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Der Auftrag

Turner fühlte sich in diesem Moment stark, er fühlte die Präsenz seiner Großmutter neben sich. Auf der Straße war wenig los, die meisten hatten um diese Uhrzeit schon eingekauft. Seine Planungen waren sorgfältig, er hatte an alles gedacht. Er hatte auf dem Parkplatz gewartet, Erin Glenn hatte ihren Wagen geparkt und war im Laden verschwunden. Er hatte seinen Ford ganz nah an ihren herangefahren, er stand jetzt direkt neben ihr. Lange brauchte er nicht zu warten, bis sie ihre Einkäufe gemacht hatte. Während sie ihre Sachen in den Kofferraum packte, stieg er aus, öffnete die Kofferraumklappe, blickte sich noch einmal um, stellte sich hinter sie, hielt ihr ein Tuch mit Chloroform vor Mund und Nase und legte den bewusstlosen Körper in den Kofferraum seines Wagens. Schnell hatte er Erin geknebelt, Hände und Füße zusammengebunden und war losgefahren.

Turner hatte alles gut vorbereitet. Er kannte nicht nur den Namen seines Opfers, sondern wusste auch, wo sie wohnte, was sie tat, war über ihre Vorlieben, ihren Beruf und ihre Arbeitsstätte im Bilde. Aus Großmutters Unterlagen war der Familienname bekannt: Erin Glenn war die Tochter von Benedikt Glenn, dessen Familie von der Großmutter mit Hilfe von Frank Glenn gefunden wurde. Erin war bei Facebook sehr aktiv, hatte bei YouTube etliche Videos ins Netz gestellt. Turner hatte sich unter ihre Freunde gemischt und wusste, dass sie am folgenden Abend eine Party machen wollte und den Einkauf wie immer einen Tag vorher bei Tesco machen würde.

Jetzt war sein Ziel ein verlassener Platz im Wald. Er hatte ihn sorgfältig ausgesucht, denn er wollte sichergehen, dass keine Menschen dort unterwegs sein würden. Nur wenige Minuten war er gefahren, die Zeit hatte aber gereicht, Erin aufwachen zu lassen. Er fand sie strampelnd und mit den gefesselten Händen heftig um sich schlagend, als er die Kofferraumtür öffnete. Er befreite sie von dem Knebel:

„Hier können Sie schreien. Es hört sie keiner.“

„Was wollen Sie von mir? Wollen Sie mich vergewaltigen? Ausrauben wäre einfacher gewesen.“ Erin war außer sich, erkannte aber ihre missliche Lage.

„Ich möchte mich mit Ihnen über Ihre Videos unterhalten.“

„Was?! Und dafür entführen Sie mich?“

Turner redete nun über ihre Hobbys und was sie machte. Sie war erstaunt, was er alles über sie wusste. Sie hatte alles im Internet preisgegeben.

„Woher wissen Sie das alles?“

„Aus dem Internet natürlich. Sie sehen aus, als ob Sie etwas trinken möchten. Ich hole etwas.“

Erin konnte das alles nicht verstehen. Hatte sie es mit einem Irren zu tun? Wie konnte sie hier wieder rauskommen?

„Hier, probieren Sie. Schmeckt ganz ordentlich.“

Sie nahm einen Schluck.

„Das ist ja widerlich. Was ist das? Können Sie mir nicht ein Glas Wasser geben?“

Turner verdünnte mit Wasser, gab ihr das Glas erneut. Erin trank noch einen Schluck. Er wartete ein paar Minuten, bis das Gift begann, seine Wirkung zu zeigen. Er hatte aus der Literatur gelernt, dass das Gift des Bilsenkrautes erst nach mindestens einer Stunde wirkte und die Opfer langsam ins Koma fallen und dann ersticken würden. Sie sollte tief schlafen und nichts merken, hatte er sich bei seinen Planungen gesagt.

„Was ist das, was Sie mir gegeben haben? Wollen Sie mich umbringen?“

„Sie werden jetzt auf dieselbe Art sterben, wie Ihre Familie über die Jahrhunderte junge Frauen aus meiner Familie umgebracht hat: mit dem Gift des Bilsenkrautes. Keine Angst – dass Sie am Ende keine Luft mehr bekommen, werden Sie nicht mehr merken.“

„Sie sind doch verrückt! Sie sind ein Psycho! Sie gehören ins Irrenhaus!“

Langsam merkte Erin, wie sich alles um sie herum veränderte: Sie sah Farben, hörte Stimmen, ihre Haut juckte. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Während sie noch halbwegs wach war, erzählte Turner ihr die Familiengeschichte. Kommentarlos hörte sie zu, merkte, dass sie erst immer interessierter wurde, die Geschichte lustig fand, die Figuren hier im Raum schwebten und sie nach einer halben Stunde einschlief. Er wartete, bis sie auch das Atmen einstellte und sie sich nicht mehr rührte.

Turner klappte den Kofferraumdeckel zu und fuhr etwa dreißig Kilometer zu einem Supermarkt. Der hatte inzwischen geschlossen, der Parkplatz war, bis auf wenige Wagen, leer. Er vergewisserte sich, dass nichts von seinen Sachen im Ford liegen geblieben war, verschloss ihn, lief zehn Minuten bis zum nächsten Kino und kaufte sich eine Karte. Der Film ist spannend, dachte er, war aber die meiste Zeit bei seinem Plan, die weiteren Opfer ausfindig zu machen.

Danach kehrte er zum verlassenen Parkplatz zurück, öffnete den Kofferraum, vergewisserte sich, dass sein Opfer tot war, und kratzte mit seinem Messer das Zeichen in die Stirn der toten Erin Glen. Die Flasche Wasser in seinem Rucksack diente nur einem Zweck: Hände und Messer vom Blut zu säubern. Er schlug den Kofferraumdeckel zu, lief zur nächsten Bushaltestelle und fuhr zurück in die Stadt und in sein Hotel.

„Großmutter, ich habe die erste Ermordete gerächt.“ Mit diesen Worten schlief Turner ein.

Giftiges Blut

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