Читать книгу Einmal Malle und zurück - Uwe Beckmann - Страница 9
Flirten in der Praxis
ОглавлениеAuf dem Zimmer stellte sich mir dann die Frage, wie ich den Abend verbringen sollte. Von Carsten kam kein Lebenszeichen. Ich ging auch nicht davon aus, dass er sich an diesem Abend noch melden würde, schließlich hatte er ja bereits, im Gegensatz zu mir, weiblichen Anhang gefunden.
Ich erinnerte mich wieder an die Unterhaltung vom Frühstückstisch und beschloss nun, mein Schicksal in die Hand zu nehmen. So stand ich also vor dem Spiegel und blickte mir dabei tief in die Augen. Das, was Carsten scheinbar spielend beherrschte, sollte doch auch für mich erlernbar sein. Natürlich musste ich mir eingestehen, dass Carsten der attraktivere von uns beiden war. Ihm flogen die Frauen scheinbar nur so zu, aber ich traute mir durchaus zu, mit der Macht meines Blickes, Frauenherzen zum Schmelzen zu bringen. Ihm gelang es schließlich auch Frauen abzuschleppen, die in einer anderen Liga spielten wie er. Als ich mich so im Spiegel beäugte, fiel mir ein Urteil über die Wirkung meines Auftretens schwer, hatte aber schon den Eindruck auf dem richtigen Weg zu sein.
Es war Zeit für einen Praxistest. Ich beschloss in die Disco zu gehen, denn wenn irgendwo willige Frauen darauf warteten, von mir mit verführerischen Blicken bombardiert zu werden, dann dort.
Nachdem ich mir an der Rezeption Tipps holte, welche Disco denn nun für mein Vorhaben am besten geeignet war, bekam ich den Hinweis, dass wohl das Oberbayern eine interessante Location wäre. Glücklicherweise erwähnte der Rezeptionist, der sicher aus Altersgründen schon länger in keiner Disco gewesen war, dass Jürgen Drews dort wohl an diesem Abend auftreten sollte. Ich spürte ein schmerzhaftes Zucken in meinem linken Arm und fragte nach einer Alternative. Nachdem er mir noch weitere Vorschläge machte, entschloss ich mich für den MegaPark in El Arenal. In diesem großen Areal gab es die Möglichkeit zwischen verschiedenen Discotheken zu wählen. Abschließend gab er mir noch den Tipp, dass ich dort am besten mit einer roten Bimmelbahn hinkommen würde, die im zwanzigminütigen Takt entlang des Ballermanns verkehrte.
So fuhr ich also mit einer quietschroten Bimmelbahn, die üblicherweise in Märchenparks kleine Kinder von einer Attraktion zur anderen fuhr, in die Disco an den Ballermann.
Inwiefern diese Art der Anreise in irgendeiner Weise Einfluss auf meine Chancen bei den Frauen hatte, konnte ich nicht einschätzen. Zum Glück hielt der feuerrote Balearenexpress nicht direkt vor der Disco, deshalb brauchte ich mir darüber keine weiteren Gedanken machen.
Den restlichen Weg in die Disco legte ich zu Fuß zurück. Am Ziel angekommen, wähnte ich mich vor einer gotischen Kathedrale, die irgendwann früher mal von bayerischen Handwerksleuten unter reichlich Alkoholeinfluss gebaut worden sein musste. Anders konnte ich mir die Lüftlmalerei, mit diversen bajuwarischen Motiven an den Fenstern nicht erklären. Nichtsdestotrotz betrat ich den Vergnügungstempel, der gut besucht war und machte mich mit der Örtlichkeit vertraut. Schließlich landete ich im Club Prince, der ein Teil des Parks war, nachdem ich kurz in der MegArena war. Dort schallte mir aber Roland Kaisers Gassenhauer Sieben Fässer Wein entgegen. Da fand ich die Discomusik im Prince schon besser. Gekonnt ließ ich meinen, von Carsten geschulten Blick umherschweifen, in der Hoffnung, dass dieser von einer der hübschen Frauen, die hier zweifelsohne anwesend waren, erwidert wurde. Das klappte noch nicht so ganz, so ging ich erst mal Richtung Bar, um mir etwas mehr Mut anzutrinken.
