Читать книгу Lotte in London - Victoria Benner - Страница 7

4.

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„Mist! Mist! Auch Mist!“ Charlotte drückte den Ausknopf an der Fernbedienung und warf sie auf das Sofa. „Nur Mist!“, wiederholte sie.

Was nutzte es einen Fernseher zu haben, der so groß war wie eine Kinoleinwand, wenn doch nur Blödsinn geboten wurde. Als ob die Dummheiten der Talkshows weniger hohl würden, wenn man sie in extra breitem Format gezeigt bekam.

Sie schürzte die Lippen.

Wem machte sie sich eigentlich was vor? Sie wusste doch ganz genau, dass es nicht am Fernseher oder an dem was geboten wurde, lag, dass sie sich so schlecht fühlte.

Jetzt lief sie im Wohnzimmer auf und ab, auf die Stille im Haus lauschend, die nur von dem einen oder anderen vorbeifahrenden Wagen durchbrochen wurde.

Charlotte presste die Hände auf die Ohren. Dies Stille im Haus war nicht zu ertragen!

Wenn nur jemand hier wäre, dachte sie. Jemand zum Reden, jemand, der Lärm macht, dachte sie und überlegte, ob sie nicht doch den Fernseher wieder anstellen sollte. Keine Lust, dachte sie. Darauf hab ich jetzt keine Lust!

Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei der Terrassentür, riss sie auf und trat hinaus in den Garten. Sie lehnte sich gegen die Hauswand und atmete die kühle Luft ein paar Mal tief ein. Langsam wurde sie ruhiger. Die drückende Stille, die vorhin auf ihr gelastet hatte, war gewichen und Charlotte fühlte, wie die Anspannung der letzten Stunden ihren Körper verließ. Langsam griff sie nach ihrem Anhänger und zwirbelte das Band zwischen Daumen und Zeigefinger.

In der Nacht sieht der Garten gar nicht mehr so hässlich aus, überlegte sie und zeichnete die Konturen der Schneeflocke nach. Neugierig besah sie sich die erleuchteten Fenster der gegenüberliegenden Häuser und Sehnsucht beschlich sie, als sie sich vorstellte, dass hinter all diesen erleuchteten Vierecken andere Menschen ihrem täglichen Leben nachgingen. Ihrem täglichen Glück oder ihren alltäglichen Sorgen. Neidisch bemerkte sie in einem Fenster zwei verschwommene Schatten, die zu einem verschmolzen und sich wieder voneinander lösten.

„Ach, ja, was muss Liebe doch schön sein“, seufzte sie, bis ihr aufging, dass auch sie das hätte haben können. Mit einem Mal verspürte sie keine Lust mehr auf fremdes Glück und Liebe, die ihr nicht gehörte. Abrupt ließ sie die Hand, die sie um die Schneeflocke geschlossen hatte, sinken und drehte den gegenüberliegenden Häusern den Rücken zu.

„Das Haus.“ Sie seufzte, als sie der Terrassentür gegenüberstand.

Das Haus war der absolute Höhepunkt gewesen.

Es war ein hübsches Häuschen. Für einen alleinstehenden Mann oder ein kinderloses Paar gut geeignet. Aber für eine Familie nicht ganz das Passende. Sicher, sie musste ihm recht geben, dass er vermutlich das Beste getan hatte, was er in der kurzen Zeit hatte erreichen können. Sie hatte schließlich auf einem neuen Haus bestanden. Theoretisch hätten sie auch in sein altes Haus ziehen können. Das hätte den Anforderungen besser entsprochen. Wesentlich größer, am Stadtrand gelegen und einen größeren Garten hätte es auch gehabt.

„Nicht so einen Gefängnishof!“, murmelte sie.

Aber es wäre nie ihr Haus gewesen. Es war das Haus, dass Thomas mit seiner Ex Norah gekauft hatte. Es wäre das Haus gewesen, für das er mit Norah Möbel ausgesucht hatte. Es wäre das Haus, dass Norah, das Model, dekoriert und eingerichtet hatte. Es wäre Norahs Haus gewesen.

Nicht einen Fuß hätte sie dort über die Türschwelle gesetzt, geschweige denn darin gewohnt! Wenn er mit ihr eine Beziehung wollte, dann auf neutralem Boden und nicht auf einem an dem es ihr aus jeder Ecke „Norah!“ entgegen schrie.

Fröstelnd legte sie die Arme um ihren Körper. Es war doch kälter als sie gedacht hatte. Langsam ging sie in das immer noch stille Haus und warf einen Blick auf die Uhr.

Schon nach Neun, dachte sie. Er hätte schon längst hier sein können.

Sie presste die Hand auf den Bauch, als sie dort einen Schmerz spürte, als wenn eine Eisenstange von innen heraus durch die Bauchdecke brechen wollte.

Vermutlich wird er von seiner Mutter aufgehalten und mal ehrlich, überlegte sie, so wie du ihn vorhin behandelt hast, würdest du da freiwillig nach Hause kommen?

