Читать книгу Lotte in London - Victoria Benner - Страница 11
8.
Оглавление„Kommt Tom bald nach Hause?“, fragte Regan am Abend, eingewickelt in das flauschige Badehandtuch und schob eine nasse Locke aus ihrem Gesicht.
„Hoffentlich“, murmelte Charlotte. Die Lippen zu einem schmalen Strich verzogen stopfte sie das Laken um die Matratze. „Wie machst du das? Jedes Mal ist das Bett halb abgezogen, obwohl ich es ordentlich bezogen habe“, fragte sie, und, als sie aufsah, fügte sie hinzu: „Mach dich endlich bettfertig. Es ist schon halb neun!“
„Ja ja.“
„Nichts ja ja. Wenn du dich nicht beeilst, gibt es keine Geschichte mehr.“
Regan murrte, schälte sich aber aus dem Handtuch und zog das Nachthemd über. Mit einem Satz, der die Bettfedern quietschen ließ, sprang sie ins Bett. „Fertig! Geschichte?“ Regan lehnte sich aus dem Bett und fischte nach dem Buch, das unter Socken, dem Handtuch und anderen Kleidungsstücken begraben lag.
„Schon wieder Pullman? Den hatten wir doch neulich erst.“
„Mum!“
„Nein, such dir was anderes aus.“
„Ich will aber Lyra“, protestierte Regan.
„Aber das ist viel zu lang, um es komplett durchzulesen.“
„Musst du auch nicht. Ich kann es morgen Abend mit dem Gwen weiterlesen, wenn du und Tom auf dem Event seid. Gwen passt doch morgen auf mich auf, oder?“
Charlotte spürte, wie es bei der bloßen Erwähnung des Events in ihrem Bauch zu kribbeln begann. Wütend schwor sie sich, es zu ignorieren und dem Drang aufzuspringen und einmal ums Haus zu rennen nicht nachzugeben.
Sie legte das Buch neben sich auf das Bett. „Nein, komm Regan, such dir eine kürzere Geschichte aus. Nicht so was. Schau es ist jetzt schon nach halb neun.“
„Bitte Mum, bitte, bitte!“
Charlotte stöhnte. „Na schön.“ Sie griff nach dem Buch, schlug die erste Seite auf und begann zu lesen.
„Lyra and her deamon moved through the darkening Hall, taking care to keep to one side, out of sight of the kitchen.“
In ihrem Magen begann sich ein pochender Klumpen zu formen und Charlotte schluckte. Dann nahm sie den nächsten Satz in Angriff. Als sie merkte, dass ihre Hände kalt und feucht wurden, wischte sie die freie Hand an der Bettdecke ab, las weiter. Nach zehn Seiten unterbrach Regan sie. „Nicht so schnell. Ich kann kein Wort verstehen.“
Charlotte schüttelte den Kopf. „Was erzählst du da? Ich lese nicht viel zu schnell.“
„Doch, tust du! Du rennst da durch, als sei irgendein Monster hinter dir her!“
Charlotte betrachtete das Buch in ihren Händen. Es zitterte und auf einer der Seiten formte sich ein feuchter Fleck, wo ihre Finger das Papier berührten. „Hör mal, wenn es dir nicht passt, wie ich lese, dann lies doch selbst!“ Sie stand auf und warf das Buch in Regans Schoß.
„Hey, so war das nicht ausgemacht!“
„Es ist spät, gute Nacht!“ Charlotte knipste das Licht aus.
„Aber wir müssen das noch lesen! Das war nicht mal eine Seite!“, rief Regan ihr nach.
„Das waren über zehn Seiten und es reicht für heute. Gute Nacht!“, rief Charlotte über ihre Schulter, während sie die Treppe hinunterrannte.
Einundzwanzig Uhr, blinkte die Uhr am Herd. Einundzwanzig Uhr und Thomas war seit halb fünf weg. Charlotte sah sich in der Küche um. Die Unruhe, die sie vorhin erfasst hatte, war noch immer da und sie wusste nicht, was sie tun sollte, um sie loszuwerden.
