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Seelennahrung
ОглавлениеMeine Geschichte, die Geschichte meiner Familie, die Art, wie wir leben – all das ist eng mit dem verbunden, was wir essen, vor allem aber mit dem Brot. Das klingt übertrieben, aber es ist so.
Brot zu backen, und dabei Pasta Madre zu verwenden, war der erste Schritt hin zu einem neuen Leben, hin zu einer echten Nahrung. Einer Nahrung, die wirklich nährt, die Menschen miteinander und mit der Natur verbindet. Nahrung, die Gemeinschaft, Familie und Heimat schafft.
Brot für meine Familie zu backen, war für mich ein wirklich „revolutionärer“ Schritt. Ich hätte im Leben nicht daran gedacht, so etwas jemals zu tun. Ja, die Natur war inzwischen Teil unseres Lebens und Alltags geworden. Aber sie war noch nicht direkter Teil unserer Ernährung. Der Wunsch, mich auch in diesem Bereich der Natur anzuvertrauen, kam ganz plötzlich.
Ich hätte nie gedacht, welch tiefe Befriedigung es ist, selbst gemachtes Brot auftischen zu können. Ich habe zu backen begonnen und nie wieder damit aufgehört. Ich könnte es gar nicht, auch wenn ich wollte. Brot ist für mich etwas ganz Besonderes, es ist das Symbol des Lebens. Es ist die Begegnung der vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Überall auf der Welt wird es verehrt, steht im Mittelpunkt eines Kultes. Denn nicht zuletzt markiert das Brot den Beginn unserer Kultur, den Übergang der nomadischen zur sesshaften, bäuerlichen Lebensweise.
In meinen Workshops sage ich immer, dass das Brotbacken dem Anlegen eines Gartens ähnelt: Nicht das Ergebnis zählt, sondern der Prozess. Wer es mit Hingabe tut, der zählt nicht die Stunden der Arbeit. Wer sich für diesen Weg entscheidet, dem geht es nicht nur darum, gesundes Essen auf den Tisch zu bringen. Es ist auch ein Weg, wieder an eine uralte Kulturtechnik anzuknüpfen, die wir verlernt und verloren geglaubt haben, und uns dadurch – zumindest ein wenig – von der modernen Konsumdiktatur zu emanzipieren.
Als ich mit dem Brotbacken begonnen habe, wurde mir erst klar: Wenn ich es fertigbringe, Brot zu machen, dann schaffe ich alles! Ich habe mir auszumalen begonnen, was ich sonst noch alles selbst machen und wie ich meine Kinder und meinen Mann mit einbeziehen könnte. Ich habe unglaubliches Selbstvertrauen bekommen. Ich glaube, dass sich nicht nur die „Gartentherapie“, sondern vielleicht auch eine „Backtherapie“ etablieren könnte: Brot backen als Kur, um selbstbewusster zu werden, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Bei mir hat es funktioniert!
Ich habe den Sprung ins Ungewisse gewagt, den Job aufgegeben, Stiefel angezogen und einen kleinen Gemüsegarten angelegt. Aus dem kleinen Gemüsegarten ist ein Bergbauernhof (oder ein „landwirtschaftlicher Betrieb“, wie er offiziell heißt) geworden, mit Hühnern, Schafen, Feldern und Wiesen. Klein, aber groß genug, um uns und die Gäste in unserem kleinen Agritur zu „nähren“.
Ohne Brot wäre das alles nicht möglich gewesen.