Читать книгу Giftiges Blut - Uwe Trostmann - Страница 10

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Merkwürdige Zeichen

Es war nicht ihre Gewohnheit, aber an diesem Morgen war Roberta Foster sehr früh aufgestanden. Und sie hatte keinen Kater. Ganz bewusst hatte sie am Abend vorher auf ihren Gin verzichtet und es bei einem Glas Wein belassen. Sie wollte auf keinen Fall bei ihrer neuen Dienststelle als unpünktlich und verschlafen auffallen. Sie hatte ihre Prüfungen gut bestanden und die Zeit als Sergeant erfolgreich hinter sich gebracht. Die neue Stelle würde ihre erste Stelle als Inspector sein.

„Du siehst schick aus heute Morgen“, kam es aus dem Badezimmer. „Hoffentlich ist das Arbeitsklima in Birmingham besser.“ Paul stellte den Föhn zurück in den Badezimmerschrank.

„Ich hoffe auch, dass sich der Umzug nach Birmingham gelohnt hat. In Aberdeen hat jeder den anderen angemault.“ Roberta Foster sah sich im Spiegel an. Ihr dunkelrotes Kleid saß sehr gut und passte zu ihren dunkelbraunen Haaren. Sie hatte sie vor zwei Tagen auf halblang kürzen lassen und so musste sie sie heute nicht zusammenbinden – zu ihrem ersten Arbeitstag. Sie blickte im Spiegel nach unten und stellte fest, dass die Schuhe mit den halbhohen Absätzen ebenso passten.

„Und was für ein Glück, dass ich hier sofort eine Stelle in der Bank bekommen habe. Aber sei bitte etwas zurückhaltender“, meinte Paul noch.

„Wie meinst du das?“

„Du weißt schon. Dein Temperament geht dir manchmal durch. Und das vertragen nicht alle“, erklärte Paul und zog sich seinen dunkelblauen Anzug an.

„Du magst es aber wohl, wenn ich Temperament im Bett zeige.“

Foster trank langsam den heißen Kaffee. Der letzte Fall, an dem sie in Aberdeen mitgearbeitet hatte, wäre beinahe zu einer Katastrophe für sie geworden. Erst wenige Monate zuvor hatte sie die letzten Prüfungen als angehender Inspector auf der Polizeischule hinter sich gebracht. Sie wollte sich so bald wie möglich auf eine entsprechende Stelle bewerben. Sie wollte alles besonders gut machen. Dabei hatte alles ganz normal angefangen: Ein Überfall auf eine Tankstelle, ein Mitarbeiter war getötet worden, die Hinweise sprachen für einen Überfall durch eine Rockergruppe. Foster war bei den Untersuchungen dabei, es konnte keine ortsbekannte Gruppe gewesen sein. Der Täter, der den Mann erschossen hatte, wurde erst einmal nicht gefunden. Aber eine Freundin erzählte ihr, dass sie eine andere Gruppe gesehen haben wollte, die sonst noch nicht groß in Erscheinung getreten war. Doch sie kamen mit ihren Untersuchungen bei den ortsbekannten Leuten nicht weiter, weil Rocker sich gegenseitig nicht verpfeifen. Foster hatte sich daraufhin entschlossen, ohne mit ihrem Chef gesprochen zu haben, privat Kontakt zu den Hell Waves aufzunehmen. Sie hatte sich dazu Urlaub genommen, hing mit ihnen den einen oder anderen Abend in einer Bar herum und durfte auch mit ihnen auf Tour gehen. Sie hängte sich an Will, er schien ihr die geeignete Person zu sein. Auf einer der Touren wollte die Gruppe wieder eine Tankstelle überfallen. Dick hatte die Pistole gezogen, drohte, wollte mit Gewalt die Kasse erbeuten und war schon dabei, den Tankwart zu erschießen, als Foster sich als Sergeant zu erkennen gab und Dick festnehmen wollte. Sie warf ihn zu Boden, doch seine Kumpel halfen ihm. Es kam zu einem kurzen Handgemenge, in dem sie gefesselt und geschlagen wurde. In der Zwischenzeit hatte der Tankwart den Alarmknopf drücken können. Keine fünf Minuten später war die Polizei vor Ort. Sechs Rocker konnten erst einmal abhauen. Dick war überwältigt worden, bevor er seine Pistole auf Foster richten konnte. Sie hatte nicht nur eine Rüge, sondern auch einen Eintrag in ihre Personalakte erhalten. Ihre Beförderung war um sechs Monate verschoben worden.

