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HANDSHAKE MIT DEM GROSSEN BRUDER?

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An einer potenziell hilfreichen App entzündet sich das Misstrauen der Staatsbürger. Ausgerechnet!

Extra noch mal nachgezählt: Ich habe aktuell 106 Apps auf meinem Smartphone installiert. Seit vorgestern eine mehr, aber dazu später. Von diesen Apps greift mehr als die Hälfte ungeniert auf mein Adressbuch oder meine Facebook-Freundesliste zu, schaltet nach Bedarf Kamera und Mikrofon ein, zeichnet meinen Standort auf, die Bewegungsdaten und den Browser-Verlauf. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich für mein Gewicht, den Pulsschlag und die Blutdruckwerte interessieren. Freilich kann man das Gros der Greifarme dieser Datenkraken ausschalten, aber die Werkseinstellung ist zunächst auf Neugier programmiert. Und nicht wenige Nutzer vergessen, den Auslieferungszustand nicht wörtlich zu nehmen und die entsprechenden Um- und Einstellungen vorzunehmen. Aus Bequemlichkeit, aus Schlendrian, aus Unwissen. Oder auch (oft gehört!), weil man »eh nichts zu verbergen« hat. Für Konzerne, deren Geschäftsmodell sich in Big-Data-Schürfrechten erschöpft, ein gefundenes Fressen. Dass generell kaum eine Applikation unseres digitalen Lebensstils den Implikationen der Datenschutzgrundverordnung genügt, ist Allgemeingut.

Umso erstaunter war ich, als in den letzten Tagen einer potenziell hilfreichen, ja lebensrettenden App besonderes Misstrauen und vorauseilender Hohn entgegenschlug. Sie wird vom Österreichischen Roten Kreuz angeboten, allein das sollte vertrauensstiftend sein. Die App, leger »Stopp Corona« benannt, ist dazu gedacht, den Verbreitungswegen des Virus auf die Schliche zu kommen. Und User zu warnen, wenn sie mit Menschen in Berührung waren, die später positiv getestet werden. Relativ unkompliziert, elegant und unbestechlich. Dass Nationalratspräsident Sobotka – ein Oberlehrer vor dem Herrn – vorschnell hinausposaunte, er spräche sich für eine verpflichtende Installation auf dem Handy jedes Staatsbürgers aus, war kontraproduktiv. Allein die Idee ließ unzählige Bedenkenträger und Querulanten hinter den Büschen hervorspringen. Dass Fachleute zwar forderten, den Quellcode (die DNA des Programms) offenzulegen und einige Details nachzuschärfen, sonst aber wenig Übles diagnostizierten, beruhigte die Gemüter kaum. Misstrauen rules OK. Nun denn: Teert mich, federt mich, sprecht Gebete und politische Bannflüche! Ich habe es getan. Ich habe die Corona-App runtergeladen.

Um sie zu testen. Sie macht eigentlich nichts anderes, als per digitalem »Handshake« auf Knopfdruck eine Art anonymisiertes Begegnungstagebuch anzulegen. Sollte ich eine Benachrichtigung erhalten, weiß ich, dass ich potenziell angesteckt wurde. Mehr nicht. Es werden weder meine Spaziergänge getrackt noch mein YouPorn-Konsum entlarvt, und es gibt auch, pardon!, keine Direktverbindung mit dem Führerbunker von Sebastian Kurz. Lästern mag man eventuell über die Finanzierung der App-Entwicklung durch einen Versicherungskonzern. Oder darüber, dass man einmal mehr einen eigenen Weg geht und nicht auf ähnliche, rückhaltlos transparente Konkurrenzprodukte im EU-Ausland setzt. Da wir freilich im Zeitalter des ritualisierten Misstrauens leben, solche Apps aber einer gewissen Verbreitung bedürfen, um zu funktionieren, ist das Ding leider schon tot. Derweil Covid-19 noch quicklebendig unter uns weilt.

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