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Kapitel 6

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Es dann aber zu hören, war dann doch etwas anderes. Zum Glück fuhr meine Mutter dazwischen, denn ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was ich hätte sagen oder tun sollen.

„Anouk ist MEINE Tochter OHNE eine“, sie schnaubte verächtlich, „ohne eine nennenswerte Vaterfigur!“

Sie sagte es in einem so kalten Ton, dass mir der Kriegertyp beinahe leidtat. Doch anstatt auf ihren Tonfall einzugehen und wie jeder andere vernünftige Mensch die Flucht zu ergreifen, lachte er wieder aus vollem Halse.

„Du hattest schon immer viel Temperament, ungewöhnlich für eine Albi, meinst du nicht auch?“

Während die beiden weitere Seitenhiebe austauschten, musterte ich ihn. Die Ähnlichkeit zwischen uns war unverkennbar. Wir hatte dieselben Augen, oder na ja, in seinem Fall Auge, dieselben hohen Wangenknochen, denselben vollen Mund. Aber warum kreuzte er jetzt mit seinem Hühnerstall, wie meine Mutter netterweise das schwarze Getümmel um ihn herum bezeichnete, hier auf, und dann auch noch in so einem Aufzug? Sein Auge lag plötzlich auf mir. „Hat deine Mutter dir jemals gesagt, was du bist?“ Neben mir schnappte meine Mutter nach Luft. „Wage es nicht, auch nur einen Ton zu sagen, Odin!“ Odin, war das nicht so ein alter germanischer Gott?

Egal, ich hatte irgendwie das dumpfe Gefühl, in irgendeinem Actionfilm festzustecken. Etwas linkisch kam ich mir schon vor, als ich tatsächlich mit meinem anscheinend völlig gestörten Vater redete. „Ähm, also, du bist also wirklich …“ Ich brachte das Wort Vater nicht über die Lippen, also war er so gütig, meinen Satz zu vervollständigen. „… Vater“, nickte er. Ich atmete geräuschvoll aus. „Und was wolltest du mir vorhin sagen, bevor, ähm, na ja …“ Ich deutete unbeholfen auf meine Mutter.

Er verstand und zeigte kurz mit dem Kinn in Richtung Flur. „Ich denke, wir sollten das lieber drinnen besprechen, wo du dich hinsetzen kannst.“

Ich runzelte die Stirn, das klang ja mal vielversprechend, warum nicht gleich auch noch den Krankenwagen rufen? Anscheinend schien diese Idee meiner Mutter nicht so zu behagen, denn sie räusperte sich und machte schon den Mund zum Protestgeschrei auf, als mein Vater (irgendwie komisch von heute auf morgen einen zu haben) ihr zuvorkam. „Bevor du jetzt richtig loslegst, denk auch an das Wohl unserer Tochter!“ Ups, das war wohl ein Schuss in den Ofen, ich meine: Hallo, welche Mutter lässt sich gerne als selbstsüchtig bezeichnen?!

Die Luft um sie schien förmlich zu knistern und, ach du liebe Zeit, waren das etwa Lichtfunken, die aus ihren Fäusten sprühten?

Ich spürte, wie meine Augen groß wurden. Doch anstatt wieder diese krasse Energienummer wie vorhin abzuziehen, beließ meine Mutter es dabei und sagte abfällig: „Im Gegensatz zu dir denke ich sehr wohl an das Wohl MEINER Tochter und war, im Gegensatz zu DIR, die letzten sechzehn Jahre für sie da!“ Autsch, das hatte sicher wehgetan.

Ich sah, wie seine Schultern leicht nach vorn sackten und sein überirdischer Schein etwas gedämpft aussah. Eins zu null für Mama, denn da hatte sie wirklich recht. Müde fuhr er sich über die Augen und sein Tonfall war so resigniert, als ob er gerade seinen besten Freund verloren hätte. „Wir haben keine Zeit mehr, Liv. Ihre Magie kommt zum Vorschein, ich kann es spüren. Wenn du wirklich das Beste für Anouk willst, dann lass mich ihr alles in deinem Beisein erklären und sie nach Halvar bringen, den einzig sicheren Ort für jemanden wie sie.“

Jemanden wie mich, na danke.

Meine Mutter war im Laufe des Gespräches immer blasser geworden und schien mit der Hauswand verschmelzen zu wollen. Völlig aufgelöst stemmte sie die Hände in die Hüften. „Aber das kann nicht sein, ich habe immerzu ihr Gedächtnis gelöscht, wenn sie wieder angefangen hat zu träumen, ebenso wie meine ganzen Runen, die ich überall im Haus habe. Wir haben die Wandlung schon ihr ganzes Leben unterdrückt! Ich verstehe nicht, was schiefgelaufen ist.“ Verzweifelt warf sie die Arme in die Luft.

Wie bitte? Hatte ich da richtig gehört? Sie hatte mein Gedächtnis gelöscht und meine Wandlung, was auch immer das sein sollte, mit Runen unterdrückt, dieses Gekrakel von den Urmenschen? Okay, das war jetzt vielleicht übertrieben, trotzdem hoffte ich, dass sich das hier alles als ein dummer Scherz entpuppen würde.

Doch mein Vater spielte seine Rolle weiter und entgegnete nüchtern: „Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr.“

Seine letzten Worte klangen so bitter, dass ich ihm wieder ins Gesicht schaute. Er sah traurig aus. Bevor ich jedoch lospoltern konnte, was hier eigentlich gespielt wurde, hörte ich meine Mutter seufzen: „Anouk, wir müssen dir etwas sagen. Du bist nicht so wie andere Jugendliche.“

Oh, oh, wenn Eltern das sagten, dann folgte meistens nichts Gutes. Gleich würden sie mir sagen, dass ich etwas Besonderes sei und in eine besondere Wohnanstalt namens Psychiatrie gehören würde, und Psychiatrie dabei so komisch betonen, dass es wie ein tolles Fremdwort klang. Und schon ging’s los. „Anouk, du bist etwas ganz Besonderes.“

Oh, ich war ganz besonders. Vorsicht!

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