Paul nahm seine Frau in die Arme und gab ihr einen dicken Kuss.

„Dann bis heute Abend“, verabschiedete sie sich, zog die Tür hinter sich zu, setzte sich in ihren Wagen und fuhr zum Lloyd House, Colmore Circus Queensway, ihrer neuen Arbeitsstelle.

„Guten Morgen zusammen. Mein Name ist Roberta Foster. Ich bin der neue Inspector.“ Sie stand in einem Großraumbüro und sah sich um. Was sie suchte, waren Einzelbüros, die sie zu ihrem Entsetzen nicht fand.

Ach du liebe Güte. Großraum mochte sie besonders. Wie in Aberdeen, stellte sie mit Erschrecken fest, und sie lief geradewegs auf einen Schreibtisch in der Nähe der Eingangstür zu. Elli Lightfoot lächelte zurück, begutachtete diese gut angezogene junge Frau. Overdressed, fand sie spontan. Bin gespannt, was der Chief Inspector dazu sagt.

Elli stellt sich ebenfalls vor: „Ich bin die Sekretärin. Willkommen bei uns. Ich mache Sie gleich mit den Kollegen bekannt.“ Elli machte mit ihr die Runde. Alle schauten interessiert, die Männer besonders.

„Der Chief Inspector Steve Brennan kommt manchmal etwas später. Ich stelle Sie ihm sofort vor, sobald er hier ist.“

Foster musste über diese Bemerkung lächeln. Noch jemand, der nicht so gerne pünktlich war. Brennan war ihr neuer Chef. Sie machten weiter ihre Runde, Elli führte sie zu den Constables und Kollegen von der Spurensuche und vom IT-Bereich und wies Foster einen Schreibtisch zu. Inspector Roberta Foster begann ihren ersten Arbeitstag.

Mit einem kurzen „Morgen!“ betrat der Chief Inspector das Großraumbüro. Wie gewöhnlich trug er einen grauen Anzug.

„Elli, gibt es etwas Neues?“, warf er in den Raum und begab sich direkt zu seinem Schreibtisch.

„Ms Foster ist da, der neue Inspector.“

„Aha, frisch von der Schule und noch nie eine Leiche gesehen“, knurrte Brennan in den Raum, machte aber kehrt und begrüßte sie.

Die hat wohl das falsche Outfit gewählt. Wir sind hier doch nicht in der Oper, kam ihm beim Anblick ihrer Kleidung in den Sinn.

„Ich war schon an einigen Fällen beteiligt“, entgegnete sie prompt.

„Ich kenne Ihre Geschichte. Aber nehmen Sie meine Kommentare nicht persönlich – sie werden gegen Ende der Woche wieder netter. Trotzdem willkommen.“

Sie hatte schon einige Geschichten über ihren neuen Chef Steve Brennan gehört. Sie solle sich auf einiges vorbereiten. Das Leben bei diesem alten Chief Inspector sei kein Honigschlecken, aber er sei tüchtig und hätte schon viele komplizierte Fälle gelöst. Man könne bei ihm viel lernen. Foster hatte im Übrigen keine Wahl. Ihr Bewerbungsschreiben war nur hier in Birmingham positiv aufgenommen worden.

Die beiden Inspectoren unterhielten sich bei einer Tasse Kaffee über die Polizeischule, deren Lehrer, die Brennan auch kannte, und kamen dann zur alltäglichen Arbeit.

„Momentan ist hier nicht viel los. Ich meine, keine großen Sachen. Hier ein Einbruch, dort ein Überfall. Ein Haufen Papierkram“, erklärte er.

„Wann hatten Sie denn den letzten großen Fall? Ich meine, einen Mord?“, wollte sie wissen.

„Das ist etwa ein Jahr her. Aber vor zwei Jahren hatten wir diesen Fall mit der Kindesentführung. Die Leiche des Kindes wurde später gefunden und für uns ging es dann richtig los. Ein ganzes Jahr haben wir den Mörder gesucht.“

„Der sich nach Italien abgesetzt hatte“, wusste Foster zu ergänzen.

