Читать книгу Die Herrin der Burg / Das Siegel des Templers - Zwei Romane in einem Band - Ulrike Schweikert - Страница 25
KAPITEL 14
ОглавлениеGraf Albert von Hohenberg schritt unruhig in seinem Gemach auf und ab. Als er die polternden Schritte auf dem Gang vernahm, blieb er erwartungsvoll stehen. Die Tür flog auf, und sein Bruder Burkhard stürmte herein.
»Du hattest Recht. Wir haben einen Verräter in unseren Stadtmauern. Walger war ein harter Brocken, doch nun hat er uns den rechten Hinweis gegeben. Es ist kein Alteingesessener!«
»Wer ist es?«, fragte Graf Albert mit leiser Stimme, die seinem Bruder einen leichten Schauder über den Rücken jagte. Burkhard war ein erprobter Krieger, den nichts so leicht aus der Fassung brachte, doch der überwältigende Zorn, der in Alberts Stimme schwang, verblüffte ihn. Wehe dem, der den Damm brach und von dieser Wut hinfortgerissen wurde. Wie nach einer alles vernichtenden Flut würde nichts übrig bleiben.
»Wir werden im Haus des Schneiders Langnas fündig werden«, antwortete der Kriegsmann.
Albert warf sich seinen Umhang über. »Dann lass uns gehen und ihn fragen, warum er meine Stadt den württembergischen und zollerischen Schlächtern zum Fraß vorwerfen wollte.«
»Ich habe meine Männer bereits vorausgeschickt, damit uns das Vögelchen nicht noch ausfliegt.«
Mit langen Schritten eilte Graf Albert durch den düsteren Gang, stürmte die Treppe hinunter, überquerte den Hof und stieg dann den steilen Weg zur Eyach hinunter. Graf Burkhard folgte ihm dicht auf den Fersen.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Verletzten, als er sah, wer in seine Kammer trat.
»Oh, Jungfrau Tilia, das solltet Ihr nicht tun«, flüsterte er heiser. Heinrich von Husen streckte ihr die Hand entgegen, zog sie dann aber gleich wieder unter die Bettdecke zurück und errötete.
Zusammengekrümmt lag er auf der Seite in der schmalen Bettstatt. Mit Erleichterung sah Tilia, dass die Decken dick und warm, die Leilachen leidlich sauber waren. Eine Weile sahen sie sich nur schweigend an. Nervös knetete Tilia ihre Hände.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Heinrich schließlich.
»O ja«, log sie lächelnd, »alle sind sehr freundlich hier.«
Wieder Schweigen. Sie ließ ihren Blick über sein fiebergerötetes Antlitz wandern. Einige der geschwollenen Stellen hatten sich bläulich verfärbt, und unter seinen Augen hatten sich tiefe, dunkle Ringe gebildet. Tilia wollte sich gar nicht vorstellen, wie die Wunden auf seinem Rücken aussahen. Die Heilsalbe der Bäuerin hatte offensichtlich nicht geholfen. Man müsste die Wunden mit heißem Wasser und starkem Wein auswaschen, dachte sie. Zu Hause wäre alles so einfach. Doch wie sollte sie das hier in der Fremde anstellen? Mit Schaudern dachte Tilia an die offensichtliche Missbilligung in der Miene der Kammerfrau, als diese sie zu dem Gelass des Kranken geführt hatte. Wo Gret jetzt war? Ob sie sie suchen sollte?
Der Gedanke war noch nicht ganz durch ihren Kopf gewandert, als sich die Tür öffnete und Gret mit einer dampfenden Schüssel in den Händen eintrat, gefolgt von dem unheimlichen Mönch. Nun, da er die verbrannte Kutte gewechselt und den Ruß abgewaschen hatte, sah er nicht mehr ganz so Furcht erregend aus – zumindest wenn man nur seine linke Seite betrachtete. Seine rechte Wange war durch ein missglücktes Experiment dauerhaft geschwärzt und mit Narben durchzogen, das Ohr fehlte bis auf ein paar kärgliche Reste, die Kopfhaut war eine verschieden gefärbte Kraterlandschaft.
