Читать книгу Einmal Malle und zurück - Uwe Beckmann - Страница 3
Die Vorbereitungen
ОглавлениеIch verließ das Büro in Richtung meiner Wohnung und pünktlich zu meinem Urlaubsbeginn setzte ein heftiger Regenschauer ein. Umso glücklicher war ich, in weiser Voraussicht einen zehntätigen Urlaub auf Mallorca gebucht zu haben, um den unkalkulierbaren bayerischen Wetterverhältnissen zu trotzen.
Eigentlich durfte man annehmen, dass es Ende August im Süden Deutschlands schön sein sollte, aber dieses Jahr wollte ich auf Nummer sicher gehen, da ich mir im letzten Sommer statt eines Sonnenbrandes eine heftige Erkältung einfing. Im Wesentlichen war diese dadurch zu erklären, dass ich auch bei Temperaturen um die zwölf Grad mit einem Muskelshirt herum lief, schließlich war ja Sommer. Zumindest suggerierte mir das der Bauernkalender meiner Oma, auf den eigentlich immer Verlass war.
Somit verbrachte ich also letztes Jahr eine Woche meines Urlaubs im Bett und kurierte die bereits erwähnte Erkältung aus. Wenn es dieses Jahr einen Anlass geben sollte das Bett zu hüten, dann mochte dafür schon ein konsumierter Eimer Sangria oder zumindest ein kurzzeitiger Durchfall vom schlechten Hotelessen der Grund sein.
Zu Hause angekommen, fing ich an das Nötigste einzupacken. Hierzu muss man sagen, dass ich ein Mensch bin, der diesen Begriff etwas weiter auszudehnen pflegt. Während für andere drei Unterhosen, zwei Shirts, eine Hose, Badeklamotten, ein paar Schuhe und vielleicht noch eine Dose Rei in der Tube im Wesentlichen zum Nötigsten gehörte, was zumindest die Bekleidung anbelangte, durfte es für mich schon ein bisschen mehr sein. Schließlich galt es auch für eventuell auftretende Ausnahmesituationen gerüstet zu sein. Immerhin war ich weit weg von zu Hause und es sollte ja auch im Urlaub an nichts fehlen.
So türmte ich die Sachen, die ich gerne mitnehmen wollte auf das Bett neben den aufgeklappten leeren Koffer. So weit so gut. Nun galt es den volumenmäßig etwa dreimal so großen Berg an Klamotten und anderen wichtigen Utensilien, in den an sich eh schon großzügig bemessenen Koffer zu bringen.
Im Laden versicherte man mir seinerzeit glaubhaft, dass es keinen größeren Koffer gäbe. Die genervt wirkende Verkäuferin wollte mir zwischenzeitlich schon die Kontaktdaten eines Spezialhandels für Speditionsbedarf geben. Dort gab es wohl eine große Auswahl an Alutransportboxen, die aber in der Regel dann als Sperrgepäck aufgegeben werden mussten. Schlussendlich entschloss ich mich jedoch, den größten verfügbaren Koffer in dem Laden zu nehmen. Abschließend ging es noch um die Farbauswahl. Hier bestand die Möglichkeit zwischen einer schwarzen Ausführung und einem lilafarbenen Modell zu wählen, das zusätzlich noch mit rosafarbenen Kleksen verziert war. Meine Lieblingsfarbe grün war überhaupt nicht lieferbar, schließlich entschied ich mich für die zweifarbige Variante, da ich mir durch die ausgefallene Farbwahl einen entscheidenden Vorteil am Transportlaufband des Flughafens versprach. Erfahrungsgemäß waren die Koffer ja meist schwarz und da konnte es dann schon mal zu Verwechslungen und damit verbundenen tumultartigen Szenen kommen.
Ich fing also an den aufgetürmten Berg Kleidung in den Koffer zu schlichten. Dabei stieß ich relativ rasch an dessen Grenzen, was dazu führte, dass ich mich notgedrungen von dem einen oder anderen Utensil trennen musste. Diese Auswahlprozedur zog sich über etwa eine Stunde hin. Wohl oder übel ließ ich einige Sachen zurück, darunter eine lange Unterhose, meinen Bauchwegtrainer und eine Campingtaschenlampe, die man aufgrund ihrer Größe durchaus auch als Schlagstock hätte nutzen können. Folglich wäre ich in der Lage gewesen einen nächtlichen Einbrecher erst zu blenden, um ihm dann mit dem circa ein Kilo schwerem Leuchtstab eins überzubraten.
Die finale Entscheidung, die Lampe nicht mitzunehmen, fällte ich, nachdem ich mich auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes über die landesspezifischen Sicherheitsrisiken informierte, die auf der Baleareninsel auf mich lauerten. Hier wurde in erster Linie vor Taschendiebstahl gewarnt. Da ich allerdings nicht vorhatte, dieses unhandliche Monstrum auf all meinen Wegen bei mir zu führen, blieb es zuhause. Hätte mich die Reise in die Favelas von Rio de Janeiro geführt, wäre diese Entscheidung sicherlich anders ausgefallen.
Der Koffer ließ sich nur mit großer Kraftanstrengung schließen, da sich die darin befindlichen Utensilien vehement dagegen wehrten, auf ein Mindestmaß zusammengepresst zu werden. Als geborene Kämpfernatur gab ich so schnell natürlich nicht auf und ein leises Klicken signalisierte mir, dass die zwei Hartschalenkofferhälften zueinander gefunden hatten. Der Verschlussmechanismus sorgte auch dafür, dass dies so blieb.
