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Philosophie als Eros des Denkens

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Wer also, sprach ich, Diotima, sind denn die Philosophierenden, wenn es weder die Weisen sind noch die Unverständigen? – Das muss ja schon, sagte sie, jedem Kinde deutlich sein, dass es die zwischen beiden sind, zu denen auch Eros gehören wird. Denn die Weisheit gehört zu dem Schönsten und Eros ist Liebe zu dem Schönen, so dass Eros notwendig weisheitsliebend ist, und also als philosophisch in der Mitte zwischen den Weisen und Unverständigen steht. Und auch davon ist seine Herkunft Ursache; denn er ist von einem weisen und wohlbegabten Vater, aber von einer unverständigen und dürftigen Mutter. Dies also, lieber Sokrates, ist die Natur dieses Dämons. Was du aber glaubtest, das Eros sei, ist nicht zu verwundern. Du glaubtest nämlich, wie ich aus dem, was du sagst, vermuten muss, Eros sei das Geliebte, nicht das Liebende. Daher, meine ich, erschien dir Eros so wunderschön. Denn das Liebenswerte ist auch in der Tat das Schöne, Zarte, Vollendete, Seligzupreisende. Das Liebende aber hat ein anderes Wesen, so wie ich es beschrieben habe. – Darauf sagte ich, Wohl denn, Freundin, denn du hast wohl gesprochen. Wenn nun aber Eros ein solcher ist, welchen Nutzen gewährt er den Menschen? Dies, o Sokrates, sprach sie, will ich nun versuchen dich zu lehren.

[…]

Als nämlich Aphrodite geboren war, schmausten die Götter, und unter den übrigen auch Poros, der Sohn der Metis. Als sie nun gespeist, kam, um sich etwas zu erbetteln, da es doch festlich herging, auch Penía, und stand an der Tür. Poros nun, berauscht vom Nektar, denn Wein gab es noch nicht, ging in den Garten des Zeus hinaus und schwer und müde, wie er war, schlief er ein. Penía nun, die ihrer Dürftigkeit wegen den Anschlag fasste, ein Kind mit Poros zu erzeugen, legte sich zu ihm und empfing den Eros. Deshalb ist auch Eros der Aphrodite Begleiter und Diener geworden wegen seiner Empfängnis an ihrem Geburtsfest, und weil er von Natur ein Liebhaber des Schönen ist und Aphrodite schön ist.

Als des Poros und der Penía Sohn aber befindet sich Eros in solcherlei Umständen. Zuerst ist er immer arm, und bei weitem nicht fein und schön, wie die meisten glauben, vielmehr rau, unansehnlich, unbeschuht, ohne Behausung. Auf dem Boden immer umherliegend und unbedeckt schläft er vor den Türen und auf den Straßen im Freien, und ist der Natur seiner Mutter gemäß immer der Dürftigkeit Genosse. Und nach seinem Vater wiederum stellt er dem Guten und Schönen nach, ist tapfer, keck und rüstig, ein gewaltiger Jäger, allezeit irgend Ränke schmiedend, nach Einsicht strebend, sinnreich, sein ganzes Leben lang philosophierend, ein arger Zauberer, Giftmischer und Sophist, und weder wie ein Unsterblicher geartet noch wie ein Sterblicher, bald an demselben Tage blühend und gedeihend, wenn es ihm gut geht, bald auch hinsterbend, doch aber wieder auflebend nach seines Vaters Natur. Was er sich aber schafft geht ihm immer wieder fort, so dass Eros nie weder arm ist noch reich, und auch zwischen Weisheit und Unverstand immer in der Mitte steht. Dies verhält sich nämlich so: kein Gott philosophiert oder begehrt weise zu werden, sondern ist es. Noch auch, wenn sonst jemand weise ist, philosophiert dieser. Ebenso wenig philosophieren auch die Unverständigen oder bestreben sich, weise zu werden. Denn das ist eben das Arge am Unverstande, dass er, ohne schön und gut und vernünftig zu sein, doch sich selbst ganz genug zu sein dünkt.

Platon, Das Gastmahl (Symposion). Platons Werke von F. Schleiermacher. Zweiten Teiles zweiter Band. Druck und Verlag von Georg Reimer, Berlin 1857, 294, 297, überarbeitet.

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