Читать книгу Lotte in London - Victoria Benner - Страница 6

3.

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Die Straße, in die der Wagen eine gute Stunde später einbog, war mit Kopfstein gepflastert und auf beiden Seiten von hohen Häusern, mit brauner Klinkerfassade gesäumt. Charlotte sah aus dem Fenster und wunderte sich, wo hier ein Haus mit Garten hineinpassen sollte.

„Außerdem wird das auch überhaupt nicht auffallen, dass Thomas Donoghue in dem einzigen kleinen, schnuckligen Haus lebt, zwischen all diesen mindestens fünfstöckigen Mietskasernen. Das findet jeder Fan auf Anhieb! Das ganze Theater hätten wir uns sparen können!“, murmelte sie, drehte den Anhänger hin und her und lehnte den Kopf müde gegen die Scheibe.

„Wie bitte?“, fragte der Fahrer.

„Nichts.“

„Keine Sorge, wir sind gleich da“, sagte der Fahrer. „Es scheint uns keiner gefolgt zu sein.“ Als sie sich zu ihm wandte, lächelte er. „Sie haben sich wohl alle auf Tom gestürzt.“

„Ja, scheinbar.“

Er bog um eine Ecke in der Straße und lenkte den Wagen an den Bürgersteig vor einem Haus mit Schrägdach und hielt. „Da wären wir.“

Charlotte warf einen Blick aus dem Fenster.

„Offensichtlich“, murmelte sie und stieg aus dem Wagen.

Der Fahrer folgte ihr und Regan kletterte aus dem Fond.

„Das ist aber nicht sehr groß“, bemerkte Regan. „Und wo ist der Garten? Ich seh keinen Garten.“

„Könnte das daran liegen, dass der hinter dem Haus ist?“, erwiderte Charlotte und erntete einen finsteren Blick von ihrer Tochter.

„Hier sind die Schlüssel.“, beflissen händigte der Fahrer Charlotte einen silbernen Ring aus, an welchem drei Schlüssel hingen. „Der Große ist für die Garage. Der ganz Kleine für den Briefkasten und der Letzte für die Haustür“, er hielt inne, „Vorausgesetzt Sie brauchen nichts mehr, würde ich jetzt fahren“, meinte er.

„Kein Problem. Wir haben alles was wir brauchen. Gehen Sie nur. Wir wollen Sie nicht aufhalten. Danke fürs Herbringen.“

„Oh, nichts zu danken.“ Der Fahrer lief bereits in Richtung Wagen, als er das sagte.

„Sicher“, meinte Charlotte und ging auf das Haus zu. Irgendwie musste sie Regan recht geben. Es war wirklich nicht sehr groß. Hatte Thomas nicht was von einem Obergeschoss erzählt? Sie blickte an der Hausfassade nach oben. Doch dort fand sie nur das von Dachfenstern durchbrochene Dach.

„Seit wann nennt man einen ausgebauten Dachstuhl ein Obergeschoss?“, sagte sie in verächtlichem Ton, bevor sie beschloss durchzuatmen und abzuwarten. Thomas war dermaßen begeistert von dem Haus gewesen, vielleicht sollte sie ihm und dem Ganzen eine Chance geben? Vielleicht war es innen wirklich größer, als es von außen wirkte? Wie genau das funktionieren sollte, war ihr ein Rätsel, aber vielleicht hatte der Architekt irgendwas mit der Tiefe gemacht?

Resolut steckte sie den Schlüssel ins Türschloss. Hinter der massiven weißen Haustür erwartete sie ein enger Flur, an dessen Ende Licht durch die einzig offene Tür fiel. Neugierig darauf, was sie dahinter erwartete stellte Charlotte ihre Handtasche auf der nahestehenden Kommode ab.

„Ich geh nach oben!“ Regan schoss an ihr vorbei, die Treppe hoch, die in den ausgebauten Dachstuhl, oder aber das Obergeschoss, wie Thomas es so schwärmerisch nannte, führte.

„Ja, aber mach keine Dummheiten“, warnte Charlotte sie.

Langsam ging sie auf das Lichtrechteck am Ende des Flurs zu, um sich in der Küche wiederzufinden. Das Erste, was ihr ins Auge sprang, waren die Küchenmöbel. Ober- und Unterschränke erstrahlen in Weiß. Unschuldigem, sauberem, kühlem Weiß. Charlotte schloss die Augen und ließ den Kopf hängen.

