Читать книгу Verdächtige Stille - Veronika Wetzig - Страница 20
9. Kapitel
ОглавлениеNur langsam findet Marie in die Wirklichkeit zurück. Die ziehenden Schmerzen im Kopf und das Brennen der Augenlider lassen sie nicht wieder in das gnädige Vergessen der Traumwelt zurückgleiten. Ein Stöhnen entfährt ihr, als sie langsam versucht, sich auf die Seite zu drehen. Ihre Glieder scheinen tonnenschwer und schon das Öffnen der Augen bereitet ihr unsägliche Mühe. Wie in Zeitlupe schiebt sie ihre Hand in Richtung Gesicht. Endlich gelingt es ihr, diese über die Augen zu legen. Das gleißende Licht nimmt etwas ab und sie versucht erneut, die Augen zu öffnen. Unter größten Anstrengungen zwingt sie sich dazu und nach einer gefühlten Ewigkeit geben die verklebten Lider nach. Sofort schießen ihr Tränen in die Augen und sie kneift diese schnell wieder zusammen. Das Licht ist einfach zu grell. Wieder versucht sie, sich auf die Seite zu drehen. Die Fläche, auf der sie liegt ist glatt und hart. Sie rutscht herum und jetzt, mit dem Blick nach unten, gewöhnt sie sich langsam an die Helligkeit. Doch was sie sieht, ergibt einfach keinen Sinn. Sie liegt auf einer silbernen Bahre. Mühsam begibt sie sich in eine sitzende Position und schiebt die Beine über die Kante, so dass sie ein gutes Stück über dem Boden baumeln. Verwirrt sieht sich um, während dumpfe Hammerschläge auf ihren Kopf einzuschlagen scheinen. Sie befindet sich in einem helltürkis gefliesten Raum. Die Fliesen ziehen sich über den Fußboden die Wand hinauf bis zur Decke, an der eine nackte Neonröhre hängt, die kaltes Licht verströmt. Der Raum ist etwa vier mal vier Meter groß und ihre Liege steht genau in der Mitte. Direkt unter ihren Füßen befindet sich ein kleines Ablaufgitter. Ansonsten ist der Raum fensterlos und nur in der rechts von ihr befindlichen Wand ist eine Eisentür eingelassen. Langsam steigt Panik in Marie auf. Wie um alles in der Welt war sie hierhergekommen? Sie lässt sich langsam von der Liege gleiten, doch ihre Beine geben sofort nach und sie bricht auf dem kalten Fußboden zusammen. Ihr Hals ist wie ausgedörrt und sie hat das Gefühl, kurz vor dem Verdursten zu sein. Für einen kurzen Moment bleibt sie liegen und schöpft Kraft. Als sie sich schließlich wieder aufrichtet, entdeckt sie eine kleine Plastikflasche am Ende der Liege. Wasser! Marie zieht sich mit letzter Kraft hinüber und greift nach der Flasche, deren Deckel nur locker aufgeschraubt ist. Gierig beginnt sie zu trinken. Zu gierig, rechts und links ihres Kinns laufen zwei dünne Rinnsale hinunter. Das Wasser tut gut und Marie merkt, wie sich ihre Glieder wieder beleben. Langsam versucht sie, sich aufzurichten. Sie zieht sich an der Liege hoch und wankt Richtung Tür. Vorsichtig dreht sie den Knauf, doch nichts passiert. Marie wird mutiger und rüttelt mit aller Kraft, doch die Tür ist verschlossen. Tränen schießen ihr in die Augen und sie dreht sich zur Liege um, ihrem einzigen Halt in diesem Raum. Doch was sie dann sieht, lässt ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ein Obduktionstisch reflektiert matt das grelle Neonlicht.
Marie starrt noch immer fassungslos auf die Szenerie vor sich. Verzweifelt versucht sie, sich zu erinnern. Doch ihr Gehirn scheint ihr nicht gehorchen zu wollen. Es gelingt ihr immer weniger, sich zu konzentrieren und ihre Augenlider werden schwerer und schwerer. Kraftlos schlägt sie sich die flachen Hände auf die Wangen in dem hoffnungslosen Versuch, wieder Herr ihrer Sinne zu werden. Doch diese vernebeln sich mehr und mehr. Marie sinkt auf die Knie und ihr Blick fällt auf die offene Wasserflasche. Kurz huscht ein gequältes Lächeln der Erkenntnis über ihr Gesicht bevor sie auf dem kalten Boden bewusstlos zusammenbricht.