„Wie lange kann es wohl dauern einen Regisseur zu treffen und mit ihm wegen einer Rolle zu sprechen?“, fragte Charlotte ihr Spiegelbild im Kühlschrank. Sollte sie ihn anrufen, fragen, wo er blieb? Die Idee verwarf sie gleich wieder. Sie hatte keine Lust den Eindruck zu erwecken, als würde sie ihm nicht trauen oder als käme sie nicht allein klar.
„Es gibt bestimmt einfachere Wege um sich lächerlich zu machen“, seufzte Charlotte und drehte die Schneeflocke hin und her. Ratlos sah sie sich um. Es gab nichts zu tun. Bis auf den Garten, den sie aber nicht allein machen konnte und auch nicht allein machen würde. Das hier war Tom und ihr Haus und irgendwie, fand sie, sollte er mithelfen es zu gestalten. Sie zuckte die Schultern. Vielleicht sollte sie einfach ins Bett gehen. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, fühlte sie sich auch zerschlagen und müde. Außerdem war morgen ein wichtiger Tag und sie würde sich keine Augenringe leisten können.
❄❄❄
„Mitternacht“, Charlotte drehte sich auf die andere Seite und klopfte das Kopfkissen zum gefühlten hundertsten Mal zurecht.
„Hahhh!“, machte sie und schlug die Decke zurück, kletterte zum Fenster und öffnete es. Sie hielt die Nase aus dem Schrägfenster, atmete die feucht - kühle Nachtluft ein und aus. Die Unruhe, die sich nach dem Bad gelegt hatte, begann wieder aufzuflammen. Sie schloss die Augen.
„Nicht schon wieder!“ Sie presste eine Hand auf den Bauch. „Nicht schon wieder!“
Das nervöse Flattern wurde stärker, breitete sich aus. Charlotte rutschte auf dem Bett hin und her, fest entschlossen auszuharren, bis eine kühle Brise sie zittern ließ. Sie griff sie nach der Decke und wickelte sich darin ein. In der Wärme der Bettdecke begannen ihre Beine zu jucken, als würden tausende von Ameisen darüberlaufen. Langsam aber sicher wurde der Drang sich bewegen, aufspringen zu müssen immer stärker.
„Aua! Verdammte Schräge!“, fluchte Charlotte, als sie sich den Kopf an der Dachschräge anstieß. Schnell rieb sie über die heiß - schmerzende Stelle, bis eine andere Beobachtung sie überrascht innehalten ließ.
„Es ist weg.“
Der pulsierende Knoten in ihrem Bauch, das flaue Gefühl, die Anspannung, sie waren weg. Seit eben, seitdem ihr Kopf brummte, war das Kribbeln im Bauch weg. Charlotte runzelte die Stirn. Sollte das bedeuten, dass sie sich einfach nur den Schädel anstoßen müsste und sie wäre ihren nervösen Magen los? „Das ist doch keine Lösung!“, sagte sie zu ihrem Bauch, der prompt mit einem weiteren Ausstoß an Ameisen reagierte.
Charlotte krallte die Hände in die Decke.
„So nicht!“, zischte sie und warf einen sehnsüchtigen Blick durch das Fenster auf die verlassen daliegende Straße.
Was wäre, wenn sie doch noch joggen gehen würde? Regan schlief seit Stunden selig und zufrieden. Sie würde nicht mal mitbekommen, dass sie weg war. Und immerhin wollte sie sich doch bewegen. Eine Runde um den Block wäre doch eine Lösung, ohne, dass sie am kommenden Morgen überall Beulen hätte.
Aber es ist mitten in der Nacht! Da geht man nicht joggen!, warnte eine Stimme in ihr. Außerdem wäre Regan allein. Egal ob sie schläft oder nicht. Das kannst du nicht machen!
Charlotte zerrte das Fenster zu und warf sich zurück auf ihre Seite des Bettes. Sie verschränkte die Arme auf der Decke, blieb eine Weile so liegen. Als das nichts half, griff sie nach ihrem Anhänger, rieb ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie presste die Augen fest zusammen.