Dieser Fall hatte Brennan beinahe das Genick gebrochen. Er hatte ihn lösen können. Aber die Androhung von Folter war vom Gesetz nicht gedeckt. Er wollte nichts unversucht lassen, um das Kind retten. Sie hatten einen der Entführer, Berry Duff, ergreifen können. Der redete aber nicht. Brennan drohte mit Waterboarding, ließ eine Wanne in das Verhörzimmer bringen und sie mit Wasser füllen; er packte den Entführer und schleppte ihn voller Wut zur Wanne. Da begann Duff zu reden. Seine Aussage zum Fundort erwies sich als richtig. Nur war das Kind schon seit zwei Wochen tot. Der Entführer beschuldigte nachher Brennan der Folter. Die Presse stand hauptsächlich hinter dem Chief Inspector. Aber Folter war Folter, das wusste er, und auch die Androhung war verboten. Er war mit einem Verweis davongekommen. Brennan kramte in seinem Stapel, zog die eine oder andere Akte hervor und meinte: „Nehmen Sie sich diese Fälle vor. Es geht um eine Einbruchsgang, wahrscheinlich vom Kontinent.“

„Chief Inspector, ein Anruf von der Metropolitan Police.“ Elli kam mit einem Zettel aus der anderen Ecke des Büros.

„Wanderer haben oberhalb des Botanischen Gartens ein Skelett gefunden. Kollegen sind vor Ort.“

„Na, kaum sind Sie da, gibt es schon eine Tote. Dann packen Sie mal Ihre Sachen, Roberta. Wir machen einen kleinen Ausflug.“

Die Fundstelle lag an einem Hang am Waldrand neben einer kleinen Straße. Foster mit war ihrer Kleidung auf diesen Einsatz nicht vorbereitet. Brennan grinste bei ihrem Versuch, mit den hochhackigen Schuhen den Hang hinaufzulaufen. Die Tote war wohl vergraben worden, aber nicht tief genug, sodass Regen den Boden langsam abgetragen hatte und möglicherweise auch Tiere dort herumgewühlt hatten.

„Die liegt aber schon etwas länger hier.“ Mit seinen Untersuchungen beschäftigt und ohne aufzuschauen meinte der Forensiker Dr Kincaid weiter: „So etwa dreißig Jahre, möchte ich vermuten. Genaues kann ich erst in ein paar Tagen sagen. Tiere haben hier leider auch schon herumgeschnüffelt und geknabbert. Das macht die genaue Analyse schwer. Da werden wir noch ein paar Tage hier am Fundort beschäftigt sein, bis wir sämtliche Reste identifiziert haben.“

„Irgendwelche Zeichen von Gewaltanwendung?“ Foster meinte schon ihren ersten Fall zu sehen. Sie hoffte, ihn übernehmen zu können.

„Viel zu früh, junge Dame. Wir sehen ja jetzt erst ein paar Knochen und den Schädel.“

„Das ist übrigens unsere neue Kollegin Inspector Roberta Foster. Sie hat heute ihren ersten Arbeitstag“, stellte Brennan sie vor.

„Na, dann willkommen zu Ihrem ersten Fall!“

„Das sieht ja wie eingeritzt aus“, meinte der Chief Inspector.

„Was meinen Sie? Das auf dem Stirnknochen? Na, warten wir mal ab. Wir melden uns, sobald wir mehr wissen. Aber wie gesagt, das kann schon noch eine Zeit lang dauern.“ Die beiden Inspectoren setzten sich in ihr Auto und fuhren zurück ins Büro.

„Sie können sich da mal nützlich machen, Roberta. Bleiben Sie mit der Spusi und dem Forensiker in Kontakt und berichten mir die Neuigkeiten. Mehr können wir momentan nicht tun. Ach ja, suchen Sie mal die Akten von Leuten heraus, die vor ungefähr 30 Jahren als vermisst gemeldet worden sind.“

„Alle? Das sind doch eine Menge.“

„Fangen Sie mit denen hier aus der Gegend an.“

Im Büro bekam Foster fünfunddreißig Fälle auf den Tisch, die vor plus/minus dreißig Jahren im Umkreis von fünfzig Kilometern als vermisst gemeldet und nie gefunden worden waren. Aber bevor sie mit der Schreibtischarbeit begann, ging sie in die Toilettenräume und brachte ihre Schuhe wieder in Ordnung. Der Schlamm hing überall.

„Ab morgen komme ich in Jeans und Stiefeln“, entschied sie sich und frischte ihr Make-up auf.

Sie ging die Fälle oberflächlich durch, denn es schien ihr keinen Sinn zu machen, ohne weitere Anhaltspunkte auf die Suche zu gehen. Sie erinnerte sich aber an dieses Zeichen auf der Stirn. Es war nicht gut zu sehen gewesen, aber es gehörte nicht dahin. Sie suchte nach weiteren Fällen, in denen die Opfer gekennzeichnet worden waren, ohne Erfolg. Während der folgenden Tage rief sie wiederholt in der Forensischen Abteilung an, um Neues zu erfahren. Nach fünf Tagen erhielt sie in Kincaids Büro endlich die erhofften Angaben.