Mit festem Schritt trat er ein, nickte kurz in Tilias Richtung und ließ sich dann vor dem Bett auf die Knie sinken. Ein freundliches Lächeln teilte seine fleischigen Lippen und ließ die braunen Augen leuchten.
»Keine Angst, ich bin nicht der Teufel, und ich habe es auch nicht auf Eure Seele abgesehen, junger Ritter«, beruhigte er Heinrich, der den Besucher mit weit aufgerissenen Augen musterte. Der warme Klang der tiefen Stimme lockerte die verkrampften Hände, die die Bettdecke bis zum Kinn gezogen hatten.
»So ist es schon besser«, lobte Bruder Tragebott und grinste verschmitzt. »Und wenn Ihr mich nun Euer Gewand abstreifen lasst, dann kann ich nach Euren Wunden sehen.«
»Nein, nein!«, wehrte sich der Jüngling und zog die Decke wieder fester um sich. Der Mönch runzelte überrascht die Stirn. Die Reaktion missverstehend, drehte er sich zu Tilia um.«
»Wenn das Fräulein dann so freundlich ist zu gehen?«
Tilia sah trotzig von Heinrich zu dem Mönch. »Er ist mein Lehensmann, und ich bin für ihn verantwortlich.«
Der Mönch zuckte die Schultern und wandte sich dem störrischen Kranken zu.
»Nun stellt Euch bloß nicht an«, schimpfte Gret und zog mit einem Ruck die Bettdecke weg. »Wenn Ihr den Ritterschlag noch erleben wollt, dann lasst Bruder Tragebott die Wunden versorgen.«
Der junge Edle schien der Magd den respektlosen Ton nicht übelzunehmen. Die Zähne fest aufeinandergepresst, drehte er sich auf den Bauch. Er stöhnte nur ganz leise, als der Mönch ihm die Leinenstreifen aus den verklebten Wunden löste. Tilia trat ans Bett. Schweigend starrten Bruder Tragebott und die beiden Frauen auf die eitrigen Striemen mit den bläulich auslaufenden Wundrändern. Der üble Geruch nahm ihnen fast den Atem. Vorsichtig strich der Mönch mit seinem fleischigen Zeigefinger an einem Peitschenstriemen entlang und kratzte etwas von der schwärzlichen Paste ab. Er roch daran und rümpfte angeekelt die Nase.
»Was ist denn das?«
»Die Heilpaste einer Bauersfrau«, erklärte Tilia.
»Wenn die Wunden ihn nicht umbringen, dann dieses Zeug bestimmt!« Der Mönch schüttelte unwillig den Kopf. Noch immer betrachtete er aufmerksam den verunstalteten Rücken.
»Der Folterknecht verstand etwas von seinem Handwerk. Es geht mich ja nichts an, wie Ihr zu diesen Wunden kommt, doch es wäre besser, wenn nicht allzu viele sie zu Gesicht bekämen.«
Tilia nickte nur. Bruder Tragebott begann nun den Eiter mit heißem Wasser und seinem gebrannten Wein auszuwaschen. Neugierig sah das junge Fräulein den großen Händen zu, wie sie geschickt und flink hantierten.
»Was ist das?«, wagte sie nach einer Weile zu fragen.
Ausführlich sprach der Mönch von seiner Apparatur, die er sich in den Kellerräumen aufgebaut hatte, um den klaren, gebrannten Wein zu erhalten. Mit weit aufgerissenen Augen lauschte Tilia seiner Rede, vergaß aber nicht, sein Tun aufmerksam zu verfolgen und ihm flink zur Hand zu gehen, wenn es nötig war.
»Ihr seid für ein Weib nicht nur ungewöhnlich hübsch«, sagte der Mönch, als er sich bereits zum Gehen wandte, »Ihr scheint Euren Kopf auch zum Denken zu verwenden. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr mich ja mal in meinem Verlies besuchen. Dann kann ich Euch den Verdampfungsapparat zeigen.«
Damit ließ er das Fräulein und die Magd mit dem in tiefen Schlaf gefallenen Heinrich in der kleinen Kammer zurück.
