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Mein erster BH

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Eines Tages kam Frau Otto, auch eine junge Erzieherin, zu uns. Sie hatte eine sieben Monate alte Tochter. Hin und wieder brachte sie das Kind mit zur Arbeit. Oft stand die Kleine stundenlang auf der Wiese, keine von uns konnte an dem Wagen vorbeigehen, ohne das Baby zu schaukeln oder mit ihm zu spielen. Frau Otto hatte keine Probleme mit uns. Sie achtete auf ordentliche Kleidung, was nicht einfach war. Meistens trugen wir Einheitssachen oder ausgewaschene Kleidung von den Großen. Ich machte mir nicht viel aus meiner Kleidung, am liebsten lief ich im Trainingsanzug herum, der mit seinen weiten Hosenbeinen unmöglich aussah. Ich kletterte auf Bäume, baute mit einigen Jungs Höhlen und fühlte mich dabei sehr wohl. Mit der Ankunft von Frau Otto änderte sich mein Äußeres. Ich trug helle Kleider, neue Schuhe und kam mir richtig schön vor.

Eines Tages, als Frau Otto bei uns im Gruppenraum stand, sagte sie zu mir: »Es wird Zeit, dass du einen BH trägst.«

Mir war das vor den Mädchen peinlich, denn alle blickten plötzlich auf meine Brust. Ich fand nichts Besonderes an ihr. Natürlich wusste ich, dass ich mehr hatte als die anderen – aber warum nun gleich einen BH?

Der Weg zur Wäschefrau schien kein Ende zu nehmen. Als ich endlich dort landete, stotterte ich herum, bis sie wusste, was ich wollte.

Da grapschte sie an meine Brust, tastete sie ab und sagte: »Für diese kleinen Dinger brauchst du keinen BH.«

Das Abtasten war mir unangenehm, aber noch mehr schämte ich mich, als sie mir trotzdem einen rosafarbenen BH in die Hand drückte.

Sie vergaß allerdings, mir zu zeigen, wie man ihn anlegte. Mit dem Ding in der Hand rannte ich in meine Gruppe, triumphierend hielt ich es hoch und sagte: »Seht mal, was ich hier habe!«

Staunend fassten alle Mädchen den »Rosaroten« an, einige hielten ihn an ihre Brust, er war allen zu groß.

»Los, bind ihn mal um!«

Ich schlüpfte mit den Armen durch die Träger, und die Mädchen machten den Verschluss zu. Aber wie sah das aus! Der BH saß durchaus nicht dort, wo er hingehörte. Ich lachte mich halb tot. Wie ein Sabberlatz hing er mir um den Hals. Wir zogen und schoben an ihm herum, bis er endlich dort saß, wo er sein sollte. Ich fühlte mich mit dem Ding wie in einer Zwangsjacke. Beim Versteckspielen rutschte er mir dann wieder über die Brust und um den Hals. Ich suchte ein Gebüsch, wo mich keiner sah, und schnallte das Ding ab, steckte es in die Tasche meines Kleides und fühlte mich sofort befreit. Später erfuhr ich, dass die Träger verstellbar waren, aber ich hatte ihn ja ohne Gebrauchsanweisung erhalten.

Frau Otto musste nach den Sommerferien eine andere Gruppe übernehmen. Sowohl sie als auch wir waren sehr traurig, als sie uns verließ. Der Grund war die folgende Geschichte.

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