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Der Gegenspieler und der Zweifel

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Eine der besonderen »Methoden«, mit denen der Gegenspieler sein Entwertungsprogramm durchführt, ist der Zweifel. Er ist so alt wie der Gegenspieler selbst. Denken Sie nur an die berühmte Frage der Schlange im 1. Buch Mose: »Sollte Gott wirklich gesagt haben, dass Ihr nicht von dem ›Baum der Erkenntnis‹ essen dürft?« Diese und ähnliche Fragen lösen Unsicherheit aus, Zweifel an dem, was »an und für sich« klar ist. Wer zweifelt, denkt und fühlt nicht eindeutig.

Der Zweifel sät Misstrauen, also das Gegenteil von Vertrauen, das wir dringend zu einem gelingenden Leben brauchen. Je stärker der Zweifel wird, desto mehr schält sich ein misstrauischer Mensch heraus, misstrauisch sich selbst und allem Leben gegenüber. Ein solcher Mensch hofft wenig, glaubt wenig, sucht wenig, wagt wenig – er wartet vor allem darauf, dass das eintrifft, was er befürchtet. So zwingt er das Negative herbei, denn jede Idee hat die Tendenz, sich zu verwirklichen. Das aber bestätigt ihn wieder in seiner düsteren Auffassung vom Leben. Besonders anschaulich zeigt sich der Zweifel an Menschen, die dazu neigen, vieles im Leben vollkommen machen zu wollen.

Ich sehe den Mann vor mir, von dem ich jetzt beispielhaft erzählen möchte. Ich sehe sein verspanntes Gesicht, hinter dem er sein tiefes Schamgefühl zu verbergen versucht. Ich sehe seine verspannten Bewegungsabläufe. Es scheint mir, als sei er mit seinem Unglück fast eins.

Ich begegnete ihm vor vielen Jahren. Er war intelligent, hilfsbereit, offen für alle Fragen des Lebens, hatte einen spannenden Beruf. Ein sympathischer Mensch! Doch er war weit davon entfernt, sich selbst so zu erkennen. Da ich anderen gern sage, was ich an ihm oder ihr sympathisch finde, sagte ich auch ihm eine Freundlichkeit. Doch er ließ mich nicht einmal zu Ende sprechen, meinte nur: »Ach, Uwe …«

Irgendwann bemerkte ich, dass er alles, dass er Gott und die Welt anzweifelte. Nur ein Beispiel unter vielen: Wir waren gemeinsam bei einer Abendgesellschaft. Da sah ich ihn zufällig im Schlafzimmer der Gastgeber hantieren. Auf meine Frage, was er denn da mache, antwortete er – und ich spürte deutlich, wie er litt: »Das Bild, das über den Betten hängt, könnte auf die beiden Schlafenden fallen. Ich versuche gerade, es besser zu befestigen. Vielleicht ist der Nagel ja stark genug, vielleicht aber auch nicht.«

Es bedurfte keiner besonderen Kenntnis, um zu bemerken, dass der Mann an einer Zwangsstörung litt. Diese Störung veranschaulicht in extremer Form, was es bedeutet, wenn sich der Zweifel sowohl des Verstandes als auch der Emotionalität bemächtigt.

Ich sehe den Mann jetzt wieder vor mir: gequält, gepeinigt, vereinsamt, getrennt von der Welt, in den Fängen des Gegenspielers. Nein, es handelt sich hier nicht um ein einmaliges Schicksal, sondern um ein vielfältiges. Nur weil das Schamgefühl dieser Menschen so stark und ihre Kunst, sich zu verbergen, so ausgeprägt ist, werden sie in der Regel nicht in ihrer Not wahrgenommen.

Wird der Zweifel zur Grundhaltung eines Menschen, muss daraus keine Zwangsstörung entstehen, wohl aber kann sich daraus die Grundlage für Ängste, Depressionen, Frustrationen entwickeln und all das, was die Seele nur schwer verkraften kann und will. Und selbstverständlich gibt es auch den produktiven, spezifisch menschlichen Zweifel, der zum Nachdenken veranlasst, der Gedanken und Gefühle vertieft, der Klarheit und Verständnis bewirkt, der den Weg zur Reife ebnet. Diesem Zweifel gegenüber ist der Gegenspieler machtlos.

Der innere Gegenspieler

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