Читать книгу Einmal Malle und zurück - Uwe Beckmann - Страница 6

Flirtkunde

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Wir gingen zur Rezeption, um uns nach dem Frühstückraum zu erkundigen.

Vor uns stand ein kleinerer, aber kräftig gebauter Mann, mit leicht speckigen Haaren, der ein Feinrippunterhemd trug. Dazu passend, weiße Socken, deren Bund die Farben schwarz, rot, gold zierten.

Die Tatsache, dass er Socken trug, hielt ihn jedoch nicht davon ab, seine Füße in schwarze Leder-Flip-Flops zu quetschen. Er presste ein „Essen“ über seine Lippen. Ich rätselte, ob er der Rezeptionistin kurz und knapp vermitteln wollte, dass er die Perle des Ruhrgebiets seine Heimat nannte, oder sein Magen auf halb Acht hing und er erst wieder nach der Plünderung des Frühstücksbüffets über einen umfangreicheren Sprachschatz verfügen würde.

Die Dame an der Rezeption zeigte dem wortkargen und obendrein griesgrämig dreinblickenden Männchen den Weg zum Frühstücksraum und wir folgten ihm unauffällig. Dort angekommen kläffte er einer Bedienung „Kaffee“ entgegen und setzte sich an einen Tisch.

Voller Vorfreude auf ein abwechslungsreiches Frühstück begab ich mich an das Büffet, um mir einen Überblick zu verschaffen. Dies gelang recht rasch, da man hier wohl nach der Devise Weniger ist mehr verfuhr und diese auch sehr konsequent umsetzte. Carsten brachte es auf den Punkt indem er feststellte: „Das kann doch nicht alles sein.“

Dann hob er doch tatsächlich die Tischdecke des Büffettisches an, um zu schauen, ob sich vielleicht noch ein paar Köstlichkeiten darunter befanden. Außer einer dicken Staubschicht und zwei leblosen Kakerlaken war hier jedoch nichts zu sehen. Die Vermutung lag nahe, dass die Tiere einen grausamen Hungertod starben. Somit begnügten wir uns mit den vorhandenen Sachen und vertrösteten uns damit, dass wir so zumindest nicht zunehmen würden. Die Gefahr einer Herzkreislauferkrankung durch übermäßigen Kaffeegenuss war auch nicht gegeben, denn dieser schmeckte nach eingeschlafenen Füßen. Dies störte den in Schiesser-Oberbekleidung gehüllten Tischnachbarn jedoch wenig. Er orderte noch einmal nach und schien sich einzig und alleine von der braunen Brühe zu ernähren, die man hier Kaffee nannte, andernorts aber wahrscheinlich als Altöl deklariert worden wäre.

Carsten nutzte die Möglichkeit des gemeinsamen Frühstücks, um mir wie bereits angekündigt, einen Crashkurs in Sachen Flirten zu geben.

„Das da gestern mit der Reiseleiterin war ja wohl ein derber Reinfall“, stellte er fest.

Ich nickte. „Die war halt schlecht drauf."

„Ja, weil du sie gelangweilt hast, außerdem kommt es auf die Körpersprache an. Du bist vor ihr gestanden, wie jemand der hauptberuflich in der Geisterbahn kleine Kinder erschreckt.“ „Ich habe meinen linken Arm nicht gespürt, da ist es ja auch kein Wunder, dass ich wie Quasimodo vor ihr stand.“

Carsten ging auf die Erklärung erst gar nicht ein: „Du musst da ganz anders auftreten. Brust raus, Bauch rein und mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck. Bei mir klappt das fast immer.“

Dies entsprach sogar der Wahrheit, denn er flirtete bei fast jeder Gelegenheit, die sich ihm bot und nicht selten wurde aus den Flirts dann auch mehr.

„Selbstbewusstsein ist wichtig. Du musst überzeugend auftreten und gar nicht darüber nachdenken, was ist wenn sie dich abblitzen lässt. Diese Option darfst du ihr gar nicht erst lassen! Rede nicht zuviel, zumindest am Anfang, schau ihr tief in die Augen. Du musst mit ihren Augen spielen! Fixiere sie! Gib ihr das Gefühl, dass das Einzige was dich gerade interessiert, sie ist. Alles andere ist in diesem entscheidenden Moment der Anmache erst einmal unwichtig. Es kommt auf den ersten Eindruck an. Es gibt keine zweite Chance. Klar gibt es zwar ein paar Frauen, die auf deine gestrige Anmache eingestiegen wären, das wäre jedoch pures Mitleid gewesen. Die Frauen sollen dich aber begehren und nicht bemitleiden.“

Er untermauerte seine Theorie mit den Blicken dadurch, indem er mich ansah und mit seinen Augen spielte. In der Tat besaß sein Blick etwas Anziehendes, allerdings verfügte er auch schon über jahrelange Routine. Zudem konnte er mit Erfolgserlebnissen aufwarten, die sich sehen lassen konnten. So war es also nicht verwunderlich, dass er auch über das nötige Selbstbewusstsein verfügte, um das Ganze glaubhaft rüber zu bringen.

Ich bemerkte wie unser kaffeetrinkender Tischnachbar uns einen abfälligen Blick zuwarf. Offenbar deutete er die Gestik meines Kumpels als ein Anwerben um mich.

