Читать книгу Tabu Liebe verlässt dich nie - Ute Dombrowski - Страница 12

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In den nächsten beiden Tagen dämmerte Katja vor sich hin. Sie war nicht in der Lage gewesen, etwas zu essen und nur Cora konnte sie mit viel Geduld zum Trinken überreden. Das war wichtig, dachte Cora, sonst würde Katja auch noch zugrunde gehen.

Michel und Marie waren wegen Karims Sterbeurkunde unterwegs. Carsten Froehdes leitete mit Hilfe von Bea und Hannes in Berlin alles in die Wege. Am Wochenende setzten sie sich erschöpft zur Ruhe. Für die Bestattung war soweit alles geregelt, am Dienstag sollte Joshua noch einmal mit dem Bestattungsinstitut den genauen Ablauf klären. Einer der Bestatter, der damit viele Erfahrungen hatte, würde mitfahren.

Joshua war erschüttert, aber er konnte Marie den Wunsch nicht abschlagen, sein Boot für die Bestattung zur Verfügung zu stellen, obwohl es ja eigentlich ein viel freudigeres Ereignis gewesen war, was sie gemeinsam erleben wollten. Nun war alles nur Trauer und Schock.

Marie und Cora hatten beschlossen, wenn Katja bis Montag nichts essen oder aufstehen würde, noch einmal einen Arzt zurate zu ziehen. Sie wussten nicht mehr, was sie tun sollten. In der Nacht hatte Katja im Schlaf geschrien, sodass alle hochschreckten. Cora hielt Katja und weinte dabei ihre eigenen Tränen. Michel hatte sie später in seine Arme geschlossen und sanft in den Schlaf gewiegt.

Am Sonntag regnete es am Morgen ein wenig. Marie ging ins Bett und Michel löste sie bei Katja ab. Er öffnete die Balkontür und ließ die frische, gereinigte Luft herein. Katja schlug die Augen auf. Michel setzte sich zu ihr und probierte ein kleines Lächeln.

„Katja, schön, dass du wach bist. Guten Morgen. Wie fühlst du dich körperlich? Die beiden Frauen haben geschworen, einen Arzt zu holen, wenn du bis morgen nicht aufstehst und eine Kleinigkeit isst. Ich finde, sie haben recht. Wollen wir beide nicht mal versuchen aufzustehen und am Fenster Luft zu holen? Es ist heute frisch vom Regen“, sagte Michel sanft, aber nachdrücklich.

Katja antwortete nicht, setzte sich aber auf. Michel lobte sie, dann half er ihr, die Beine und Füße aus dem Bett zu schieben.

„Siehst du, es geht.“

Er reichte ihr die Hände und zog sie langsam hoch. Katja war so schwach, dass sich sofort alles zu drehen begann. Sie sank zurück auf die Bettkante. Aber Michel gab nicht auf. Er nickte ihr zu und zog sie noch einmal hoch. Dieses Mal blieb Katja stehen. Sie war ab und zu mehr ins Bad gekrochen als gelaufen. Nun machte sie an Michels Hand ein paar Schritte auf den Balkon hinaus. Dort atmete sie tief ein und aus.

„Danke, Michel.“

„So, ich rufe jetzt mal Cora. Du setzt dich hier kurz hin. Dann könnt ihr beide ins Bad gehen und du stellst dich unter die Dusche. Ich gehe in die Küche zu Carsten und wir machen Frühstück. Versprichst du mir etwas?“

Katja nickte.

„Was denn?“

„Du kommst zu uns an den Tisch und isst ein ganz kleines Stückchen Brot oder Obst. In Ordnung?“

Katja nickte wieder. Dann ließ sie sich erschöpft auf der Sonnenliege nieder und wartete auf Cora. Michel küsste sie auf die Stirn und ging hinunter. Cora lächelte, als er nickte.

„Ich habe es geschafft. Sie ist aufgestanden und hat mir versprochen, etwas zu essen und bei uns zu sitzen. Geh bitte hoch und mit ihr ins Bad, damit sie nicht in der Dusche umkippt.“

Cora küsste ihren Mann.

„Du bist mein Held. Ich danke dir.“

Marie konnte nicht schlafen und saß nun auch in der Küche. Sie ging um den Tisch zu Michel und küsste ihn auf die Wange.

„Ich danke dir auch. Wir müssen sie wieder auf die Beine kriegen, sonst hält sie die Bestattung nicht durch.“

Nach einer halben Stunde saß Katja bei ihnen am Tisch. Sie war frisch geduscht und angezogen. Mit einem Fuß auf dem Stuhl, das Knie unter das Kinn gezogen und hängenden Schultern saß sie schweigend da. Trotz der Fürsorge ihrer Freunde sah sie furchtbar aus und war dünn geworden.

Cora legte ihr eine Scheibe Toast mit Marmelade auf den Teller. Dazu schnitt sie eine Kiwi in kleine Stücke. Mit einem Lächeln nickte sie ihrer Freundin zu.

