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Wenn das Leben zu viel von dir will

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Unsere Welt wird immer komplexer. Während der Mensch lernt, den Weltraum zu erkunden, scheint er zu verlernen, sich selbst zu verstehen. Viele Probleme dieser Zeit entstammen der Entfremdung von unserer verletzlichen und zugleich so kraftvollen Natur. Trauma ist eine Hauptursache für diese Entfremdung. Die Dynamik von Trauma zu verstehen und die Weisheit unseres Körpers zurückzugewinnen, kann die Welt zu einem besseren Ort werden lassen.

WAS IST NUR LOS MIT MIR?

Jolanda hatte sich schon sehr auf ihr Meditationsretreat gefreut. Eine Woche mit ihrer besten Freundin und anderen netten Menschen in einer schönen Umgebung. Den ganzen Tag Meditation und Yoga, leckeres Essen und kein Handy. Endlich etwas für sich selbst tun! Da Jolanda einen recht stressigen Alltag zu bewältigen hat, war dieses Meditationsretreat genau das Richtige, dachte sie. Ihre Freundin hatte ihr schon Monate zuvor schwärmend in den Ohren gelegen, wie erfrischt und geerdet sie immer von diesen Reisen zurückgekehrt sei. Bisher hatte Jolanda Meditation nur in ihrem Yogastudio erlebt, und da konnte sie sich nie so recht entspannen, da sie immer abgehetzt von der Arbeit ins Studio kam und noch »auf Betriebstemperatur« lief. In diesem abgeschiedenen Hotel in den Bergen sollte das anders werden und sie freute sich darauf, endlich wirklich meditieren zu lernen.

Was Jolanda dann erlebte, war leider nicht das, was sie sich erhofft und erwartet hatte. Während ihre Freundin sich von Tag eins an zu entspannen schien, wich Jolandas Vorfreude in den ersten Tagen einer stetig anwachsenden Unruhe, die sich bis in die Nächte hineinzog. Etwas in ihr konnte einfach nicht loslassen. Am dritten Tag schließlich, als die Meditationslehrerin die Teilnehmerinnen anleitete, sich in ihr Herz zu begeben, um ihrem inneren Kind zu begegnen, fand sich Jolanda in einer heftigen Panikattacke wieder. Da sie sich nicht erklären konnte, wieso es ihr so schlecht ging, bemühte sich Jolanda in den weiteren Tagen, ihre Gefühle zu kontrollieren, und strengte sich sehr an, alle Übungen und Aufgaben zu erfüllen. Weil Jolanda in ihrer Kindheit sehr gut gelernt hatte zu funktionieren, bemerkte niemand, nicht einmal ihre Freundin, wie es in ihrem Innern aussah. Am Ende der Woche hatte sie rasende Kopfschmerzen, war völlig übernächtigt, am ganzen Körper verspannt und mit sich selbst aufs Äußerste unzufrieden. »Was ist nur los mit mir? Wieso klappt es bei allen anderen und nur bei mir nicht?«

Wie oft habe ich Sätze wie diesen gehört! Es ist ein großer Schmerz, der in vielen Menschen aufsteigt, wenn sie sich mit »den anderen« vergleichen. Die Überzeugung, dass wir mit unseren Schwierigkeiten allein sind und eine einsame Ausnahme darstellen, ist weit verbreitet und weit gefehlt. Am Beispiel von Jolanda kannst du sehen, dass bei den anderen auch nicht alles klappt (manche Menschen sind einfach gut darin, nach außen eine stabile Fassade aufrechtzuerhalten, während es ihnen innerlich schlecht geht).

Indem du dich mit anderen vergleichst, verkennst du sowohl deine Einzigartigkeit als auch ihre.

Mit dieser Fassade durchs Leben zu gehen und sie Tag für Tag aufrechtzuerhalten, kostet viel Kraft, weil dahinter oft der alte Schmerz verborgen liegt.

Dass Meditation und Entspannung für Jolanda so stressig sind, hat etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun. Im Verlauf dieses Buches wird immer klarer werden, wie unsere Empfindungen von heute mit unserer Vergangenheit verknüpft sind. In jedem Falle ist sicher, dass alles, was Jolanda erlebt, sich erklären lässt und letztlich Sinn ergibt.

Bin ich traumatisiert?

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