Als Gret einige Zeit nach Tilia die Krankenstube verließ, begegnete ihr in dem düsteren Gang ein Ritter. Respektvoll trat sie zur Seite, um ihn vorbeizulassen, doch er blieb stehen und musterte sie aufmerksam.
»So sieht man sich wieder, Gret – so war doch dein Name?«
Nun erkannte die Magd den älteren Grafensohn wieder. Sie grüßte höflich.
»Deine fürsorglichen Hände sind genau das, was ich jetzt brauche. Ich habe mir ein Bad richten lassen. Du kannst mir Gesellschaft leisten und meine Wunden waschen.«
Erst jetzt, als sie hinter ihm in sein erleuchtetes Gemach trat, sah sie die blutige Wange. Die Wunde begann bereits zu verkrusten, sehr tief konnte sie also nicht sein. Trotzdem ließ sich der Grafensohn stöhnend ins Wasser gleiten. Mit geschlossenen Augen lag er da, während Gret die Krusten mit heißem Wasser löste und dann zart mit Kräuterfett bestrich. Er schwieg, und so wanderten ihre Gedanken unruhig zu Sofie, die sie vor einer kleinen Ewigkeit bei Rüdger in der Küche zurückgelassen hatte. Es drängte sie, endlich zu gehen, um nach ihrer Tochter zu sehen, denn so sehr Rüdger das Mädchen liebte, manches Mal war er ein recht sorgloser Vater. Auf Wehrstein war das kein Problem, doch hier in der fremden Umgebung?
»Du hast gar nicht gefragt, woher die Verletzung stammt«, durchbrach der Grafensohn die Stille.
»Wo habt Ihr Euch denn verletzt?«, fragte sie brav, mit ihren Gedanken weit fort.
»Ein Pfeil traf mich nachts vor Haigerloch.«
Grets Finger bewegten sich in gleichmäßigem Rhythmus weiter. Ihre Miene blieb unbeweglich, doch in ihrem Magen kribbelte es plötzlich unangenehm.
»Der junge von Husen wurde auch verletzt«, fuhr Eitelfriedrich in leichtem Plauderton fort. »Wie geht es ihm?«
»Euer Mönch hat nach ihm gesehen«, antwortete Gret gepresst. Ihr Atem ging unregelmäßig.
»Das war für euch alle sicher ein sehr aufregender Aufenthalt in Haigerloch. Und dann wurdet ihr auch noch überfallen und dem von Husen wurden böse Wunden zugefügt?«
Gret wand sich innerlich und verfluchte Tilias Leichtsinn. Wie sollten sie da wieder rauskommen? Wie schnell konnte es geschehen, ungerecht in Verdacht zu geraten. Wie leicht war in diesen Zeiten ein Leben verwirkt. Sie brauchte nicht zu fragen, woher der junge Graf von ihrem Besuch in Haigerloch wusste. Sie sah ihren Gatten geradezu bildhaft vor sich, in der Küche oder dem Gesindequartier, mit einem Becher Met in der Hand von seinen Abenteuern prahlen. Neuigkeiten wurden hier auf der Burg anscheinend schnell weitergetragen. Das musste sie sich merken – und ein ernstes Wörtchen mit Tilia reden. Das nahm sich Gret fest vor.
»Du bist heute nicht gerade gesprächig, meine Liebe«, neckte der Graf. »Und ich muss unsere nette Plauderei nun auch leider beenden. Es wird bald zum Nachtmahl geläutet. Du kannst bei meinen Gewändern mit Hand anlegen.«
Erleichtert atmete Gret auf und eilte sich, dem Herrn in sein Hemd zu helfen.