„Schlaf Kindchen schlaf! Dein Vater ist ein Schaf! Deine Mutter ist ein Trampeltier, was kannst du armes Kind dafür? Schlaf Kindchen schlaf!“, zischte sie. Aber auch das wirkte nicht. Wütend zog sie das Kissen über ihren Kopf, verharrte einige Minuten so und zog das Kissen wieder herunter. Sie warf sich auf den Rücken, starrte minutenlang die Decke an. Es brachte alles nichts. Wütend strampelte sie die Bettdecke weg und stapfte zu ihrer Handtasche hinüber, kramte darin, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Mit einem Tablettenstreifen in der Hand ging sie in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Nachdem sie die Tablette geschluckt hatte, sank sie auf das Sofa. Sie wusste, es würde es noch eine Weile dauern, bis die Wirkung einsetzte. Gelangweilt griff sie nach der Fernbedienung und zappte durch die Kanäle.
❄❄❄
„Warum ist das so hell?“ Charlotte und stemmte sich auf ihre Unterarme. Sie schob die Augenbrauen zusammen und blickte an sich herab.
Wann hatte sie sich hingelegt?, fragte sie sich.
Endgültig in eine sitzende Position gekommen, wischte sie sich mit einer Hand über die Augenbrauen und schluckte ein paar Mal, um den metallenen, etwas an Lavendel erinnernden Geschmack, aus dem Mund zu bekommen. Neben ihr schmatzte etwas.
„Regan, bist du das?“ fragte Charlotte und rieb sich die Augen. „Es ist mitten in der Nacht. Was machst du hier? Und warum ist das so hell?“
„Nö“, sagte Regan und Charlotte sah verschwommen, wie sie etwas hob, was vermutlich ein Löffel war und es in den Mund schob.
„Was isst du da?“
„Gummibärchen.“
„Mit nem Löffel?“ Charlotte kniff die Augen zusammen, als das Licht aus dem Garten sie blendete. Von wegen mitten in der Nacht! Es musste bereits heller Morgen sein, denn so ein Licht hätte man nicht mal mit einer ganzen Batterie an Flakscheinwerfern hinbekommen.
„Gott, ist das hell!“ Sie hob den Arm vor das Gesicht und blinzelte. „Wie spät ist es eigentlich?“
Regan zuckte die Schultern. „Keine Ahnung“, sagte sie und stopfte noch einen Löffel in den Mund.
„Hast du Tom gesehen?“
„Nö.“
„Ist der immer noch nicht da?“ Charlotte seufzte, tastete nach der Fernbedienung, die ihr schmerzhaft in die Seite stach.
„Kann ich Cartoons sehen?“
Charlotte unterdrückte einen Fluch und warf ihrer Tochter die Fernbedienung zu. „Hier. Aber nur weil ich heute Morgen keine Lust auf Streit habe! Und wenn ich sage du sollst ausmachen, dann machst du aus. Ist das klar?“
Regan nickte.
„Und hör auf das Zuckerzeug zu essen!“
Immer noch schläfrig erklomm Charlotte die Stufen in den ersten Stock. Als sie in ihr Schlafzimmer kam, entdeckte sie Thomas. Er saß auf dem Bett und knotete gerade die Schnürsenkel seines rechten Sportschuhs.
„Hey!“, sagte er, als er aufblickte und Charlotte entdeckte.
„Hey“, gab Charlotte matt zurück und musterte sein Outfit. „Du siehst gerade zu unnatürlich wach aus. Wie machst du das? Und was ist das für ein lächerliches Outfit?“
Thomas grinste. „Mein Sportoutfit. Ich geh ne Runde laufen. Das macht fit. Willst du mitkommen, dann warte ich noch.“
„Laufen? Vor dem Frühstück?“ Charlotte blinzelte. „Nein danke. Sag mal, wann bist du eigentlich gekommen?“
„Ähm... Heute Morgen irgendwann.“ Thomas stopfte sein Handy in die Tasche seiner Laufhose.
„Na klasse. Ich hab auf dich im Wohnzimmer gewartet.“
„Gewartet!“ Thomas lachte. „Wohl eher vorm Fernseher geschlafen!“
„Und da hast du mich nicht geweckt?“
Thomas zuckte nur die Schultern.
„Du lagst gut da, wo du warst und ich wollte nur noch ins Bett, also ...“ Thomas gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze und lief zur Schlafzimmertür, zog Kopfhörerkabel aus seiner Hosentasche und steckte sie in seine Ohren. Er winkte noch mal und dann hörte Charlotte ihn im Laufschritt die Treppe hinunter poltern.
„Nur nicht so motiviert! Man könnte meinen, du läufst vor mir davon.“