„Auf denen sieht man innerhalb kürzester Zeit jeden Fleck“, murmelte sie und fuhr sich durch die Haare. Hatte sie ihm nicht erklärt, dass man mit einem Kind im Schlepptau andere Prioritäten hatte, als schöne Küchenmöbel? Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte sie die Arbeitsflächen und den Kühlschrank.

„Mattierte Edelstahloberflächen! Das ist nicht dein Ernst!“ Fassungslos schüttelte sie den Kopf, drehte sich auf der Stelle um und lief zu ihrer Handtasche zurück und zückte ihr Handy.

„Hey Schatz!“, seine Stimme überschlug sich vor Freude.

Charlotte stemmte die freie Hand in die Hüfte. „Hey“, gab sie zurück.

„Seid ihr schon angekommen?“

„Oh ja, das kann man wohl sagen!“

„Was ist denn los?“ Er klang aufrichtig verblüfft.

Charlotte stapfte durch den Flur in Richtung Küche zurück und stellte sich vor den weißen Küchenschränken auf. „Was los ist?“, fragte sie. „Weiße Küchenschränke, das ist, was los ist!“

Am anderen Ende herrschte Schweigen.

„Hatten wir nicht gesagt, wir wollten keine weißen Küchenmöbel? Hmm?“, fuhr Charlotte Thomas an. „Ich meine mich erinnern zu können, dass wir uns auf so etwas geeinigt hatten. Und wenn ich mich recht erinnere, meine ich auch gesagt zu haben warum. Was auch für matte Edelstahloberflächen gilt! Die wollten wir auch nicht haben!“

„Charlotte, ich ... “

„Mattes Edelstahl! Weiße Küchenmöbel! Thomas bist du verrückt! Da sieht man jeden Handabdruck drauf und jeden Fleck!“, schimpfte Charlotte, „Wer bitte soll das putzen? Du etwa?“

Sie hörte erst ein Räuspern und dann sagte er: "Die Möbel waren schon in dem Haus drin.“

„Und du hast es genommen? Obwohl du wusstest, dass ... “

„Es sind doch nur die Küchenmöbel, herrje! Außerdem ist das Haus doch sonst sehr niedlich und die Zeit hat gedrängt. Charlotte, was hätte ich denn tun sollen? Hätte ich das Haus nicht nehmen sollen, nur der Küchenausstattung wegen?“

„Niedlich, ja das trifft es“, schnappte Charlotte und begann den Anhänger zwischen Daumen und Zeigefinger zu reiben. „Ach, und wo wir schon mal dabei sind, hattest du nicht was von einem Obergeschoss gesagt?“ Charlotte blitzte sich selbst in der matten Reflexion des Kühlschranks an.

„Das Obergeschoss kann von der Treppe aus im Flur betreten werden. Es bringt euch direkt zu den drei Schlafzimmern. Wenn du in der Küche bist ...“

„Mum! Hier gibt´s `nen Balkon! Mitten im Haus!“

Charlotte erstarrte für eine Sekunde, als sie Regans Stimme von irgendwo über sich kommen hörte. Schnell trat sie ein paar Schritte zurück, legte den Kopf in den Nacken und entdeckte sie, fröhlich winkend, wie sie, den Kopf voran, die Füße auf den unteren Streben, über ein Galeriegeländer beugte.

„Regan, nein!“ Charlotte ließ das Handy fallen. Sie riss die Arme hoch und machte eine Bewegung, als wollte sie das Kind wieder über das Geländer zurückschieben. "Runter da! Sofort!“

Langsam kletterte Regan von der unteren Strebe. „Ist doch gar nichts passiert.“

Charlotte, Regan nicht aus den Augen lassend, atmete ein paar Mal durch. „Geh weiter zurück. Bis an die Wand“, befahl sie ihrer Tochter. „So ist es gut.“ Sie hob sie einen Finger. „Ich möchte dich nie, nie wieder auf dieses Geländer klettern sehen!“, warnte sie Regan. „Weißt du was da alles hätte passieren können? Du hättest kopfüber herunterstürzen können!“

Regan zog ein beleidigtes Gesicht. „Es ist doch gar nichts passiert. Ich habe mich doch festgehalten.“

„Ja, dieses Mal. Aber das nächste Mal kann es schon ganz anders aussehen. Mit so etwas spaßt man nicht!“

Regan verdrehte die Augen.

„Das ist nicht witzig!“ Charlotte beugte sich nach dem Handy auf dem Fußboden und hob es langsam ans Ohr.

