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FITNESS HIJACKING
ОглавлениеBitte verpassen Sie Ihrem inneren Schweinehund einen digitalen Maulkorb!
Ich gestehe: Ich habe Ungehöriges getan. Aber es war nicht bös gemeint. Ich dachte, wer mich kennt, wird mir das sowieso nie glauben. Und den Witz an der Sache umgehend erkennen. Wie immer aber, wenn im Netz Ironie ins Spiel kommt, wird man missverstanden. Und nicht gerade wenige meiner Facebook-Freunde haben eine meiner Statusmeldungen der letzten Tage für bare Münze genommen. Die Meldung nämlich, ich sei 15,6 Kilometer gelaufen. Und zwar in knapp zwei Stunden. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7:42 Minuten pro Kilometer. Und einem Energieverbrauch von 1323 Kilokalorien.
Die Wahrheit ist: Diese Strecke – sie ist kartografisch irgendwo zwischen Maria Enzersdorf und Brunn am Gebirge angesiedelt – ist jemand anderer gelaufen. Ich Spaßvogel habe einfach die Statusmeldung seines Runtastic-Accounts per Copy & Paste ausgeschnitten und in meine Timeline übertragen. Und darf damit taxfrei als Erfinder der neuen Social-Media-Kategorie »Fitness-Hijacking« gelten. Einige Freunde gratulierten umgehend zu meinen sportlichen Aktivitäten, andere erklärten Zeit, Strecke und Kalorienverbrauch für verbesserungsfähig. Ich gestehe abermals: Zuerst lächelte ich still in mich hinein, weil ich nun, ohne einen einzigen Schweißtropfen vergossen zu haben, als halbwegs fitter Zeitgenosse galt. Endlich konnte ich mich einreihen in die wachsende Liste jener Sportskanonen, die dem Rest der Welt ungefragt ihre Laufstrecken und Rundenzeiten mitteilen. Und sich gegenseitig übertrumpfen in den Fußstapfen von Emil Zatopek. Dann aber kam mir der Originalinhaber der tolldreist gekaperten Runtastic-Werte auf die Schliche. Und in die Quere. Er meinte – vollkommen zu Recht übrigens –, ich solle meine Scherze doch mit jemand anderem treiben, aber nicht mit ihm. Ehrenwort, kommt nicht wieder vor!
Dabei ist die Instant-Fitness-Dokumentation die positive Seite eines generellen Online-Exhibitionismus, die zwischen lässlicher Eitelkeit und bedrückenden Einblicken in die Intimsphäre Fremder oszilliert. All die Pulsuhren, Fettanalyse-Waagen, Activity Tracker und Körpervermessungsinstrumente gieren als »Smart Meters« ja förmlich danach, nicht nur ihrem Besitzer Einblick in seinen Gesundheitszustand zu geben, sondern das auch gleich dem gesamten digitalen Universum mitzuteilen. Und ehrlich gesagt, das will und muss ich nun wirklich nicht wissen (und schon gar nicht augenblicklich), dass Ihr Blutdruck mit dem Lesen dieser Kolumne bedenklich angestiegen ist.