Nach einer halben Ewigkeit griff Katja nach dem Toast und aß ihn tapfer auf. Dann schob sie entschlossen die Obststücke hinterher. Sie hatte nicht bemerkt, wie hungrig sie war. Schließlich hatte sie acht Tage nichts zu sich genommen.

„Danke, ihr Lieben, wenn ich euch nicht hätte“, sagte sie in die Runde.

Michel schob ihr eine halbe Tasse Kaffee über den Tisch. Katja trank das schwarze Gebräu und schüttelte sich. Sie sah nun schon wesentlich munterer aus. Ihr Körper hatte auf den Überlebensmodus umgeschaltet.

„Welcher Tag ist heute?“

Marie sagte: „Heute ist Sonntag, mein Engel. Du hast eine ganze Woche im Bett gelegen. Es ist gut, dass du wieder auf bist, du musst Kraft schöpfen. Daniel und die anderen brauchen dich am Freitag. Ihnen wäre es wichtig gewesen, sich von dir zu verabschieden und du willst das doch auch, oder?“

„Ich erinnere mich noch so gut an den Abschied vor einer Woche. Er hat mich in den Armen gehalten und …“

Wieder kamen ihr die Tränen. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und ihre Schultern zuckten.

Dann blickte sie auf.

„Ich liebe dich sehr. Und ich hoffe, wir sind mehr als dreißig Jahre glücklich. Das waren seine letzten Worte. Wir sind voller Liebe auseinandergegangen. Aber wir werden keine dreißig Jahre schaffen. Nie mehr.“

Cora waren auch die Tränen gekommen und Michel legte einen Arm um sie.

Er sagte zu Katja: „Er wird immer in deinem Herzen sein. Mehr als dreißig Jahre. Dein ganzes Leben. Das weißt du.“

Katja schaute ihn an und nickte. Michel sah, dass sie sich an diesem kleinen Schnipsel Hoffnung aufrecht hielt und das war gut so. Er dachte an Karim, der niemanden hatte, der ihn so sehr liebte wie Katja Daniel. Und er dachte an Thea und Richard, die so lange verheiratet und nun auch gemeinsam aus dem Leben gegangen waren. Der Gedanke, dass die beiden an ihrem Ehrentag Arm in Arm zusammen waren, als das Schicksal sie von Himmel holte, beruhigte ihn. Nur Katja und Marie mussten nun mit dem schmerzlichen Verlust leben.

„Ja, ich will und ich muss Abschied nehmen. Ich muss Daniel noch soviel sagen und Karim wird mir so sehr fehlen. Er war mein bester Freund. Mit Thea und Richard sind meine zweiten Eltern gegangen. Ich schaffe das am Freitag, aber wie es weitergehen soll …“

Katja konnte nicht weitersprechen, denn sie konnte nicht weiterdenken.

Die Tage bis zur Bestattung vergingen langsam. Marie hatte mit der Hilfe von Michel alle Angelegenheiten von Karim geregelt. Dafür waren sie noch auf verschiedenen Ämtern gewesen. Bei der Polizei hatten sie erfahren, dass das Gutachten zum Absturz noch in Arbeit war, aber so, wie es aussah, hatte sich tatsächlich durch eine Materialschwäche einer der Rotorflügel gelöst und dadurch war der Helikopter nicht mehr steuerbar gewesen. Selbst durch noch so umsichtige Manöver hätte Karim die Maschine nicht halten oder landen können.

Sie hatten keine Chance gehabt.

Marie war froh, dass ihr Karim keine Fehler gemacht hatte. Das wäre für sie noch viel schlimmer gewesen. Es gab ja oft Unglücke, wo menschliches Versagen die Ursache war. Manchmal konnte keine Ursache gefunden werden und man gab im Nachhinein dem Piloten die Schuld.

Am Donnerstag kam Dr. Froehdes aus dem Büro, wo er telefoniert hatte. Bea hatte ihn davon unterrichtet, dass sie am kommenden Donnerstag einen Termin beim Nachlassgericht in Berlin hatten und dass Katja dort erscheinen musste. Er berichtete beim Mittagessen davon.

Michel schlug vor: „Dann buche ich für uns drei einen Rückflug am Mittwoch. Ist das für dich in Ordnung?“

Katja schluckte und legte die Gabel aus der Hand.

„Am liebsten würde ich hier bleiben, aber das geht wohl nicht. Also, dann mach das mit dem Flug. Kann ich die Tage bei euch bleiben?“

„Aber ja!“, rief Cora. „Du kannst bleiben, solange du magst. Das weißt du doch und es können ja auch Bea und Hannes kommen. Wir sind für dich da. Für immer.“

Mit Tränen in den Augen erhob sich Katja vom Tisch und setzte sich auf die Terrasse. Dort saß sie nun jeden Tag und hing ihren Erinnerungen nach. Oft weinte sie dabei. Cora und Michel kümmerten sich rührend. Auch um Marie, aber die lenkte sich mit den banalen Alltagsdingen ab. Mit Einkaufen, Besuchen in der Firma und Putzen fand sie ihren eigenen Weg zurück ins normale Leben, auch wenn es nie wieder so normal sein würde, wie es einmal gewesen war.


Tabu Liebe verlässt dich nie

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