„Ich möchte, dass du jetzt sofort da runterkommst. Hierher zu mir. Und dann sehen wir weiter“, sagte sie zu ihrer Tochter. „Keine Widerrede!“

Charlotte beobachtete, wie Regan verschwand und hörte sie kurz darauf auf der Treppe, die in den Flur führte.

„Wir haben eine Galerie?“, zischte sie in das Handy.

„Oh, ihr habt sie schon entdeckt.“ Er schien nicht mal den Versuch sich zu verteidigen machen zu wollen.

„Ob ich sie schon entdeckt habe? Regan hat sie entdeckt. Und ich frage dich noch mal: Wir haben eine Galerie? Ist das dein Ernst?“

„Sie macht sich doch gut.“

„Ja, besonders als Indoor Klettergerüst für Kinder!“, fauchte Charlotte. „Bist du wahnsinnig? Weißt du, was da alles passieren kann? Hast du dir mal überlegt, wie das hier aussieht, wenn allein nur Regan durch das Haus tobt? Wie soll das erst werden, wenn sie mal Freunde mitbringt?“, fuhr sie ihn an. „Sehr schön. Setz dich da hin. Ich überlege mir gleich was für dich“, sagte sie zu Regan und drückte sie auf das Sofa.

„Kann ich nicht in den Garten?“, fragte Regan.

Charlotte warf einen schnellen Blick aus der Terrassentür. „Garten?“, entfuhr es ihr. „Wohl eher ein Gefängnishof! Aber ja, das sieht sicher aus. Zumindest wirst du da wohl kaum türmen können“, meinte sie und öffnete die Terrassentür. „Und mach keinen Blödsinn. Ich bin nur kurz oben und sehe mir die Zimmer da an.“

„Schon klar.“

„Thomas, das hier ist eine Katastrophe bis jetzt“, zischte sie ins Telefon. „Allein hier im Untergeschoss stimmt gar nichts.“

Sie stieg die Treppe in den zweiten Stock hoch. „Ich meine, so viel Platz gibt es nicht mehr in diesem Kasten. Ich denke also nicht, dass mich hier oben noch irgendwelche Überraschungen erwarten werden.“

„Charlotte, halte mal die Luft an“, meinte Thomas. „Ich weiß gar nicht, was du willst! Das Haus ist ein Traum! Wir haben an die Hundertzwanzig Quadratmeter und das noch in der besten Lage Londons! Abgesehen von dem Garten! Ich verstehe gar nicht, warum und worüber du dich so aufregst!“

„Worüber ich mich aufrege?“ Charlotte warf einen skeptischen Blick in das erste Zimmer, das von der Galerie abging. Es war vollständig zugestellt mit drei Bücherregalen und einem schmalen Bett. „Ein Gästezimmer? Oder soll das Regans Zimmer sein?“

„Du bist also oben“, stellte er fest. Charlotte fand, es kam genervt rüber.

„Ja, stell dir vor, ich bin oben. Und ich darf gerade das famose „Kinder – Schrägstrich - Gästezimmer“ bewundern. Aha, das ist dann wohl unser Schlafzimmer. Zumindest vermute ich es, da hier ein Doppelbett steht. Zugegeben, viel mehr passt auch nicht rein“, schimpfte Charlotte.

Sie hörte ihn scharf einatmen. „Jetzt mach aber mal `nen Punkt!“

„Was? Ist doch so! Hast du dir das Zimmer mal angesehen?“, ereiferte sich Charlotte. „Hier steht das Bett drin und am anderen Ende gibt es noch diesen Schrank. Aber für mehr ist kein Platz! Kannst du mir sagen, wo ich mein Zeug unterbringen soll?“

„So klein ist der Raum nun auch wieder nicht. Der Schrank ist groß genug für uns beide. Aber wenn du meinst, dass deine aus Deutschland mitgebrachten Galaroben da nicht reinpassen, bin ich sicher, dass wir auch noch eine Kommode oder so was im Schlafzimmer unterbringen können.“

„Galaroben hängt man in einem Schrank auf! Und noch so einer passt hier nicht mehr rein!“, sagte sie. „Aber weißt du was, wir können einfach einen großen Schrank kaufen und stellen den auf die Galerie. So schirmt er das Geländer ab und wir haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir haben Platz für unsere Sachen und gleichzeitig die Gefahrenquelle Galeriebrüstung aus dem Weg geräumt!“

Er murmelte etwas Unverständliches.