»Ich sehe, dass dich das sehr betrübt«, spottete er, »deshalb hoffe ich, dich hier zu späterer Stunde wiederzufinden – zu weiteren netten Plaudereien und was uns sonst noch Angenehmes einfällt.«
»Ja, Herr«, sagte Gret nur und knotete die Bänder seiner Beinlinge fest. Ihr Inneres war in zerwühltem Durcheinander. Sie würde sehr vorsichtig sein müssen.
Die alte Kinderfrau machte ihrem Schützling bittere Vorwürfe. Die beiden waren allein in der Kemenate, denn alle zogen sich zum Nachtmahl um. Während Trude die Bänder des saftig grünen Seidenhemdes schnürte, Williburgis den Bliaud über den Kopf zog, die Ärmel annähte und die Bänder festzurrte, schimpfte sie, ohne auch nur einmal Luft zu holen.
»Es wäre Eure Pflicht gewesen, sie anständig zu empfangen. Schließlich hat Euer Bruder sie zu Eurer Gesellschaft herbringen lassen. Ein Bad und Kleider aus der Kammer aus Eurer Hand, nicht von irgendeiner der Damen. Habt Ihr Eurer Mutter denn nie zugehört, wenn sie Euch in Euren Pflichten unterwies!«
Die Vorwürfe trafen Williburgis von Zollern hart. Vor allem da sie spürte, wie Recht die Kinderfrau hatte. Vielleicht gerade deshalb fuhr sie die Alte barsch an und befahl ihr, den Mund zu halten, doch diese ließ sich nicht so leicht beirren.
»Es ist eine Schande, wie der Saal verkommt! Von den anderen Räumen will ich gar nicht sprechen. Wann stellt Ihr Euch endlich Euren Aufgaben? Wann hört Ihr auf, Euch so zu verkriechen?«
Williburgis riss sich los und funkelte die Kinderfrau an. »Noch ein Wort, und ich lasse dich auspeitschen«, schrie sie, dass sich ihre Stimme überschlug, doch dann begann sie zu schluchzen. Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie umschlang die kleine, dicke Frau, barg ihr nasses Antlitz an den mütterlich weichen Rundungen und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Sie zitterte und bebte am ganzen Körper. Sanft redete Trude auf sie ein und wiegte sie in ihren Armen. Die Grafentochter war ganz plötzlich wieder das kleine Mädchen, das von ihren großen Brüdern gehänselt und gepiesackt worden war und nun Trost bei ihrer Kinderfrau suchte.
»Ach, Williburgis, mein Kind, mein Augenlicht, warum wollt Ihr nicht mit mir sprechen. Sagt mir, was Euch so bedrückt.«
Das Mädchen versteifte sich ein wenig. »Es ist nichts. Die Burg fordert mir zu viel ab, doch ich werde das schon schaffen.«
Die Kinderfrau seufzte. »Was haltet Ihr davon, morgen nach Stetten zu reiten? Die Jungfrau von Wehrstein wird ihre Schwester den Nonnen in Obhut geben. Wir würden dort zusammen beten, und vielleicht könntet Ihr mit der lieben Gräfin sprechen …«
Williburgis befreite sich aus den Armen und machte einen Schritt rückwärts. Sie reckte sich, und der hochmütige Glanz kehrte in ihren Blick zurück.
»Niemals, niemals werde ich mit ihr reden. Ich geh nicht nach Stetten!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und rannte hinaus. Hilflos sah ihr Trude nach.
Die kleine Glocke der Kapelle läutete zum Spätmahl. Von überall strömten die Bewohner der Burg Zollern herbei. Die Mägde und Knechte in ihre Stube neben der Küche, die Ritter und Damen in den großen Saal. Nur der Platz der Burgfrau neben dem Grafen blieb leer. Besorgnis im Blick, sah der Graf zu der Kinderfrau, die ganz unten an der Tafel saß, doch diese konnte nur hilflos die Schultern zucken.