Triumphierend verließ ich das Schlafzimmer, um mir nach all der Anstrengung ein Bierchen zu gönnen, mit dem festen Vorsatz im Anschluss noch ein paar Übungseinheiten mit dem Bauchwegtrainer einzulegen.
Schließlich musste ich ja auf diesen die nächsten zwei Wochen verzichten. Dennoch hielt ich es für sinnvoll noch etwas für meine Bauchmuskulatur zu tun, denn auf Mallorca präsentierte ich mich ja zumindest am Strand mit freiem Oberkörper.
Ich öffnete die Bierflasche und vernahm ein verheißungsvolles Plopp. Die Vorfreude auf den ersten Schluck war groß, als ein weiteres metallisches Geräusch aus dem Schlafzimmer die Stille durchbrach. Ich hatte eine wage Vermutung, stellte die Bierflasche schweren Herzens auf die Arbeitsplatte und begab mich ins Schlafzimmer.
Was ich dort sah, gefiel mir ganz und gar nicht. Der Verschlussmechanismus hielt dem Druck nicht stand und so blickte ich nun auf einen Koffer, der einer geöffneten Muschel glich, aus der der Inhalt hinaus quoll.
Hektisch rannte ich zweimal um das Korpus Delicti, um mich mit der Situation vertraut zu machen. Dabei sah ich an den beiden Außenseiten noch zwei Schieberegler, die mir vorher nicht aufgefallen waren. Diese waren wohl als weitere Fixierung und Entlastung für das Hauptschloss gedacht.
Nachdem es mir, unter Zuhilfenahme eines Schraubenziehers, gelang, das verbogene Innenleben des Schlosses wieder fachmännisch zu reparieren, schloss ich den Koffer erneut. Auf ihm sitzend verlagerte ich mein Gewicht erst nach links, um den dortigen Schieberegler zu schließen und wiederholte das Gleiche noch einmal zur rechten Seite. Anschließend rutschte ich auf dem Koffer nach vorne, drückte das Hauptschloss in das Gegenstück und stand auf.
Ich beobachtete den Koffer noch einen Moment argwöhnisch, um sicher zu gehen, dass er nun keine Gegenwehr mehr leisten würde und widmete mich wieder meinem wohl verdienten Bier. Ich blickte auf die Uhr. Es war kurz nach halb fünf und ich hatte noch Zeit bis achtzehn Uhr. Dann würde Carsten mich abholen.
Bereits vor zwei Jahren waren wir zusammen im Urlaub, damals teilten wir uns ein Doppelzimmer. Dieses Jahr waren wir jedoch beide der Ansicht, dass es besser wäre, getrennte Zimmer zu nehmen. So konnten wir jederzeit etwas zusammen unternehmen, dennoch war es möglich sich auch mal zurückzuziehen. Carsten tat dies im letzten Urlaub sehr gerne und sehr oft, allerdings nicht alleine, sondern mit diversen Urlaubsflirts. Woraufhin ich mich dann auch oft zurückzog, hauptsächlich an die Hotelbar oder den Strand.
Carsten liebte die Frauen und die Frauen liebten ihn. Während sich bei mir die Anschaffung einer Fünfer-Kondompackung als ein äußerst optimistisches Unterfangen, im Hinblick auf die zehntägige Mallorca-Reise darstellte, konnte Carsten diesbezüglich sicherlich einen Mengenrabatt in der Drogerie seines Vertrauens aushandeln. Wahrscheinlich besaß er sogar einen automatischen Aboservice bei einem Onlinehändler für die Verhüterli, die für ihn ein ganz alltäglicher Gebrauchsgegenstand waren.
Es war genau achtzehn Uhr vierzehn als Carsten mit seinem Audi in die Straße einbog. Ich stand bereits nervös vor der Haustüre und blickte immer wieder hektisch auf die Uhr.
„Hey Heiko!“, rief er mir bereits beim Vorbeifahren aus dem Auto entgegen, als er wendete.
„Hallo Carsten!“
Beim Aussteigen blieb sein Blick sofort auf meinen Koffer hängen, der mittlerweile zusätzlich noch mit einem regenbogenfarbigen Kofferband fixiert war, da ich den Verschlüssen alleine nicht so recht traute.
„Was ist das denn?“, fragte er ungläubig.
„Mein Koffer“, entgegnete ich ihm mit entwaffnender Ehrlichkeit.
„Sieht aus wie ein übergroßes Schminkköfferchen.“
Ich ignorierte diese Feststellung, die lediglich seine persönliche Meinung darstellte und hievte das Monstrum in den Kofferraum seines Wagens. Mit einem Geräusch, das auch von einem auf die Erde prallenden Meteoriten hätte stammen können, sank der Koffer in die Tiefen des Gepäckraums. Der Audi machte dabei Geräusche, die darauf hindeuteten, dass die Stoßdämpfer auch schon mal bessere Zeiten erlebt hatten. Carsten, der dieses Schauspiel mit sorgenvoller Mine verfolgte, ging zum Kofferraum, hob den Koffer leicht an, beziehungsweise versuchte es.
„Was hast du denn da alles dabei?“
„Das Allernötigste“, erwiderte ich und dachte noch einmal wehmütig an all die Sachen, die ich zu Hause lassen musste.
Auf dem Flughafen hoben wir den Koffer dann zu zweit aus dem Auto und ich empfahl Carsten, beim nächsten Autokauf auch die Höhe der Ladekante mit in die Kaufentscheidung einfließen zu lassen.
„Was wiegt denn dieses Ungeheuer?“
„Keine Ahnung.“
„Dir ist schon klar, dass du nur zwanzig Kilo frei hast? Für die restlichen Kilos musst du extra löhnen.“