Ich bestellte einen Wodka Red Bull und blickte gelangweilt in die Runde, bis ich auf der Tanzfläche eine bildhübsche Frau erblickte. Ich musste zweimal hinschauen. Da stand doch tatsächlich Eva Longoria, der Traum meiner schlaflosen Nächte. Ich starrte sie an und dann passierte das Unvorstellbare. Sie lächelte mich an. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken, ich drehte mich um, da ich davon ausging, dass sie jemand anderen meinte. Es gab jedoch keinen Zweifel, ihr Lächeln galt eindeutig mir. Beschwingt warf ich ihr einen schmachtvollen Blick zu, den selbst Enrique Iglesias nicht besser hinbekommen hätte und dieser verfehlte seine Wirkung nicht. Sie rollte mit ihrer Zunge über ihre Lippen und zog ihre Augenbrauen hoch. Ein heftiger Flirt entfachte zwischen ihr und mir, während aus den Boxen laute Discomusik dröhnte, zu der sie ihren perfekten Körper bewegte.
Mein Selbstbewusstsein schoss unterdessen durch die Decke und ich erhob mich von dem Barhocker. Ich tanzte zu dem Rhythmus von Alive von Empire of the Sun, behielt sie dabei jedoch im Auge. Auch ihr Blick war auf mich gerichtet. Kein Wunder, denn ich tanzte mittlerweile entfesselt wie ein junger Gott zu der lauten Mucke.
Du willst mich, Baby, dann sollst du mich bekommen, signalisierte ich ihr mit meinen Blicken und schob dabei mein Becken nach vorne. Ich überlegte noch kurz, ob ich in guter alter Michael Jackson-Manier einen Griff in den Schritt zelebrieren sollte, entschloss mich dann aber dagegen. Die Gute war eh schon heiß auf mich, da wäre eine solche Maßnahme zu diesem Zeitpunkt deplaziert gewesen. Vielleicht gäbe es ja später noch eine Möglichkeit, sie mit einer solchen Einlage zu verzücken.
Der Crashkurs von Carsten erwies sich offenbar als lohnend, denn Eva konnte ihren Blick nicht mehr von mir lassen. So war nun der Zeitpunkt gekommen, die Sache klar zu machen und die Lorbeeren einzufahren.
Mein Ziel vor Augen, setzte ich mich mit stolz geschwelter Brust und einem in ähnlichem Zustand befindlichen Körperteil unterhalb der Gürtellinie in Bewegung. Getreu dem Motto von Carsten, Brust raus, Bauch rein, bahnte ich mir den Weg durch die tanzende Meute, die alle zu Statisten dieser Lovestory wurden und schwebte die letzten Meter in ihre Richtung. Red Bull verleiht Flügel.
Als ich direkt vor ihr stand, setzte ich mein charmantestes Lächeln auf und begrüßte sie mit „Hallo Baby!“ Sie öffnete ihren Mund und sagte: „Hola Guapo!“
Ich zuckte zusammen, da dies definitiv nicht die Stimme von Eva Longoria war. Das, was mir hier klanglich entgegen dröhnte, erinnerte mich eher an Till Lindemann, dem Leadsänger der Gruppe Rammstein. Zeitgleich fiel mein Blick auf ihren Adamsapfel und mir drängten sich zwei Fragen auf: Warum hat sie so eine tiefe Stimme und wieso hat Eva einen Adamsapfel? Ich kam mir vor wie Rotkäppchen, das statt der Großmutter den Wolf im Bett vorfand. Während sie die Augen schloss, formte sie ihre Lippen wollüstig zu einem Kussmund.
Dabei schob sie ihren Oberkörper langsam zu mir, während ich panisch zurückzuckte. Mittlerweile wurde mir so einiges klar und folglich ereilten mich drei Erkenntnisse. Die erste war: Das ist nicht Eva Longoria. Erkenntnis Nummer zwei: Das ist auch keine Frau. Die dritte und wahrscheinlich wichtigste: Nix wie weg hier!
Ich bereitete alles für einen geordneten Rückzug vor. Dabei stolperte ich im Rückwärtsgang noch über einige tanzende Beine und kam dabei ins Schlingern. Allerdings konnte ich mich gerade noch abfangen. Dies alles wurde begleitet von dem höhnischen Lachen der Transe, die ich fälschlicherweise für Eva Longoria hielt. Zu den Klängen von It´s Raining Men, dem Hit der Weather Girls, kämpfte ich mich durch den Rest der Disco in Richtung Bar. Dabei landete ich direkt in den Armen einer vollbusigen blonden Frau, die etwas größer als ich war und mir auch gewichtstechnisch überlegen war.
„Na Süßa, allet klar“, berlinerte sie mich an.
Ohne ihr Beachtung zu schenken, schnappte ich mir mein Glas und leerte es in einem Satz.