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Mein Tisch, dein Tisch / zweiter Akt

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Kurz nach achtzehn Uhr betrat ich den Speisesaal. Carsten war noch nicht da, so setzte ich mich an denselben Tisch, an dem ich tags zuvor saß.

Mit leichter Verwunderung nahm ich zur Kenntnis, dass an Tisch Nummer achtundzwanzig nicht das fränkische Ehepaar saß, welches mich einen Tag vorher noch in die Flucht schlug, sondern ein Mann. Offenbar waren sie bereits abgereist. Ich dachte nicht weiter darüber nach und holte mir eine Suppe. Wieder am Tisch angekommen, sah ich nun das Frankenpaar im Eiltempo zur Tür hereinstürmen. Nahezu panisch nahm die außer Atem befindliche Frau zur Kenntnis, dass der Tisch, der ja eigentlich ihrer gewesen war, nun von einem anderen Mann besetzt war. Genüsslich betrachtete ich das weitere Geschehen von meinem Tisch aus, denn wie zu vermuten war, gab sich die resolut wirkende Lady natürlich nicht damit ab, ihren Tisch kampflos aufzugeben. Dort angekommen leierte sie ihren Standartsatz ab. „Des is fei unsa Disch.“

Der Mann blickte kurz von seinem reich bestückten Teller auf und nuschelte etwas Unverständliches. Danach widmete er sich wieder der Nahrungsaufnahme und schob sich eine Kartoffel in den Mund, die er schmatzend verspeiste. Die Frankentrulla kreiste einmal wie ein Adler um den Tisch, dabei verfolgte sie offenbar das Ziel, den Besatzer einzuschüchtern. Ihr Mann tippelte dabei hinter ihr her. Das Ganze hatte etwas von einer Polonäse im Anfangsstadium, hinterließ bei dem Mann an dem Tisch aber keinerlei nachhaltigen Eindruck. Beleidigt verließ die sichtlich aufgebrachte Frau das fränkische Hoheitsgebiet um Tisch Nummer achtundzwanzig und stellte sich samt Anhängsel in die Essensschlange, vermutlich in der Hoffnung, dass der unerwünschte Eindringling zwischenzeitlich den Tisch verlassen würde. Dieser stand auch in der Tat auf, bewegte sich allerdings in Richtung Büffet. Dort schnappte er sich drei Hähnchenkeulen von demselben, hielt es dabei allerdings nicht für nötig, sich in die Schlange einzureihen, in der das fränkische Pärchen artig wartete. Dies wiederum brachte ihm die ungeteilte Aufmerksam eben dieser Personen ein. Das Gesicht der fränkischen Frau verdunkelte sich, zumal das silberfarbene Tablett, auf dem gerade noch die Hähnchenkeulen lagen, nun leer war.

Weit und breit war auch kein hilfsbereiter Angestellter des Restaurants in Sicht, der dagegen Abhilfe schaffen konnte, indem er für Nachschub aus der Küche sorgte. Zufrieden begab sich der groß gewachsene Mann, der von der Statur und seinen markanten Gesichtszügen ein bisschen Ähnlichkeit mit Vladimir Klitschko besaß, an seinen Tisch zurück. Gefolgt von den eiskalten Blicken der Frau, die einen Tag vorher noch ein Erfolgserlebnis verbuchen konnte, indem sie mich in die Flucht schlug.

Umso erquickender entwickelte sich die Szenerie nun für mich, da ich einen Platz ganz nah am Geschehen hatte. Das was sich hier abspielte war besser als jede Realityshow auf RTL 2, darüber hinaus auch noch live und in 3D.

Dem entschlossenen Gesichtsausdruck, der noch immer am Büffet stehenden Frau, war anzusehen, dass das hier noch lange nicht zu Ende war. Mit dieser Einschätzung lag ich auch goldrichtig. Denn das launige Zweiergespann steuerte samt beladener Teller, in erster Linie bestückt mit Beilagen, da die Hähnchenkeulen noch immer auf sich warten ließen, in Richtung Tisch achtundzwanzig, um einen erneuten Versuch zu starten, den unerwünschten Eindringling in die Flucht zu schlagen. Sie wirkte dabei wesentlich entschlossener als er. Seine Körperhaltung signalisierte eher die Bereitschaft, vielleicht doch an einem anderen Tisch Platz zu nehmen, ganz im Gegensatz zu seiner Frau. Diese bewegte sich im Stechschritt in Richtung des Mannes, der gerade genüsslich von seinen Hähnchenkeulen abbiss. Dort angekommen, sah sie den Mann mit einem giftigen Blick an und legte los. „Ich waaas ja ned was des da soll, aba des is unsa Disch und eichentlich auch unsere Hähnchengeulen!“

Der Mann blickte auf und sagte erneut etwas, was ich leider wieder nicht verstehen konnte. Ich vermutete jedoch nun, dass es sich um einen Russen handeln musste, der einfach nicht verstand, was man von ihm wollte. Selbst wenn er des Deutschen mächtig gewesen wäre, hätte ihm das wohl hier nicht weitergeholfen, denn die sehr dialektlastige Auslegung der deutschen Sprache, die hier Anwendung fand, wurde sicherlich in keinem Deutschkurs auf der ganzen Welt gelehrt.

Die Situation spitzte sich zu und meine Suppe wurde kalt, da ich wie gebannt auf die Geschehnisse blickte, die wohl noch nicht ihren spannenden Höhepunkt erreicht hatten. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Welt am Rande des dritten Weltkrieges stand. Ich hätte unter Umständen die Möglichkeit gehabt, zwischen den beiden zu vermitteln. Dachte auch ernsthaft darüber nach, dies zu tun. Allerdings kam ich zu dem Entschluss, dass ich als ein in Deutschland lebender Österreicher hier unter Umständen ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem gehabt hätte. So nahm ich einen weiteren Löffel von meiner Suppe, die mittlerweile eher eine Art Gazpacho war.

Die gleichgültige Ignoranz des Russen sorgte schlussendlich dafür, dass die schlecht gelaunte Fränkin samt Erdmännchenanhang sich ins Exil an Tisch Nummer einunddreißig zurückzog. Unterdessen schlenderte auch Carsten gut gelaunt in den Speisesaal und steuerte direkt auf mich zu.

„Das hättest du gerade sehen sollen!“, sagte ich.

„Was denn?“

Ich erklärte ihn in kurzen Worten das Geschehene und er lachte.

„Ja, hier sind schon ein paar Korinthenkacker unterwegs. Die gehören sicher auch zu denen, die schon ganz zeitig in der Früh ihr Handtuch auf eine der Liegen legen, damit sie dann irgendwann nach dem Frühstück ein sonniges Plätzchen direkt am Pool haben. Sowas habe ich gefressen.“

Carsten blickte zornig zu den beiden rüber und ich konnte sehen, wie der Ehemann diesen Blick wahrnahm. Die arme Kreatur wirkte nun noch verängstigter und rutschte etwas näher an seine Frau, die gerade stinksauer mit ihrer Gabel auf ihrem Teller rumstocherte. So wie es aussah, war der Abend für dieses illustere Pärchen wohl gelaufen.

Einmal Malle und zurück

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