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Verdeckte Beispiele des Gegenspielers

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Die folgenden einfachen Beispiele aus dem täglichen Leben sind keine Erfindung. Nicht wenige dieser Sätze sind oder könnten in meiner Ordination gesagt worden sein. Ob Ihnen das eine oder andere Beispiel bekannt vorkommt?

•Eine Frau sagt: »Ich habe doch alles, wonach sich so viele Frauen sehnen: einen lieben Mann, nette Kinder, Gesundheit, genügend Geld. Aber ich bin trotzdem nicht glücklich. Immer wieder mache ich mir klar, was ich alles habe. Aber dann werde ich von dunklen Gedanken überschwemmt, gegen die ich machtlos bin – oder zu sein scheine.«

•Ein Mann sagt: »Ich gebe es ungern zu: Ich habe Angst. Ich weiß nicht wovor. Das war schon immer so. Dabei kenne ich gar keinen Grund, weswegen ich Angst haben sollte. Doch dann schleichen sie heran, die Gedanken, die ich nicht mehr einfangen kann. Nur mühsam gelingt es mir – viel zu selten –, anders, ›positiv‹ zu denken.«

•Jemand sagt: »Auf meinem Nachttisch liegt ein Buch, das ich mir vor zwei Jahren bewusst gekauft habe. Aber ich greife an jedem Abend immer nach einer Boulevard-Zeitung, die ich hasse.«

•Ein anderer berichtet: »Ich stehe vor meinem Chef und möchte mich über etwas beschweren, was mich schon lange bedrückt. Aber dann nicke ich nur zu einer belanglosen Geschichte, die er mir anvertraut.«

•Ein Mann ahnt, dass ihm sein Stress bald einen Herzinfarkt bescheren könnte. Er hat Angst vor dieser Möglichkeit. Aber: Weder ändert er die Struktur seiner Tage noch seine Einstellung zur Arbeit. »In einer Nacht«, erzählt er leicht beschämt, »hatte ich einen wunderschönen Traum. Ich stand an einem Bach. Die Morgensonne spielte mit den winzigen Strudeln des fließenden Wassers. Die Luft war klar, die Stille wohltuend. Ich tat nichts. Ich war nur da. Ich nahm nur auf: die wohltuende Stille, die klare Luft, die Morgensonne, die Schönheit der Bilder. Tiefes Glück zog durch alle meine Poren. Mit einem Lächeln wachte ich auf. Nur eine Stunde später bediente ich zwei Telefone zugleich, griff nach meinem Medikament und murmelte, als sich mir der Traum noch einmal zeigen wollte: ›So eine Albernheit.‹«

•Eine Frau weiß, dass sie mit dem Rauchen aufhören müsste. Sie sagt sogar: »Ich ekle mich inzwischen vor dem Rauch.« Aber dann steckt sie sich die nächste Zigarette an …

•Ein 40-Jähriger: »Ich wusste, dass der Satz, den ich auf der Zunge hatte, die endgültige Trennung von meiner Partnerin zur Folge haben würde (was ich überhaupt nicht wollte). Aber dann sagte ich ihn doch.«

•Eine Frau und ein Mann ahnen, dass ihre Ehe gefährdet ist. Beide wissen sogar, dass sie sich noch immer lieben. Aber: Statt zu klären, was sie in diese Situation gebracht hat, machen sie sich weitere Vorwürfe.

•Er sagt zu ihr: »Ich liebe dich.« Doch sie blickt verschämt zur Seite und hängt nur dem Gedanken nach: »Wie oft hat er diesen Satz wohl schon anderen Frauen gesagt?«

•Eine Frau ahnt, wie wichtig es wäre, die jahrelange Feindschaft gegen ihre Familie aufzugeben und versöhnliche Zeichen zu setzen. Aber: Wieder greift sie zum Hörer und entlädt ihre Aggressionen.

