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Phase 4: Letzter Ausweg Grundeinkommen

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Inzwischen durchziehen Digitalisierung und Innovation auch die letzten gesellschaftlichen Bereiche. Die Arbeitslosenquote wächst ungebremst. Viele europäische Länder haben bereits ihre Einkommenssteuersätze und die Mehrwertsteuer erhöht, um die steigenden Sozialausgaben zu finanzieren. Immer größere gesellschaftliche Gruppen sind mit der herrschenden Politik unzufrieden: die Eliten mit den gestiegenen Steuern, die wirtschaftlich absteigende Mittelschicht mit dem mangelnden Schutz ihrer Arbeitsplätze, die Arbeitslosen mit dem alten Sozialstaat, der sie zwingt eine Arbeit zu suchen, die es nicht mehr gibt. Die umweltbewussten Befürworter einer alternativen Wirtschaft mit der staatlichen Wachstumsorientierung, der mangelnden sozialen Kontrolle der Innovation und der fortschreitenden Umweltzerstörung. Die Bevölkerung ist innovationsmüde. Politische Bewegungen mit unterschiedlichsten Zielen gewinnen weiter an Zulauf. Die Reste der alten, liberal-demokratisch orientierten Volksparteien, die sich inzwischen mehrfach neu gruppiert haben, geraten politisch immer weiter unter Druck. In dieser Situation öffnen sich viele europäische Staaten für sozialpolitische Innovationen. Sie unterstützen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, einst aus demografischen Gründen eingeführt, wird rückgängig gemacht. Damit die jüngere Generation mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommt und ihr Potenzial für die weitere Digitalisierung und Innovation nutzen kann. Die immer mühsamer aufrechterhaltene Fiktion einer auf Massenarbeit basierenden Gesellschaft wird offiziell aufgegeben. Bildung wird zur zentralen Zukunftsinvestition, alle Bürgerinnen und Bürger erhalten eine lebenslange staatliche Förderung für Bildungszwecke. Als Konzession an die alle gesellschaftlichen Schichten durchziehende Innovationskritik beschließen manche Regierungen, Forschung und Produkteinführungen, vor allem im Bereich der Biotechnologie, speziell das menschliche Enhancement, schärfer öffentlich zu regulieren. Versuche, dies auch auf globaler Ebene durchzusetzen, scheitern am Widerstand einiger in Forschung und Entwicklung weit fortgeschrittener Staaten.

Die neuen sozialen Maßnahmen lassen die gesellschaftlichen Spannungen in Europa abflauen. Arbeitslose profitieren von einem etwas höheren Einkommen und werden nicht mehr zur Jobsuche gezwungen. Ältere können, wenn sie überhaupt noch Arbeit hatten, wieder früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Minirenten werden durch das Grundeinkommen aufgebessert. Ein alternativer Lebensstil breitet sich, unterstützt vom Grundeinkommen, innerhalb der Gesellschaft aus. Zwar kann er die globale Umweltbelastung nicht verhindern, aber entlasten. Biotechnische Eingriffe ins menschliche Leben werden national beschränkt. Ein freiwilliger Wechsel aus dem Arbeitsleben ins Grundeinkommen ist, außer bei Älteren, selten. Arbeit ist inzwischen zum Privileg geworden, das man nicht leichtfertig aufgibt. Dadurch fällt die Steuerbelastung für die höchsten Einkommensgruppen, die die Hauptlast der Grundeinkommensfinanzierung tragen müssen, zunächst nicht so groß aus wie befürchtet. Beschäftigte und Arbeitslose drängen in die staatlich geförderten Bildungsangebote in der Hoffnung, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

Doch nach einiger Zeit erkennen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass ihre Hoffnungen unbegründet waren, Weiterbildung ihnen beruflich wenig nützt. Trotz Bildung verlieren sie ihre qualifizierte Arbeit an Roboter und künstliche Intelligenz im In- und Ausland. Die Zahl der Menschen, die fast ausschließlich vom Grundeinkommen leben müssen, steigt immer weiter. Zusätzliche Arbeit ist schwer zu finden und, wenn doch, nur schlecht bezahlt. Der Bildungswille lässt nach, insbesondere bei Kindern aus Grundeinkommensfamilien. Viele von ihnen sind überzeugt ohnehin keine Aufstiegschancen zu haben. Die ehemalige Mittelschicht wird wirtschaftlich immer weiter von den weltweiten Digitalisierungseliten abgehängt. Doch auch in dieser Gruppe wächst die Unzufriedenheit. In Staaten mit einem hohen Grundeinkommen steigt die Steuerbelastung auf die Topeinkommen. Angestellte mit hohen Bezügen kämpfen für eine Verbreiterung der Steuerbasis und plädieren dafür, Unternehmensgewinne höher zu besteuern, die bisher zugunsten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit weitgehend von der Finanzierung der Grundeinkommen verschont geblieben sind. Die hochqualifizierten Erwerbstätigen haben dabei die Massen, die vom Grundeinkommen leben, auf ihrer Seite. Einige westliche Staaten entscheiden sich dafür die Unternehmenssteuern zu erhöhen. Das entlastet die Beschäftigten mit Topeinkommen, dafür steigt die Unruhe unter den weltweit gestreuten Unternehmensbesitzern.

MITTELSCHICHT FÜR ALLE

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