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1. Der spanische Christus2

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Jahrhunderte hindurch hatten die spanischen Christen den maurischen Eroberern der iberischen Halbinsel zähen Widerstand geleistet. Ihre Agonie spiegelt sich in eindrücklichen Bildnissen des leidenden und sterbenden Christus.

Dieser wie der Tod unsterbliche Christus ersteht nicht auf. Wozu auch? Er wartet auf nichts anderes als auf den Tod. Aus seinem halb geöffneten Mund, der schwarz wie das unentzifferbare Mysterium ist, fließt er dem Nichts entgegen, zu dem er niemals gelangt … Dieser Leichnam Christi, der als solcher nicht denkt, der vom Schmerz des Denkens und von Beklemmung frei ist, die Seele überlastet mit Trauer, bat den Vater, ihm den Leidenskelch zu ersparen … Und wieso soll ihn der Gedanke schmerzen, wenn er bloß von Blut, von geronnenem schwarzen Blut verkrustetes feuchtes, totes Fleisch ist? … Dieser spanische Christus, der nie gelebt hat, schwarz wie der Mantel der Erde, liegt flach da, hingestreckt, entseelt und hoffnungslos, mit geschlossenen Augen, das Antlitz zum Himmel gerichtet, der mit Regen geizt und das Brot versengt.3

Der ersten Atlantiküberquerung des Kolumbus im Jahr 1492 unmittelbar vorausgegangen war die Rückeroberung Granadas. Die katholischen Könige Ferdinand II. von Aragon und Isabella von Kastilien gewährten ihm die Ausrüstung für seine Reise in der Euphorie dieses Sieges. Der Reconquista sollte die Conquista folgen. Kolumbus selbst war beseelt von religiösem Mystizismus. Stolz führte er seinen Namen, in dem in seltsamer Koinzidenz die Ambivalenz des Projektes deutlich wird: Christophorus, der „Christusträger“, Kolumbus (span. Colón), der „Neubesiedler“.4 Der spanische Messianismus drang auf Eroberung und Bekehrung, in dieser Reihenfolge. Christus wird entsprechend als himmlischer Monarch dargestellt.

Die beiden Bilder sind gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille der kolonialistischen Propaganda. Der sterbende bzw. tote Christus ist ein Identifikationsangebot im Leiden, ohne Hoffnung zu wecken – die Auferstehung ist fern. Noch heute ist im Volkskatholizismus Lateinamerikas der Karfreitag der höchste Feiertag.5 Die Kehrseite, Christus der Herrscher, ist verkörpert im spanischen König und den Kolonialherren, denen die Indios kniefällige Verehrung schulden. Die Christologie verkommt in beiden Fällen zum Werkzeug der Unterdrückung. Dagegen regte sich früh Widerspruch.

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