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Mit Digitalisierung zum exponentiellen Neoliberalismus

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Auf diese schwierige wirtschaftliche und politische Konstellation trifft jetzt mit zunehmender Wucht die Digitalisierung. Nach einem langsamen Start über Großrechner, Personal Computer und Internet durchdringt sie nun Wirtschaft und Gesellschaft immer schneller. Mobiltelefone, weltumspannende soziale Netzwerke, Handelsplattformen, Roboter und künstliche Intelligenz schälen sich nicht nur als technologische, sondern auch als gesellschaftliche Revolution heraus. Vorangetrieben von marktbeherrschenden IT-Unternehmen schaffen sie neue Chancen, aber auch Gefährdungen.

Ihre Chancen erleben wir konkret anhand der neuen Produkte und Apps, die mittlerweile im Tagesrhythmus auf den Markt kommen. Wir erfahren aber auch, wie sie blitzschnell ganze Branchen umkrempeln kann und mit ihnen unsere Arbeitsplätze. Suchmaschinen und soziale Netzwerke haben innerhalb weniger Jahre die Printmedien in eine Existenzkrise gestürzt und damit auch unzählige Journalisten. Online-Shopping revolutioniert mit unserer Unterstützung den klassischen Einzelhandel. Kleine Läden kämpfen um ihr Überleben. Einkaufszentren auf der grünen Wiese verzeichnen Leerstände. Die nächste große Umwälzung wird im Automobilbau und in der Logistik stattfinden. Jede neue Pressemeldung über die Fortschritte des autonomen Fahrens führt den Truckern und Taxifahrerinnen der Welt vor Augen, dass es ihren Arbeitsplatz bald nicht mehr geben wird. Langsame Anpassung hilft nicht mehr, für die Betroffenen geht es um 100 Prozent oder gar nichts. Die Digitalisierung zerstört nicht nur etablierte Geschäftsmodelle, sie vernichtet auch damit verbundene Arbeit.

Tatsächlich ist die Digitalisierung nicht einfach der Beginn einer neuen wirtschaftlichen und sozialen Phase nach Neoliberalismus und Globalisierung. Sie bringt alle Voraussetzungen mit, sie auf die Spitze zu treiben. Beide haben sich mit geringen Ergebnissen bemüht, das wirtschaftliche Wachstum im Westen anzukurbeln. Sehr viel erfolgreicher waren sie jedoch darin, in vielen Staaten den Anteil der Arbeitsentgelte am Volkseinkommen zurückzudrehen, zum Vorteil der Unternehmensgewinne. Besonders seit den 1980er-Jahren ist die Lohnquote in den meisten Industrieländern massiv gefallen.16 Mit Beginn der intensiven Globalisierung um die Jahrtausendwende zeigte der Trend in vielen Staaten noch einmal deutlich nach unten. Die Relationen wurden weiter zugunsten der Unternehmensgewinne verschoben. In den USA lag der Anteil der Löhne und Gehälter 2011 auf dem niedrigsten Niveau der Nachkriegszeit17, in Deutschland war er 2017 wieder auf das Niveau von 1970 gesunken18. Die Digitalisierung hat das Potenzial, diese Entwicklung exponentiell zu beschleunigen. Neoliberalismus und Globalisierung haben ihr die Wege geebnet, alle Grenzen niedergerissen. Um dem Neoliberalismus zu seinen umstrittenen Erfolgen zu verhelfen, mussten noch innerstaatlich Gesetze geändert und Regulierungen abgebaut werden. Für die Digitalisierung gab es von Anfang an praktisch keine. Die Globalisierung musste in langwierigen internationalen Abstimmungsprozessen herbeigeredet werden. Das Internet setzte sich fast automatisch über alle Grenzen hinweg. Private Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft konnten und können die Digitalisierung ungehindert vorantreiben. Ohne innerstaatliche Regulierung und globale Übereinkünfte wird sie einem Virus gleich, der auf ein völlig geschwächtes Immunsystem stößt, blitzschnell die Welt erobern. Am Ende könnte ein Neoliberalismus im exponentiellen Tempo der Digitalisierung stehen.

Heute, 75 Jahre nach Erscheinen von Hayeks Buch, wächst die Gefahr, dass die neoliberalen Eliten selbst den Rest der Gesellschaft auf den Weg in die Knechtschaft führen. Nicht willentlich, aber wissentlich. Nicht durch Kommunismus, Totalitarismus und staatliche Planwirtschaft. Sondern durch die Befreiung der Massen von guter Arbeit, eigenem Einkommen und gesellschaftlichem Einfluss. Planvoll gesteuert werden sie dennoch. Nicht mit Zwang, sondern durch Überredung. Mittels Informationsselektion und Werbung, die den Einzelnen ihre Bedürfnisse nicht vorschreiben, sondern für sie vorausahnen. Die Pointe der Geschichte der neoliberalen Angst vor der sozialistischen Planwirtschaft wäre dann die nahezu in Echtzeit digital gesteuerte Marktwirtschaft, verwaltet nicht von Funktionären, sondern den Eigentümern der Algorithmen. Sie würden den Trend gegen die bezahlte Arbeit weiterführen, in nie gekannte Tiefen. Im Westen, indem sie die breite Mittelschicht ausdünnen und einem unvorbereiteten Sozialstaat überantworten. Im Rest der Welt, indem sie die hoffnungsvoll aufstrebenden Mittelschichten, die noch nicht einmal das westliche Einkommensniveau erreicht haben, in ihrer Entwicklung stoppen. Ohne dass diese überhaupt Zeit hatten, angemessene soziale Absicherungssysteme aufzubauen.

MITTELSCHICHT FÜR ALLE

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