Читать книгу tali dignus amico - Vicente Flores Militello - Страница 10
Оглавлениеc) Beobachtungen zum Sprachgebrauch
i) amicitia und clientela
Vor Schwierigkeiten steht man, wenn man in der Literatur den patronus-cliens-Diskurs lexikalisch eindeutig identifizieren möchte, da sich v.a. in den literarischen Quellen1 der frühen Kaiserzeit eine Umschreibung mit Begriffen aus dem Wortfeld der amicitia entwickelte. Wie v.a. Saller (1982 und 1989) und White (1978; 1993; 1995 und 2007) bemerken, bezeichnen in der Kaiserzeit Substantive wie amicus, sodalis oder conviva öfter den cliens oder den patronus, da offenbar die anderen Termini (d.h. patronus und cliens) die soziale Ungleichheit stark betonen.2 Ein solcher Ersatz der Begriffe im patronus-cliens-Diskurs durch das amicitia-Vokabular deutet auf komplexe Spannungen sozialer und affektiver Natur in den (Abhängigkeits-)Verhältnissen hin.3 Dabei stellt die jeweilige Bewertung, ob das Begriffsfeld der amicitia zum Ausdruck von Höflichkeit, von Ironie oder von im engeren bzw. weiteren Sinne zu verstehender Freundschaft eingesetzt ist, die Herausforderung an den Interpreten der Texte dar.
In der Bewertung, ob es zwischen der amicitia im moralphilosophischen Diskurs und der amicitia im Rahmen des patronus-cliens-Diskurses Überschneidungen und semantische Beziehungen gibt oder ob sie strikt als zwei Bereiche zu trennen sind, gibt es bereits unterschiedliche Forschungsrichtungen.4 Fest steht, dass im literarischen Diskurs öfter amicitia-Begrifflichkeiten vorzufinden sind, die auf ein ambivalentes Verhältnis hindeuten, etwa wenn Horaz seine Freude darüber ausdrückt, in amicorum numero des Maecenas aufgenommen worden zu sein (sat. 1,6,62), oder wenn er von Maecenas als einem potens amicus spricht (carm. 2,18,12),5 aber auch wenn er als Dichter(-Klient) aus der externen Perspektive von einem dives amicus spricht (vom Gönner also, der einen fördert: epist. 1,18,24), sowie von dem professus amicum (also vom geförderten Klienten, der sich auch als ‚wahrer‘ Freund seinem Gönner gegenüber inszeniert: epist. 1,18,2):Horazsat. 1,6,62Horazcarm. 2,18,12Horazepist. 1,18,2Horazepist. 1,18,24 Wie man sieht, hat sich der amicitia-Wortschatz z.B. bei Horaz zwar als Standardform für die Beschreibung der Beziehung zwischen Autor und hochgestelltem Förderer durchgesetzt6; dass hier eine Spannung zwischen einer amicitia im moralphilosophischen Sinne (als einem auf virtus beruhenden, nur inter bonos möglichen Verhältnis7 bzw. im Sinne von einer τῶν ἀγαθῶν φιλία καὶ κατ’ ἀρετὴν ὁμοίων8) und einer ausschließlich auf sozialen bzw. politischen Pflichten sowie Nutzbarkeitserwägungen basierenden Beziehung nahegelegt wird, ist dennoch evident.9
Bei späteren Autoren, etwa Martial und Juvenal, wird diese Spannung offen thematisiert – und die daraus entstandene Widersprüchlichkeit sogar betont und kritisiert.10 Dies zeigt, dass nicht nur die auf Affekt und virtus basierende amicitia darunter zu verstehen ist, sondern dass dabei auch das patronus-cliens-Verhältnis mit einer gewissen Selbstverständlichkeit gemeint ist, wie es White 199311 und auch Williams 201212 bemerken – selbst wenn eine solche Überlappung ebenso als Strategie für satirische Kritik im Diskurs eingesetzt wird, wie Konstan 1995 hervorhebt.13
Wie White 1978 zeigen konnte, deuten zwar nicht nur ausdrückliche Verweise in der amicitia-Nomenklatur (auch außerhalb der Dichtung) auf bewusste, wenn auch implizite Sozialunterschiede zwischen den Mitgliedern des Verhältnisses, sondern auch phraseologische amicitia-Junkturen, wie die zitierten Verwendungen von dives oder potens amicus.14 Doch man muss m.E. der Warnung von Nauta 2002 davor zustimmen, dass amicus in den literarischen Quellen der römischen Kaiserzeit (und vor allen in der Dichtung) sowie amicitia ein breites Spektrum an Verhältnissen andeuten, und zwar unabhängig von sozialem Status, persönlichen Affekten oder urbaner Höflichkeit.15 Es liegt daher der Arbeit das Verständnis zugrunde, dass einzelne Texte und Autoren diesen Zusammenhang zwischen amicus, patronus und cliens jeweils anders verhandeln und dem Leser signalisieren können. Auf verschiedene Weise wird sich bei den oben genannten Autoren zeigen, dass sie mehr oder weniger das amicitia-Konzept im Rahmen des patronus-cliens-Diskurses um- oder ausdeuten. Es gibt daher m.E. keine feste semantische Struktur der Terminologie, sondern jeder Kontext und Text legt eine (neue) Semantik innerhalb des Diskurses fest. Es muss also jeweils gefragt werden, ob es sich um eine affirmative, subversiv-kritische oder ironische Perspektive der (amicus)-patronus-cliens-Darstellung handelt. Dies zu bestimmen und jeweils auch zu eruieren, wird eine Aufgabe dieser Studie sein.
