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SOKRATES

Dialoge

Walter Rupp

STUDENT: Herr Sokrates, Sie waren der Sohn eines Bildhauers und einer He­bamme.

SOKRATES: Ich brachte für den Beruf des Philosophen beste Voraussetzungen mit.

STUDENT: Sie haben am Peloponnesischen Krieg teilgenommen und dabei einem Mann namens Alkiviadis das Leben gerettet.

SOKRATES: Ja, das dürfte meine beste Tat gewesen sein. Aber er hat leider danach mit seinem Leben nicht viel anzufangen gewusst und damit Schluss gemacht.

STUDENT: Ich finde es empörend, dass man Sie gezwungen hat, den Giftbecher zu trinken.

SOKRATES: Ich hatte behauptet, die Sonne sei ein brennender Fels, größer als der Peloponnes. Das wurde mir als Gotteslästerung ausgelegt. Die Menschen lassen sich Gott, aber nicht ihre Götter nehmen. - Für meine Verurteilung stimmten 280 angesehene Ratsherren. Ich sei, meinten sie, ein schlimmes Beispiel für die Jugend.

STUDENT: Sie sind Opfer eines schlimmen Justizirrtums. Man hat Sie …

SOKRATES: Sagen Sie nichts gegen den Gerichtshof! Ich hatte ihn in Verlegenheit gebracht. Er hat nachher eine Wiedergutmachung versucht und ein feierliches Staatsbegräbnis angeordnet.

STUDENT: Das war wohl das schlechte Gewissen. - Haben Sie den Tod nicht gefürchtet?

SOKRATES: Den Tod schon, aber nicht den Ort, an den er die Toten bringt. Nun, es ist ausgestanden. Seitdem halte ich mich im Jenseits auf. Aber für uns hier liegt das Diesseits jenseits. Auch wir Philosophen müssen da radikal umdenken.

STUDENT: Sie waren mit Xanthippe verheiratet und hatten von ihr drei Kinder.

SOKRATES: Ach die Gute, sie hatte es nicht leicht mit mir. Sie musste es hin-nehmen, dass ich die Liebe zur Weisheit allem anderen vorgezogen habe. - Und die Kinder, sie verstanden ihren Vater nicht.

STUDENT: Von Ihnen soll die Bemerkung stammen: "Heiratest du, wirst du es bereuen, und heiratest du nicht, wirst du es auch bereuen." Glauben Sie, dass Philosophie und Ehe unvereinbar sind?

SOKRATES: Wenn man die Weisheit allem anderen voranstellt. Die meisten Philosophen waren schlechte Ehemänner oder keine großen Philoso­phen.

STUDENT: Ihre Ehe war also nicht glücklich? Es gab häufig Streit!

SOKRATES: Woraus schließen Sie das?

STUDENT: Dass Xanthippe ein zänkisches Weib war, kann man doch in jeder Philosophiegeschichte nachlesen.

SOKRATES: Nachlesen? - Wenn ich das Xanthippe erzähle, dass auch sie in die Philosophiegeschichte eingegangen ist! - Es gab zwischen ihr und mir nur ein Problem: Sie konnte - wie das übrigens häufig vorkommt - den Unterschied zwischen Philosophieren und Nichtstun nie begreifen.

STUDENT: Herr Sokrates, Sie gelten als einer der bedeutendsten, wenn nicht als der bedeutendste Philosoph der Antike. Worauf führen Sie das zurück?

SOKRATES: Da müssen Sie die fragen, die das von mir behaupten.

STUDENT: Die Menschen haben nie verstanden, weshalb Sie der Nachwelt nichts Schriftliches hinterlassen haben. Sie hätten ihr gewiss vieles zu sagen gehabt. Auf diese Weise gingen viele Ihrer Gedanken für immer verloren.

SOKRATES: Wahrheiten können nie verloren gehen. Sie werden immer wieder neu gefunden. Wer sie gefunden hat, ist Nebensache.

STUDENT: Darf ich eine Frage stellen, die ich schon immer einmal stellen wollte?

SOKRATES: Ich habe mich zu meinen Lebzeiten dagegen gestellt, dass man Antworten von mir haben wollte und es vorgezogen, zu fragen. Es wäre mir lieber, wenn Sie zuerst Behauptungen aufstellen. Ich werde versuchen, dann die dazu passende Frage zu stellen. Da Sie ja Kommunikationswissenschaften studieren, dürfte Ihnen das nicht schwer fallen, eine Antwort zu geben, ehe die Frage gestellt worden ist.

STUDENT: Gut, dann antworte ich. - Sie haben den kühnen und unüberlegten Ausspruch getan: "Ich weiß, dass ich nichts weiß".

SOKRATES: Kann man das, was man gesehen, gehört oder sich angelesen hat, Wissen nennen? Kann einer mehr als nichts wissen?

STUDENT: Nichts, ich bitte Sie, das ist eine Übertreibung. Wenn Sie wenigstens von einem begrenzten Wissen gesprochen hätten! Sie leugnen damit, dass die Wissenschaft unseren Erkenntnishorizont erweitert hat.

