sind dann über ein Insolvenzverfahren geschützt.
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Nochmals die Grundidee des Gläubigerschutzes nach dem Gesetz: Eine finanzielle Betrachtung reicht aus, eine Beurteilung der unternehmerischen Leistung der Handelnden oder der unternehmerischen Fähigkeiten der Gesellschafter oder Geschäftsführer ist nicht erforderlich für einen funktionierenden Gläubigerschutz. Der Gesetzgeber verlangt, dass die Kapitalgesellschaft ständig „im Plus wirtschaftet“, andernfalls muss sie Insolvenz anmelden.