Читать книгу Bergmütter, Quellfrauen, Spinnerinnen - Ursula Walser-Biffiger - Страница 30

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In alten Zeiten liess sich die Ahnfrau einer Gegend bisweilen in einem mächtigen Baum nieder oder sie zeigte sich den Menschen in ihrer Baumgestalt.

Das Wissen um die Macht der Bäume ist fest in unserem Kulturgut verankert. In der germanischen Mythologie verkörpert die Esche Yggdrasil gar den gesamten Kosmos. Die alten Völker verehrten die Bäume, weil sie Nahrung, Wärme, Schutz und Material für Werkzeuge lieferten. Besondere, meist einzeln stehende Bäume waren so heilig, dass sie weder gefällt noch ihrer Zweige beraubt werden durften. Sie waren Wohnstätte von göttlichen Wesen oder von den Ahnen, die von hier aus Segen und Fruchtbarkeit übers Land brachten und den Menschen mit Rat zur Seite standen.

Bäume spendeten nicht nur Schatten, sondern auch Leben: Junge Frauen umarmten die Bäume und verhalfen so einer Ahnenseele, die sich im Baum niedergelassen hatte, wieder ins irdische Dasein. Ein Beispiel ist der auf Seite 39 erwähnte Kindlibaum (Kinderherkunftsbaum) bei Kippel im Lötschental. Rabiate Missionare des frühen Mittelalters liessen viele solcher heiligen Bäume fällen. Doch im Verborgenen wurde der uralte Baumkult noch lange weiter gepflegt, auch wenn in der Vorstellung der bekehrten Heiden die Grosse Ahnfrau oder die Ahnen, die im Baum wohnten, zu Armen Seelen wurden, die hier gefangen waren und für ihre Sünden büssen mussten.

Und manchmal wurde ein Ahnbaum mit einem Marienbild geschmückt. Maria sollte die Grosse Ahnfrau, die sich hier in ihrer Baumgestalt zeigte, ersetzen, und der Baum konnte weiter bestehen. Die singende Tanne von Reckingen jedoch wurde gefällt und aus ihrem Holz eine Marienstatue geschnitzt. Bildhafter kann man die Christianisierung des Ahninnenkults wohl nicht darstellen.

Bergmütter, Quellfrauen, Spinnerinnen

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