Sicher nicht, gab sie sich selbst die Antwort und presste die Lippen aufeinander. Energisch schloss sie die Tür und zog den Vorhang vor.

Wieder durchbrach das Brummen eines Autos auf dem Kopfsteinpflaster das Schweigen im Haus und sie spitzte die Ohren, als es langsamer wurde, anhielt und eine Tür klappte.

„Honey, ich bin zu Hause!“

Rasch lief sie zur Küchentür. Ihr Herz klopfte schneller, als sie sah, wie er die Tür hinter sich zuschob, den Schlüssel auf die Kommode warf. Seine blauen Augen funkelten in dem Lichtschein, welcher hinter ihr durch die Tür fiel und sie merkte, dass er sich kleiner machte, als er es war, indem er den Kopf einzog, als er auf sie zukam.

Wie immer, wenn er unsicher ist oder sich schuldig fühlt, dachte Charlotte und es gab ihr einen Stich.

„Tom“, flüsterte sie und lief auf ihn zu.

„Oh, war ich zu laut? Tut mir leid. Regan schläft wohl schon, wie?“, meinte er und blieb mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck stehen.

„Du bist da!“, flüsterte Charlotte, warf sich in seine Arme.

„Hey!“, wisperte er und hielt sie fest. „Nicht so stürmisch!“ Er löste eine seiner Hände von ihrer Taille und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Charlotte blinzelte. „Ich dachte, du kommst heute gar nicht mehr zurück“, brachte sie heraus, schluckte, weil ihr Magen einen Überschlag machte, als sie in seine Augen sah. „Du hast mir so gefehlt“, flüsterte sie.

Thomas gab ein leises Lachen von sich, das durch seinen ganzen Körper lief. „Wenn ich ab jetzt immer so empfangen werde, komme ich jederzeit gern nach Hause“, sagte er und beugte sich zu ihr herunter, um ihr einen innigen Kuss zu geben. Als sie sich atemlos trennten, begann Charlotte: „Ich ... ich wollte mich für vorhin entschuldigen.“ Sie schluckte. „Das sollte alles ganz anders laufen“, gestand sie ihm. „Ich wollte dich nicht so runtermachen. Es ist nur alles so blöd gelaufen. Erst am Flughafen und dann das Haus.“

Er sagte nichts, sondern zog sie nur mit sich, lehnte sich bequem gegen die Flurwand. „Hmmm“, machte er nach einer Weile und Charlotte spürte den Laut in seinem Körper vibrieren.

„Du weißt doch, wie ich bin“, verteidigte sie sich. „Manchmal bin ich einfach ... “

„Unausstehlich?“

„Temperamentvoll!“, gab Charlotte zurück, und als sie zu ihm aufblickte, sah sie seine Augen in dem Gespinst aus Lachfältchen spöttisch funkeln. Sie rümpfte die Nase. „Ich versuche mich hier zu entschuldigen und was machst du?“

„Ich helfe dir dabei.“

„Na danke! Was ich meine ist, es tut mir leid, und wenn ich könnte, würde ich die Zeit am liebsten zurückdrehen. So habe ich mir die ersten Stunden unseres gemeinsamen Lebens nämlich nicht vorgestellt.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Nicht? Wie sonst?“

Charlotte sah ihn schief an.

„Das interessiert mich jetzt, wirklich.“

„Ach komm, du weißt wie.“, meinte Charlotte und das Blut schoss ihr in die Wangen.

Er schüttelte nur den Kopf.

„Tom!“

„Nein, keine Ahnung“, sagte er. Als Charlotte sich aus seinen Armen winden wollte, setzte er hinzu: „Aber du kannst es mir gern zeigen, wenn du willst!“ Er grinste.

„Ich glaube, ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon du redest“, sagte sie und versteifte sich in seinen Armen.

Er lachte laut heraus, erstickte den Lacher aber kurz darauf, indem er sich eine Hand vor den Mund hielt. „Als ob du die Unschuld vom Lande wärst!“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Komm schon, erzähl mir nicht wir denken nicht das Gleiche.“ Sein Atem streifte ihren Hals, als er sich herabbeugte und mit seiner Nase ihre Schulterbeuge streifte „Als ob du nicht genau wüsstest“, der Rest seiner Worte verlor sich in ihren Haaren.

Charlotte unterdrückte ein Zittern, als er ihren Pullover über ihre Schulter schob und ihr einen Kuss auf ihren Nacken gab.

„Was ich will.“ Er tauchte aus ihren Haaren auf und musterte sie.

„Hausführung?“

„Eine Hausführung?“, echote er.

In seiner Miene konnte Charlotte die Verwirrung ablesen, die sich in ihm ausbreitete. „Ja. Eine Hausführung“, sagte sie und musste schmunzeln. „Und ich würde sagen, wir fangen im Schlafzimmer an. Glaubst du, du kannst mir folgen?“, sie löste sich von ihm, griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich.

„Dir?“, gab er zurück. „Immer und überallhin.“

Lotte in London

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