SOKRATES: Wie kann man nur so schnell und unbedacht schlussfolgern?

STUDENT: Sie werden doch nicht in Abrede stellen, dass wir den Wissenschaften eine Fülle von Erkenntnissen verdanken.

SOKRATES: Am Anfang aller Erkenntnis steht der Zweifel. Ist nicht alles Wissen bruchstückhaft? STUDENT: Mit der Behauptung, dass man am Ende doch nichts wissen kann, nimmt man dem Forscher das Motiv, zu forschen.

SOKRATES: Im Gegenteil, im Gegenteil! Wer forscht noch, wenn er glaubt, er habe die Antwort schon gefunden.

STUDENT: Die Informationen, die uns die Medien vermitteln, sind also in ihren Augen überflüssig.

SOKRATES: Kann man von Wissen sprechen, wenn man weiß, dass in einem Land der Erde ein Regierungschef die Absicht hat, zurückzutreten, das Wirtschaftswachstum um einige Prozente steigt oder in der nächsten Woche mit einem Temperaturanstieg zu rechnen ist?

STUDENT: Ihre Auffassung vom Philosophieren war immer eigenwillig. Schon Ihre Zeitgenossen nahmen daran Anstoß, dass Sie auf Straßen und Plätzen lehrten und Philosophie wie eine Ware öffentlich feilgeboten haben.

SOKRATES: Ist es nicht merkwürdig, dass man überall nur die materiellen und nicht auch die geistigen Güter anbietet?

STUDENT: Der Markt unterliegt nun einmal dem Gesetz von Nachfrage und Angebot.

SOKRATES: Geht die Nachfrage dem Angebot wirklich voraus? Wer wird gefragt: der Markt oder der Mensch?

STUDENT: Sie gelten als der Erfinder der Ironie...

SOKRATES: Was haben Sie gesagt? Langsam, langsam! Was ist ein Erfinder? Einer, der das noch nie Dagewesene findet, oder nur etwas aufhebt, woran die Leute achtlos vorübergehen, was aber schon immer dagelegen hat?

STUDENT: Aber vor Ihnen wusste niemand etwas mit Ironie anzufangen.

SOKRATES: Was ist Ironie? Wenn man das, was lächerlich ist, nicht ernst nimmt?

STUDENT: Sie haben die Fragekunst perfektioniert. Man müsste Sie eigentlich den Vater der Interview-Technik nennen.

SOKRATES: Wie sagten Sie: Vater der Interview-Technik? *Er lacht

STUDENT: Sie nannten doch Ihre Fragetechnik Hebammenkunst.

SOKRATES: Ich sprach von Kunst, Sie reden von Technik. Verstehen Sie wirklich nicht, worin der Unterschied zwischen fragen und interviewen besteht?

STUDENT: Der Unterschied? Ich habe dafür nur einen modernen Begriff eingesetzt.

SOKRATES: Ich habe etwas gegen falsch gestellte Fragen, gegen Fragen, mit denen man die Wahrheit zudeckt oder sich mit dem befasst, was nicht wert ist, gewusst zu werden.

STUDENT: Und was ist wert, gewusst zu werden?

SOKRATES: Sehr gut! Ausgezeichnet. Sie haben endlich eine gute und endlich einmal eine wichtige Frage gestellt. Es war eine schwere Geburt. Aber sie ist doch gelungen.

STUDENT: Sie meinen, weil ich frage: "Was ist wert, gewusst zu werden?"

SOKRATES: So ist es. Was ist wert, gewusst zu werden?

STUDENT: Und Sie wollen darauf nicht antworten?

SOKRATES: Nein, ich will es nicht. Antworten kann jeder, fragen nicht.

LESSING

LESSING: *Mit einem Manuskript. Er stellt sich einem Regisseur vor: Gottfried Ephraim Lessing... Ich dachte, es wäre an der Zeit...

REGISSEUR: ... Ihren Nathan aufzuführen?

LESSING: In einer Zeit, in der die Religionen einander näher rücken. In einer Zeit, die den Wert des Dialoges wieder entdeckt.

REGISSEUR: Das mit diesem Nathan ist ja eine ganz hübsche Idee. Aber diese Dialoge. Ehrlich gesagt: Ich habe mich gelangweilt und könnte mir denken, dass es den Zuschauern ebenso ergeht.

LESSING: Die Barrieren zwischen den Religionen bestehen noch. Oder?

REGISSEUR: Haben Sie das noch nicht mitbekommen, die Leute sind inzwischen so emanzipiert, dass sie sich aus den verschiedenen Religionen das holen, was ihnen gefällt.

LESSING: Sie mixen sich aus den verschiedenen Religionen ihre eigene Weltreligion zusammen?

REGISSEUR: Bald wird es so weit sein.

LESSING: Bald. – Wenn jeder seine Weltreligion erfunden und seinen Gott erschaffen hat, dann wird der Dialog unmöglich.

REGISSEUR: *Gibt Manuskript zurück: Herr Lessing, Sie haben doch den Anschluss an unsere Zeit verpasst. Sie sollten Ihr Stück umschreiben.

Dialoge, Monologe, Interviews

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