„Okay, ich werde deine Tipps beherzigen.“

Ich nahm mir zumindest vor, erst mal vor dem Spiegel zu üben, schließlich machte Übung ja den Meister. Carsten war in der Beziehung ein Meister und er war bereit mich dabei zu unterstützen, es ihm gleichzutun. Diese einmalige Möglichkeit wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

„Hier auf Malle hast du die Chance was zu reißen, glaub mir! Das ist hier das Paradies auf Erden, die Mädels sind locker drauf. Die sind erholt, da hast du ganz leichtes Spiel.“

Carsten glühte vor Begeisterung, als er mir von den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten vorschwärmte, die hier auf der Insel auf mich lauerten. Aus dem Crashkurs in Sachen Anbandlung wurde nun eine Art Motivationstraining. Es fehlte nur noch, dass er ein Tschaka, du schaffst es! durch den Speisesaal gebrüllt hätte.

Ich beschloss das Thema zu wechseln, da ich befürchten musste, dass als Nächstes ein paar Übungen am lebenden Objekt anstanden.

„Was wollen wir denn heute machen?“, fragte ich Carsten.

„Lass uns doch an den Strand gehen. Am Pool ist ja eh kein Platz mehr.“

Ich hielt dies für eine gute Idee und willigte ein. Wir stärkten uns noch mit ein paar trockenen Semmeln, die wir mit einer Art Salami belegten, deren Farbe völlig unnatürlich wirkte. Scheinbar handelte es sich um eine Wurst, die in einem Versuchslabor hergestellt wurde und noch nie eine Metzgerei von innen sah. Auch geschmacklich erinnerte diese grellrote Pseudowurst eher an ein Produkt, das aus diversen Altplastikteilen recycelt wurde und nun als Salami wieder in den Umlauf kam. Unter Umständen bezogen die Hersteller dieser Salami die Farbzusatzstoffe aus derselben Quelle, wie der eher untalentierte Maler, der für den Wandbehang in meinem Zimmer zuständig war. Ich erkannte hier zumindest Parallelen in Bezug auf die Farbintensität.

Nachdem ich mich wieder die engen Stufen in den vierten Stock hoch gequält und mich an einem Putzwagen im Gang vorbei geschlängelt hatte, hielt ich erst mal meine morgendliche Sitzung auf der spanischen Toilette ab.

Dabei ließ ich noch einmal Revue passieren, was mir Carsten gerade alles in Windeseile vermittelte. Mir war klar, dass der Schlüssel zum Erfolg sicher im Selbstbewusstsein lag. Wie sollte eine Frau an mich glauben, wenn ich selber nicht an mich glaubte. Voller Tatendrang und hochmotiviert erhob ich mich von der Kloschüssel und begab mich zum Schrank, um meine Badeklamotten zu holen.

Ich schlüpfte aus meiner Kleidung, um mir die Badehose anzuziehen. Während ich sie suchte, hörte ich ein Geräusch an der Tür und tastete hektisch nach der Badehose, die ich schlussendlich auch unter dem Badehandtuch fand. Ich hörte das Klacken eines Schlüssels, der in einem Schloss bewegt wurde. Eiligst stieg ich mit meinem rechten Bein in die Öffnung der Badehose, um diese anzuziehen. Unterdessen öffnete sich die Zimmertür und ich blickte erschrocken in die Augen einer dunkelhäutigen Putzfrau, die eine ziemlich robuste Figur besaß. Da ich gerade dabei war in die zweite Öffnung der Badehose zu schlüpfen, aber nun durch den unerwarteten Gast abgelenkt war, hüpfte ich nach Gleichgewicht suchend auf der Stelle. Ich schaffte es jedoch nicht, mein linkes Bein in die Öffnung zu buxieren.

Die resolut blickende Putzfrau machte auch keine Anstalten das Zimmer zu verlassen, damit ich mich würdevoll aus dieser peinlichen Situation befreien konnte. Im Gegenteil, sie sah mich an und konnte sehr wohl erkennen, wie mein kleiner Freund durch die Hüpfbewegungen hoch und runter schwang. Im Zipfelklatscher-Boogie hüpfte ich Richtung Bett, und drehte mich springend um einhundertachtzig Grad, um mich dort auf der Kante niederzulassen. Dabei kippte ich jedoch nach hinten weg und versank in den Tiefen des Bettes. Es kostete mich einiges an Mühe, mich wieder aus diesem heraus zu stemmen. Anschließend gelang es mir, die Badehose anzuziehen. Rasch zog ich mich weiter an und packte die restlichen Badesachen, um fast fluchtartig das Zimmer zu verlassen. Vorbei an der Putzfrau, die mich anschaute als ob ich gerade einem Raumschiff entstiegen wäre. Sie schien etwas enttäuscht zu sein, dass meine Galavorstellung bereits zu Ende war. Das Selbstbewusstsein das ich gerade während meiner Sitzung auf der Kloschüssel hatte, war nun natürlich wie weggeblasen. Auch mein Tatendrang, nun eine Frau am Strand anzusprechen, war vorerst gebremst.

Einmal Malle und zurück

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