Gefragt wird also nicht nach einem übergreifenden allgemeinen Prinzip; vielmehr liegt der Arbeit das Verständnis zugrunde, dass einzelne Texte und Autoren das Thema jeweils neu verhandeln. Jeder der im Laufe dieser Arbeit vorgestellten Texte offenbart eine bestimmte Perspektive auf den patronus-cliens-Diskurs. Im Folgenden muss die literarische Inszenierung des patronus-cliens-Diskurses bei den einzelnen Autoren jeweils neu untersucht werden. Andererseits muss aber betont werden, dass dies nicht mit dem Ziel geschieht, eine historische Rekonstruktion der Verhältnisse zwischen patroni und clientes zu leisten, sondern um solche literarischen Sichtweisen herausarbeiten zu können.
ii) Parasiten und Klienten
Eine weitere Schwierigkeit bei der Analyse des patronus-cliens-Verhältnisses liegt in der möglichen Überschneidung der Begriffe parasitus und cliens. Aus dem Bereich der griechischen Komödie stammt der Begriff parasitus bzw. παράσιτος („Tischgenosse“): Er bezeichnet vor allem ab der Mittleren und Neuen Komödie die feste Figur des gefräßigen, komisch-sympathischen Schmarotzers, der sich durch kleine Dienste für seinen Herrn wie z.B. Schmeichelei (κολακεία/adulatio) das Essen (σῖτος) sichert.1
Da das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Klienten und Patronen nicht selten in der römischen Literatur mit demjenigen zwischen Parasiten und Herrn parallelisiert wird, tendiert man in der Forschung oft dazu, die Figur des ‚Parasiten‘ mit derjenigen des Klienten im Allgemeinen zu identifizieren, vor allem deswegen, weil sie bei späteren Autoren, etwa Horaz, Martial oder Juvenal, zum Teil dazu eingesetzt wird, die unangenehmen Folgen des patronus-cliens-Systems literarisch kritisch zu beleuchten, und zwar indem Charakteristika wie z.B. Unterwürfigkeit, Demütigung und Neigung zur Schmeichelei, um sich ein Einkommen zu sichern, betont werden.2 Doch unterschiedslos den Komödientypus des Parasiten in der ganzen römischen Literatur einem cliens gleichzustellen, wie es in der Forschung seit Damon (1995 und v.a. 1997) z.T. geschieht, ist m.E. wenig überzeugend.
Damon geht von der Voraussetzung aus, die literarische Figur des Parasiten stehe in der römischen Literatur im Allgemeinen für die negative Darstellung des cliens:
I argue that the stock character of the parasite that the Romans knew from Greek plays became in Latin authors a symbol for unhealthy aspects of patronage relationships in their own real world.3
Für sie stellt die Figur des Parasiten ein Zeichen der „pathology of Roman patronage“ dar und vor allem eine „negative reflection of the cliens“ über die ganze römische Literatur hinweg.4
Zwar weisen die Klienten in einem erweiterten Sinn als „Schutzbedürftige verschiedener Art, (…) die aus unterschiedlichen Gründen auf einen patronus oder eine patrona angewiesen sind“ (so Ganter 2015, 92), etliche Gemeinsamkeiten mit Komödienparasiten auf (so auch Ganter 2015b), doch eine unterschiedslose Gleichsetzung von clientes und parasiti scheint mir nicht adäquat. Dies lässt sich vor allem am Beispiel der plautinischen Menaechmi zeigen, wo gerade vom Autor der Unterschied zwischen den beiden Figuren, dem namentlich genannten parasitus Peniculus und dem auf dem Forum auftretenden cliens quidam, stark betont wird, wie im nächsten Kapitel gezeigt wird. Daher ist vor allem Plautus für die vorliegende Untersuchung als Ausgangspunkt wichtig, nicht nur weil bei ihm die Figur des parasitus traditionell wichtig ist,5 sondern auch weil bei ihm die clientes zum ersten Mal in der Literatur eine Rolle spielen:6 In seinen Menaechmi findet der Leser nämlich die erste Thematisierung der Problematik zwischen patroni und clientes in der römischen Literatur vor. Durch eine Analyse der betroffenen Passage kann der Unterschied zwischen Parasiten und Klienten sowie die (doch erst wesentlich später zu Tage tretende) Parallelisierung in der satirischen Dichtung der Kaiserzeit am besten exemplifiziert werden.