Sie öffnete eine Tür und spähte in einen Raum, der seitlich vom Schlafzimmer abging. "Ein Bad. Ein kleines Bad. Mit einer sehr kleinen Badewanne! Was soll das sein? Etwa das Masterbad?“

"Wenn du ein größeres Bad willst, nimm das unten im Haus“, seufzte er.

„Wer hat das Ding hier gebaut?“, wunderte sich Charlotte. „Der muss sehr verwirrt gewesen sein! Was soll ich mit einem Bad, in dem ich mich kaum bewegen kann? Noch dazu, wenn es an den Masterbedroom angrenzt. Sollte es da nicht riesig sein?“

„Offenbar nicht immer.“

„Da muss ich dir recht geben.“ Sie schloss die Tür. „Weißt du was ich dir vorschlage?“, fragte sie.

„Nein.“

„Wir reißen das Bad raus und machen einen begehbaren Kleiderschrank draus. So ein lächerliches kleines Bad ist die pure Raumverschwendung!“

Er seufzte nur.

„Ich weiß nicht, was dich getrieben hat, dieses Ding hier zu kaufen! Bitte sag mir, dass du besoffen warst oder unter Drogen, als du den Vertrag unterschrieben hast!“

„Charlotte“, seine Stimme war jetzt leise, aber drohend, „Ich weiß, dass du einen harten Tag hattest und das es dich aufgeregt hat, was am Flughafen passiert ist. Das will ich alles mal zu deinen Gunsten sprechen lassen. Und ja, ich rechne auch mit ein, dass das Haus nicht ganz deinen Vorstellungen entspricht. Aber so ist das nun im Leben, das Hundertprozent - Sorglos Paket gibt es nie! Du wirst immer Abstriche machen müssen!“

„Thomas“, versuchte Charlotte ihn zu unterbrechen.

„Nein! Jetzt rede ich! Ich habe mir deine Tiraden lang genug angehört und ich glaube nicht, dass ich mir noch mehr anhören muss. Das Haus ist groß genug für uns alle. Es ist in einem guten Stadtteil. Es ist umgeben von guten Schulen und die Lage ist in Ordnung. Es hat einen Garten.“

„Ein Gefängnishof!“

„Egal, wie klein er ist, es ist ein Garten! Und mit etwas Elan und Fantasie kann man auch aus kleinen Gärten eine Oase machen!“

„Und wer soll diesen Elan aufbringen? Doch nicht etwa ich, oder? Du weißt wohl, dass bei mir jede Grünpflanze eingeht“, spottete Charlotte.

„Dann hast du ja jetzt ein Feld zum Üben“, meinte er nur bissig. „Charlotte, ich habe uns ein Haus besorgt, nach den Auflagen, die du mir gegeben hast und in der Zeit, die du mir gegeben hast. Es tut mir leid, sollte es nicht ganz deinen Vorstellungen entsprechen, aber irgendetwas musste ich nehmen. Und da du es vorgezogen hast, alle anderen Häuser und Wohnungen abzulehnen, blieb nichts Anderes übrig. Oder wäre es dir lieber gewesen, wir wären in das alte Haus gezogen?“

Charlotte schwieg.

„Dachte ich es mir doch. Ich schlage vor, wir vergessen das Ganze und einigen uns darauf, dass wir heute alle einen stressigen Tag hatten. Wir einigen uns darauf, dass nicht alles so gelaufen ist, wie wir das wollten, dass wir aber froh sind, endlich zusammen zu sein.“

„Außer dem Fakt, dass du nicht hier bist“, gab Charlotte zurück.

„Ja, nun, heute Abend wird sich das sicherlich ändern. Ich habe meine Schwester um ihr Auto gebeten, damit mich die Fotografen nicht erkennen, wenn ich zu euch fahre. Ich denke, ich werde noch ein paar Stunden hier bleiben, bis der Großteil der Meute da draußen aufgegeben hat. Ich soll dich auch schön grüßen. Von meiner Mutter und meiner Schwester. Sie können es kaum erwarten dich und Regan endlich kennenzulernen.“

„Ja toll“, motzte Charlotte.

„Kein Problem, natürlich werde ich sie von dir herzlich zurückgrüßen“, bot Thomas an. „Wir sehen uns heute Abend.“

„Tu das. Bis heute Abend.“ Mit saurer Miene legte Charlotte auf.

Lotte in London

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