•Die kleine Tochter sagt zu ihrem Papa: »Komm doch bitte mit auf die Demo für die Umwelt.« Er schaut sie liebevoll an und sagt: »Weißt du, mein Schatz: Frag die Mami. Die hat wirklich mehr Zeit als ich.«

Nur drei Beispiele von vielen möglichen, die weit über das Alltägliche hinausgehen. Sie ließen sich beliebig erweitern:

•Während ich diese Sätze schreibe, lese ich, dass vor zwei Tagen ein 27-jähriger Mann in Südtirol mit seinem Sportwagen in eine Gruppe junger Skiläufer gerast ist. Er war betrunken. Sieben junge Menschen zwischen 22 und 25 Jahren starben. Andere schweben derzeit noch in Lebensgefahr. Was gäbe dieser Mann darum, wenn er nicht der inneren Stimme seines Gegenspielers gefolgt wäre, die ihn dazu verführte, sich betrunken ans Steuer zu setzen?

•Akte des Gegenspielers sind meines Erachtens auch die laschen Bemühungen von Politikern, dem immer deutlicher werdenden Klimawandel konstruktiv zu begegnen. Es musste erst ein Kind kommen, um die »Großen« auf ihre Pflichten aufmerksam zu machen. Was hat das mit dem Gegenspieler zu tun? Er »sorgt« dafür, dass die Vernunft das innere Brennen für unseren wunderbaren Planeten niederhält.

•Nicht verdeckt, sondern brutal offen zeigt sich der Gegenspieler in Kriegen, so zum Beispiel in Traumatisierungen von Soldaten, die aus Afghanistan zurückkehren und an »posttraumatischen Belastungsstörungen« leiden. Einen erschütternden Brief leitete eine Zeitung an mich weiter mit der Bitte, der 30-jährigen Frau S. behilflich zu sein. Der Brief spiegelt in einem Einzelfall wider, was Kriege im Allgemeinen und immer wieder im Besonderen anrichten. Frau S. schrieb:

»Unser Leben hat sich verändert, und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Vor drei Jahren haben wir geheiratet. Mein Mann ist 29 Jahre alt und Soldat bei der (deutschen) Bundeswehr. Ich weiß, dass sein Beruf sehr gefährlich sein kann. Vor einem Jahr kam er nach Hause und sagte, er wolle nach Afghanistan, um dort seine Pflicht zu tun und den Menschen zu helfen. Und er zitierte den früheren Verteidigungsminister, der gesagt hatte, dass unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde.

Ich versuchte, meinen Mann von seinem Vorhaben abzubringen. Wir waren doch voller Pläne, wollten ein Kind und eine Familie gründen. Aber vergeblich. Er könnte nicht anders, er hätte sich ja nun einmal für den Beruf des Soldaten entschieden. Er flog nach Afghanistan. Ich habe entsetzliche Angst um ihn gehabt. Und ich war so dankbar, als er nach sechs Monaten äußerlich unversehrt zurückkam.

Aber er hat sich verändert und ist mir fast fremd geworden. Er hat offensichtlich etwas erlebt, was das Maß des Erträglichen bei Weitem überstiegen hat. Er ist mir gegenüber abweisend. Einziger Außenkontakt ist sein Kamerad, der ebenfalls in Afghanistan war. Ich erreiche ihn nicht. Er spricht nicht darüber, was ihn bewegt. Nachts schreit er manchmal, wimmert, ruft den Namen eines Kameraden, der wohl Opfer eines Überfalls geworden war. Er wird immer wieder von den grausamen Erinnerungen an Afghanistan überflutet, sodass er sich wie betäubt, stumpf, ja gleichgültig fühlt. Daher vermeidet er auch alle ihm sonst vertrauten Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an die Traumatisierungen wachrufen könnten.

Er ist übererregt und schreckhaft und findet wenig Schlaf. Er versteht sich selbst nicht mehr, ist von sich selbst evakuiert. Und dass mit diesen Symptomen Angst, Depression und suizidale Gedanken verbunden sind, wird niemanden verwundern.

Für mich ist schwer zu ertragen, dass er einerseits seine seelischen Schmerzen zurückhält und andererseits sich offenbar danach sehnt, mit dem Leben wieder in Berührung zu kommen. Inzwischen wundere ich mich nicht mehr, dass er mit seinen Leidensgenossen zurzeit leichter sprechen kann als mit mir.«

Der innere Gegenspieler

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