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Die Schweiz rüstet zum Krieg

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Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, steuerte das offiziell neutrale Schiff mit deutschfreundlicher Schlagseite durch die Turbulenzen der Zeit. Um nur zwei Beispiele aus diesen Jahren zu nennen: Während die Landesregierung durch Bundesrat Motta dem deutschen Gesandten zur »Rückholung« Österreichs gratulierte, verbot sie mit massiven Strafen selbst einfache Geldsammlungen zugunsten der spanischen Republikaner. Auch in der Judenfrage waren die Präferenzen des Bundesrats eindeutig: Obschon er über die Judenverfolgungen in Deutschland informiert war, anerkannte er Juden nicht als asylberechtigte Flüchtlinge. Auf Schweizer Vorschlag erhielten deutsche und österreichische Juden ein »J« in den Paß gestempelt, um sie an der Grenze erkennen und zurückweisen zu können.

Politisch, wirtschaftlich, militärisch und geistig rüstete die Bundesregierung das Land seit 1936 zum absehbaren Krieg. Innenpolitisch betrieb sie eine Integration nach rechts. Seit 1929 war die konservative Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (bgb) Mitglied der Regierungskoalition. Die Sozialdemokratie rückte von ihren Klassenkampfpositionen ab und sprach sich 1937 für die militärische Landesverteidigung aus. Im selben Jahr schloß der Schweizer Gewerkschaftsbund mit dem Unternehmerverband ein Stillhalteabkommen, den »Burgfrieden«. Gleichzeitig traten Repressionen gegen links und rechts in Kraft: 1937 wurden alle kommunistischen Organisationen verboten, 1938 die Fronten. Durch die Rechtsintegration hatten die letzteren ihre Bedeutung ohnehin weitgehend verloren130 . Die Mehrheit der Bevölkerung folgte diesem Kurs. 1936 wurde eine Rüstungsanleihe mehrfach überzeichnet. Auch Frisch beteiligte sich daran.

Die Außenpolitik der Schweiz paßte sich zunehmend dem Druck der faschistischen Nachbarn an131 . Ein Netz von Handels- und Finanzabkommen mit den Achsenmächten sollte die künftige ökonomische Stellung der Schweiz absichern. 1939 ließ sich die Schweiz mit der Begründung, die »integrale Neutralität« wieder herzustellen, von ihrer Verpflichtung, die Boykottmaßnahmen des Völkerbunds gegen die faschistischen Aggressoren mitzutragen, entbinden.

Es wäre allerdings falsch, Annäherung und Rechtsintegration als eine schleichende Angliederung der Schweiz ans Deutsche Reich zu interpretieren. Im Gegenteil: Die Anpassung sollte ihre Unabhängigkeit erhalten und die Isolierung und Einverleibung verhindern. Eine geradezu mystisch verstandene Unabhängigkeitsmaxime leitete diese Politik. Dabei entstand ein klassisches Paradox: Um die freiheitliche Demokratie vor dem faschistischen Totalitarismus zu schützen, deformierte sich die Schweiz zunehmend selbst zu einem Regime mit totalitären Zügen. Um fremde faschistische Strukturen abzuwehren, schuf sie eigene autoritäre Formen.

Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991

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