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Die Hohbachspinnerin

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Goms

Noch im letzten Jahrhundert berichteten die alten Leute im Goms oft von der Hohbachspinnerin. Sie soll auf der Hohbachalp südlich von Reckingen gewohnt haben und war ein gar seltsames Wesen, selbst die Alpknechte fürchteten sich vor ihr; niemand wollte mehr mit den Tieren dort hinaufgehen.

Wie man erzählte, soll die Hohbachspinnerin ein furchtbarer Anblick gewesen sein: ein grimmiges, altes Weib, nur noch Haut über Knochen, mit langen Zähnen, und auf ihrer Schulter sass eine schwarze Katze mit feurigen Augen. Ganz unerwartet sei die Frau plötzlich vor einem aus dem Boden gewachsen – vor allem dann, wenn man lieber versteckt hielt, was man gerade vorhatte.

Immer, wenn man die Alte traf, war sie an der Arbeit mit einer Handspindel. In ihrem Zuhause soll sie ein weiteres, ganz besonderes Spinnrad besessen haben. Die Fäden, die sie damit spann, schienen einen erheblichen Einfluss auf das Schicksal der Menschen im Tal zu haben. So jedenfalls erzählten es die Alten. Doch wie sehr man die Spinnerin auch fürchtete, die Hohbacherin tat eigentlich niemandem etwas zuleide. Sie strafte auch die ungehorsamen Kinder nicht, denen man oft mit ihr drohte. Gern erschreckte sie jedoch faule Spinnerinnen oder solche, die über dem Dorfklatsch das Arbeiten vergassen. Oder sie tadelte mitunter Frauen, welche die Spinnzeiten nicht einhielten und noch nachts und während der Festzeiten nicht aufhören konnten, die Wirtel zu drehen oder das Rad zu treten. Manchmal kam es vor, dass ein Mädchen für einige Zeit aus dem Dorf verschwand und es sich später herausstellte, dass es bei der Hohbacherin gewesen war und dort spinnen und andere wichtige Dinge gelernt hatte.

Die Katze der Hohbachspinnerin aber war ein teuflisches Tier. Kaum trat eine Kuh in ihre Nähe, sprang sie diese an und biss sie in den Hals. Und meist war das betreffende Tier nach zwei Tagen tot. Es gab Sommer, da mussten einige Kühe auf diese Weise dran glauben. Kein Wunder also, dass niemand mehr mit den Tieren auf die Hohbachalp hochsteigen wollte.

Die feindliche Katze war auch im Tal unten gefürchtet, und die Leute wussten sich nicht mehr zu helfen. In ihrer Not baten sie einen frommen Kapuzinerpater um Hilfe. Dieser riet ihnen, vier Holzkreuze zu zimmern, sie vom Pfarrer segnen zu lassen und schliesslich auf der Alp einzugraben, an jeder Ecke eines. Zudem sollten in der Stalenkapelle vier Messen gelesen werden.

Natürlich vollzogen die Gommer, was ihnen vom Kapuziner aufgetragen worden war. Und siehe da – die bösartige Katze verschwand. Doch mit ihr auch die Hohbachspinnerin. Niemand hat sie seither je wieder gesehen.

Nach Guntern 1979, Nr. 1598

Bergmütter, Quellfrauen, Spinnerinnen

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