Tilia war den Damen in den Saal hinunter gefolgt. Jede strebte einem Platz zu. Wie zu erwarten, saß die gräfliche Familie um das Haupt der Tafel versammelt, doch unter den Gefolgsleuten schien es keine strenge Tischordnung der Rangfolge nach zu geben. Unschlüssig ließ Tilia ihren Blick über die Ritter und Damen schweifen, die bereits kräftig zulangten. Da winkte ihr Swenger von Lichtenstein und klopfte einladend auf den freien Platz an seiner Seite. Dankbar nahm Tilia an.
»Welch Freude, unsere Bekanntschaft zu erneuern, Jungfrau Tilia«, begrüßte der Ritter sie artig und brach ihr einen Kanten Brot ab.
»Danke, Herr Ritter. Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Das war durchaus ehrlich gemeint. Er erschien ihr wie das Licht einer einsamen Kerze in der Dunkelheit. Nach so viel Gleichgültigkeit tat die Wärme seiner Stimme gut.
»Ihr müsst Euch hier in der Fremde recht verloren vorkommen«, sprach er ihre Gedanken aus, während er ihr einen hohen Zinnbecher mit Wein füllte.
Tilia nickte. »Ja, noch weiß ich nicht einmal die Namen der vielen Herren und Damen, die hier auf Zollern wohnen«, seufzte sie.
»Das können wir sogleich ändern«, entgegnete ihr Tischnachbar forsch. »Nun beißt Ihr erst mal herzhaft in den – na ja, nicht besonders gelungenen Braten – ich glaube, Ihr könnt das gebrauchen –, und ich erkläre Euch derweil, welch wichtige und weniger wichtige Persönlichkeiten sich hier so herumtreiben.«
Mit diesen Worten schnitt er ihr ein mächtiges, innen noch von Blut triefendes Stück Fleisch ab, dessen Kruste die Farbe von Holzkohle angenommen hatte und von dem niemand sagen konnte, von was für einem Tier es einst stammte.
Tilia aß ein großes Stück Brot und ein wenig Fleisch und lauschte dabei aufmerksam Swengers Ausführungen.
»Fangen wir bei den hohen Herrn dort oben an.« Swenger von Lichtenstein räusperte sich und schob sich eine verkohlte Fleischkruste in den Mund. Kauend sprach er weiter.
»Der große, schlanke Edelmann mit dem langen Grauhaar ist, wie Ihr Euch denken könnt, Graf Friedrich von Zollern, der Erlauchte, der Hausherr dieses netten Steinhaufens. Ein edler Ritter, der den Namen noch verdient. Stets ruhig und vor allem gerecht. Neben ihm müsste eigentlich Williburgis sitzen. Wer weiß, wo sich das Edelfräulein herumtreibt. Sie ist, vorsichtig ausgedrückt, ein wenig merkwürdig.«
»Ja, ich habe sie bereits kennen gelernt«, pflichtete ihm Tilia leise bei.
»Links, Eitelfriedrich kennt Ihr ja bereits. Die jüngere Ausgabe rechts ist sein Bruder Friedrich, der Merkenberger genannt.« Tilias Wangen überzog ein Hauch von Röte, was dem Ritter nicht entging.
»Ja, die Frauen lieben ihn, und er liebt die Frauen. Hütet Euch, Jungfrau.« Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, fuhr Swenger mit seiner Beschreibung fort.
»Das kleine, runde Weib mit dem auffälligen Kopfputz ist Kunigunde von Baden, Eitelfriedrichs Weib. Nun, man flüstert, er würde sie nur beim Mahle sehen, doch ganz kann das nicht stimmen, der Knabe neben ihr führt die nächste Zollerngeneration an, und ein Mädchen haben sie auch.
Doch kommen wir zu den Rittern und Damen. Der hünenhafte bärtige Klotz dort drüben, der an der linken Hand nur noch vier Finger hat, ist Otto von Ringelstein-Killer. Ein großartiger Kämpfer, das muss man ihm lassen, nur zuweilen ist er – nun, sagen wir – ein wenig übereifrig und heftig.«
Das war sehr zahm ausgedrückt, fand Tilia, die mit einem Schaudern an die erste Begegnung auf der Burg mit diesem Riesen von einem Mann dachte.