„Es handelt sich um eine junge Frau, circa fünfundzwanzig Jahre alt, mit mittellangen, glatten, wahrscheinlich blonden Haaren, bei der es auf den ersten Blick keine Anzeichen von Gewaltanwendung gibt, wenn man von dem Zeichen auf dem Stirnknochen einmal absehen will. Was wir natürlich nicht ausschließen können, ist, dass sie zum Beispiel erdrosselt oder vergiftet wurde. Doch dafür finden sich keine Anzeichen mehr.“

„Kein Arsen.“

„Es gibt noch viele andere Gifte, wie Sie wissen“, entgegnete Kincaid.

„Das ist leider nicht sehr viel.“ Brennan trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „Aber was ist mit dem Zeichen auf der Stirn?“, fragte er.

„Da haben wir vielleicht etwas“, begann Kincaid. „Es wurde tatsächlich etwas in die Stirn geritzt, und zwar so, dass es im Knochen zu sehen ist."

„Also ziemlich brutal“, meinte Foster.

„So kann man sagen. Ob vor oder nach dem Tod, kann ich nicht beurteilen. Schauen Sie sich dieses Fotos einmal an. Auf der Röntgenaufnahme sind die Zeichen noch besser zu sehen. Die Linien stellen möglicherweise ein Haus und einen Stab dar. Ob das am unteren Ende vom Stab dazugehört, da bin ich mir nicht sicher.“

„Das ist doch schon einmal was. Roberta, jetzt können Sie die Zahl der Akten reduzieren.“

„Wir sind noch dabei, DNA zu finden und zu analysieren. Vielleicht wissen wir dann mehr. Und hier eine Aufnahme vom Gebiss. Vielleicht finden Sie den Zahnarzt, bei dem sie kurz vorher war.“

„Wieso kurz vorher?“, wollte Foster wissen.

„Ein Zahn ist nicht lange vor ihrem Tod plombiert worden.“

„Ungefähr 25 Jahre, weiblich, mittellange blonde Haare, offenbar ermordet, sonst hätte sie nicht dieses Zeichen in der Stirn“, fasste Brennan zusammen, während er von der Forensischen Abteilung in seine zurücklief. „Gibt es schon was Neues von der Spusi?“

„Noch nichts gehört.“

„Dann gehen wir jetzt direkt da vorbei“, bestimmte Brennan und lenkte seine Schritte in Richtung der Abteilung.

Tess Stevenson, Leiterin der Spurensicherung, kam ihnen mit einem Lächeln entgegen.

„Sie hat bestimmt etwas für uns“, meinte Foster.

„Ich bin die neue Kollegin, Inspector Roberta Foster“, stellte sie sich vor.

Der Chief Inspector berichtete über die Funde von Kincaid.

„Das passt ganz gut zu dem, was wir gefunden haben. Die wenigen Gewebereste der Kleidung deuten darauf hin, dass es eine dünne Bekleidung war, was für eine warme Jahreszeit spricht. Das Kleid, das die junge Frau trug, war aus mittelblauem Stoff. Sie trug Pumps und offensichtlich keine Strümpfe. Wir haben keine Tasche oder sonstige Hinweise gefunden, wer sie war.“

„Das spricht dafür, dass es ein geplanter Mord war. Nur war die Tote nicht tief genug vergraben“, ergänzte Foster.

„Warten wir einmal ab“, knurrte Chief Inspector Brennan und sie machten sich auf den Rückweg ins Büro.

„Sie meinen, es könnte auch ein Unfall gewesen sein? Und das Zeichen auf der Stirn irgendjemand später eingeritzt haben?“

„Könnte sein“, war seine kurze Antwort.

Foster hatte jetzt in der Tat genug zu tun. Obwohl die Informationen über die Tote nun um einiges genauer waren, musste sie den Radius für ihre Suche ausweiten. Keine der Vermissten im Umkreis von fünfzig Kilometern entsprach den Kriterien. Umfragen, die Foster in der näheren und weiteren Umgebung des Fundorts durchführen ließ, brachten keine Neuigkeiten. Sie weitete das Gebiet auf hundert Kilometer aus. Alles sah danach aus, als ob der Fundort nicht der Ort des Verbrechens war.

Giftiges Blut

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