Читать книгу Einmal Malle und zurück - Uwe Beckmann - Страница 10
Wo bin ich?
ОглавлениеIch wurde durch ein Geräusch wach, das darauf schließen ließ, dass ein Braunbär seinen verdienten Winterschlaf hielt und öffnete behutsam die Augen. Schnell erkannte ich, dass ich nicht in meinem Zimmer war. Ich drehte mich langsam auf die andere Seite, aus der das Grunzen kam, das mich meines Schlafes beraubte. Dabei blickte ich auf rosafarbenes Plüsch was mich zu der Annahme verleitete, dass neben mir ein überlebensgroßer Teddy mit realitätsnaher Geräuschfunktion lag. Dann erkannte ich jedoch das wallend, blonde Haar. Meiner ersten Einschätzung der Lage zufolge, musste es sich hier um die dicke Schwester von Cindy aus Marzahn handeln. Weder konnte ich mir erklären, wie ich in das Bett der molligen Dame kam, die sich meiner Meinung nach dringend einer Operation der Nasenscheidewände unterziehen sollte, noch wusste ich etwas über den Verlauf des vorangegangenen Abends. Ich erinnerte mich sehr wohl an den heißen Flirt mit dem Typen, den ich für Eva Longoria hielt, danach war aber nicht mehr viel.
Du flirtest mit Eva Longoria und wachst neben der dicken Schwester von Cindy aus Marzahn auf, schoss es mir durch den Kopf. Ich musste mir eingestehen, einen totalen Filmriss zu haben. Vorsichtig sah ich mich in dem Zimmer um und suchte nach einem Anhaltspunkt, der meinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen konnte, fand jedoch nichts. Mein Blick blieb nun an dem, auf niedriger Stufe surrenden Ventilator an der Decke hängen. Dort hing eine grüne Unterhose, die sich langsam im Kreis bewegte. Mein Kopf machte drei Umdrehungen mit, als ich meine Bettdecke anhob und darunter lurrte. Meine Befürchtung bestätigte sich. Da oben hing meine Unterhose, denn ich war komplett nackt. Natürlich stellte ich mir die Frage, warum meine Boxershort da oben ihre Runden drehte. Ich fand darauf jedoch genauso wenig eine Antwort, wie auf so manch andere Frage, die sich im Zusammenhang mit meinem Aufenthalt in dem Bett der XXL-Blondine stellte.
So leise wie möglich, versuchte ich das Bett zu verlassen und ging auf Zehenspitzen Richtung Bad, da ich dringend pinkeln musste. Ich erinnerte mich an den Film Hangover und öffnete die Badtür mit der nötigen Vorsicht. Wer weiß, vielleicht liegt der Tiger von Mike Tyson da drinnen und schlabbert die Kloschlüssel leer. Die Luft war jedoch rein und ich schloss die Tür leise hinter mir, um meine Blase zu entleeren. Dabei blickte ich mich auch hier um, in der Hoffnung, eine Erklärung für so manche Frage zu finden. Auch im Bad sah es relativ unaufgeräumt aus. Ein hilfreiches Indiz, das meine Erinnerungslücke etwas füllen konnte, fand sich jedoch auch hier nicht. Ich verließ die Toilette und blickte noch einmal auf das Bett, aber da lag immer noch der, in einem rosafarbenen Plüschschlafanzug gekleidete, Fleischklops und gab ohrenbetäubende Schnarchgeräusche von sich.
Langsam ging ich zu dem Fenster und blickte raus. Ich sah auf die Rückseite des Hotels in dem ich wohnte, somit wusste ich zumindest schon einmal wo ich war. Rasch beschloss ich, das Zimmer zu verlassen, dabei verhielt ich mich so ruhig wie es mir nur möglich war, denn ich wollte Blondi unter keinen Umständen aus ihren Träumen reißen.
Ich suchte meine Sachen zusammen. Bis auf meine Jeans fand ich auch alles, selbst der Geldbeutel lag neben dem Bett.
Es war nicht ganz ausgeschlossen, dass sich die Hose unter der grunzenden Lady befand und somit für mich so zugänglich war, wie der Sicherheitstrakt der Bank von England. Da ich in weiser Voraussicht mehrere Jeans mit auf die Reise genommen hatte, beschloss ich das Zimmer ohne sie zu verlassen. Glücklicherweise war mein Shirt relativ lang und so konnte man vermuten, dass ich darunter eine Badehose trug. Wie ein Hühnerdieb stahl ich mich davon und zog die Tür langsam hinter mir zu. Selbst am Gang des Hotels schlich ich noch leise weiter, bis ich vor dem rettenden Aufzug stand, der mich in die Lobby der Anlage bringen sollte.
Als sich die Tür des Fahrstuhls dort öffnete, blickte ich direkt auf die Rezeption und den dort stehenden Angestellten des Hotels. Dieser blickte mich argwöhnisch an. Den Blick nach unten gerichtet, versuchte ich an ihm vorbeizukommen, wurde jedoch von ihm angesprochen. „Hola Senior!“
„Hallo.“
„Sprechen Sie deutsch?“
„Ja“, antwortete ich knapp, immer noch das Ziel vor Augen, das Hotel so schnell wie möglich zu verlassen.
„Kann es sein, dass Sie Ihre Hose vermissen?“
Nun blickte ich ihn an. Was wusste der Mann über den Verbleib meiner Hose? Scheinbar mehr als ich und das machte mich stutzig.
„Ich glaube, dass ich weiß, wo sie ist“, sagte er grinsend zu mir.
Ich blickte ihn fragend an. „Und wo glauben Sie, dass sie sein könnte?“
Er deutete mit seinem Finger durch die gläserne Eingangstür, jedoch nach oben. Dort sah ich drei Fahnenmasten. Am linken hing die spanische Flagge. Rechts eine gelbrote Flagge mit einem lilafarbenen Rechteck, deren Bedeutung mir nicht klar war und in der Mitte hing auf Halbmast eine Jeanshose, die bei genauerer Betrachtung meine sein konnte. Es sprach zumindest viel dafür, dass sie es war, denn kurz vorher hatte ich meine Unterhose von einem Deckenventilator geangelt, da lag es doch nahe, dass meine Jeans an einem Fahnenmast baumelte.
Zusammen gingen wir zu den drei Stangen, um meine Hose nach unten zu ziehen. Natürlich wohnten diesem morgendlichen Fahnenappell einige neugierige Gäste des Hotels bei, die teilweise sogar Fotos von diesem ungewohnten Schauspiel machten. Ich schnappte mir die Hose, verließ das Hotel so schnell es nur ging und versuchte auf dem Weg zu meiner Bleibe diese einzelnen Puzzlestücke zusammen zu bringen.
Mit dieser Aufgabe war ich jedoch heillos überfordert. Ich schwor mir dem Alkohol fürs Erste zu entsagen. Einen solchen Filmriss wollte ich nicht noch einmal. Als ich mein Zimmer betrat, war die Putze bereits da gewesen, so setzte ich mich auf den Balkon meines Zimmers. Hier versuchte ich nun verzweifelt zu recherchieren, wie der Ablauf des vorangegangenen Abends gewesen sein konnte.