»Das nette Weibchen neben ihm, das so ungeniert dem Merkenberger unkeusche Blicke zuwirft, ist Benigna von Hölnstein, meines Bruders Lutz Gemahlin. Es steht mir nicht zu, über sie zu urteilen.
Der kleine Ritter mit dem mausgrauen Haar neben ihr, der sich gerade das vierte Stück Fleisch abschneidet, ist Eberhard von Ringingen. Er ist ein lustiger Geselle – außer wenn er zu tief in den Becher geschaut hat. Dann gibt es argen Streit, der nur mit einer saftigen Prügelei enden kann.
Der liebliche Kerl daneben – ja, der muskulöse mit der Narbe auf der Wange, dessen Ohr bei der letzten Fehde verlustig ging, das ist Ritter Walger von Bisingen, des Truchsessen Sohn. Seine Nachbarin, Ottos Schwester Salome von Ringelstein-Killer.
Der kleine Kerl, der so schmachtend zu Salome rübersieht, heißt Hans von Zell-Andeck. Der Sohn des Schenken. Lasst Euch nicht von seiner Größe täuschen. Er ist ein flinker Schwertkämpfer.«
Tilia sah zu dem schmächtigen jungen Mann mit dem rotblonden dünnen Haar und den grünen, verträumten Augen hinüber. Sie hätte ihn sich eher als Minnesänger denn als Kämpfer in Rüstung vorstellen können.
»Eleonore ist seine Schwester?«
Swenger nickte. »Aha, Ihr habt gut beobachtet – oder unsere kleine Nonne schon kennen gelernt.«
»Nonne?«
»Wir nennen sie so. Sie ist keuscher denn ein ganzes Kloster zusammen, hält nichts von Tanz und Gesang – und die Männer für die Dornen auf ihrem Weg ins Himmelreich. Doch weiter in der Reihe. Der schlaksige Knabe mit dem braunen Schopf ist Eitelfriedrichs Knappe, Diemo von Melchingen. Ein aufgewecktes Bürschchen.«
»Und wer ist der, der da gerade hereinkommt?«
»Das Knochengestell? Wenn er aussieht, als habe er einen ganzen Becher Essig getrunken, dann kann das nur unser hochverehrter Beichtvater Laurenz sein. Ein Musterbild an Enthaltsamkeit. Eine ständige Quelle der Klage über uns unwürdige Gesellen.«
Tilia kicherte. »Aber der Mönch mit dem schwarzen Gesicht, was ist mit dem?«
»Bruder Tragebott braucht weder Nahrung noch Licht. Er ist der Vertreter der Hölle, der tief unten in seinen Verliesen haust. Manches Mal kracht es und stinkt, wenn er einen Zugang zu den Dämonen öffnet. Und dann drohen die Flammen der Hölle die Burg zu verschlingen.« Tilia riss erschreckt die Augen auf, doch Swenger blinzelte ihr fröhlich zu. »Bruder Tragebott ist Vater Laurenz’ härteste Prüfung auf Erden und ansonsten sehr unterhaltsam.«
»Ich glaube, er macht mir ein wenig Angst«, gestand Tilia.
»Ach, das ist völlig unnötig. Wenn man seinen magischen Gerätschaften nicht zu nahe kommt, kann einem gar nichts passieren. Der gute Mönch selbst ist völlig harmlos. Ich finde es sehr spannend, was er in seinen Kammern dort unten so alles zusammengesammelt hat. Wenn Ihr Lust habt, dann führe ich Euch hinunter.« Die Augen des Ritters funkelten unternehmungslustig.
»Nein, danke, vielleicht später einmal«, lehnte Tilia ab.
Swenger neigte den Kopf. »Ja, wenn Euch der Rest hier schrecklich langweilt, dann kommt ruhig noch einmal auf mein Angebot zu sprechen. Doch nun muss ich mich verabschieden.« Er zwinkerte geheimnisvoll. »Ich habe noch eine Verabredung.«