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FRIEDRICH NIETZSCHE

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DARWINIST: Ich bin nicht wenig überrascht, dass Sie noch immer so aussehen, wie Sie auf allen Bildern abgebildet sind, mit finsterer..., ich meine, mit nachdenklicher Miene.

NIETZSCHE: Ich habe nie verstehen können, worüber und weshalb sich ein Mensch freut.

DARWINIST: Sie hatten damals schon, als Sie noch hier waren, etwas Außergewöhnliches an sich.

NIETZSCHE: etwas Geniales. Genie und Wahn liegen nun einmal nahe beieinander.

DARWINIST: Die Gebildeten waren von Ihren Gedanken immer fasziniert.

NIETZSCHE: Sie können sich auch von dem, was sie nicht verstehen, faszinieren lassen.

DARWINIST: Ist Ihnen nicht ein Fehler unterlaufen, als Sie eines Ihrer Werke „fröhliche Wissenschaften“ nannten? Seit wann sind die Wissenschaften fröhlich?

NIETZSCHE: Gewiss, diese Bezeichnung mag nicht ganz zutreffend sein. Aber ich wollte das Wort ‚traurig‘ vermeiden.

DARWINIST: Beim Lesen Ihrer Schriften fällt mir das Pathos auf, mit dem Sie schreiben.

NIETZSCHE: Ich hatte ja auch etwas zu verkünden.

DARWINIST: Ihr Stil erinnert an den Ton, mit dem so viele Prediger ihren Hörern auf die Nerven gehen.

NIETZSCHE: Vergessen Sie nicht, dass mein Vater Pastor war. Wem gelingt es schon, seine Erziehung abzustreifen.

DARWINIST: Sie halten sich für erziehungsgeschädigt? Die heutigen Psychologen sprechen von einer ekklesiogenen Neurose. Was Sie Ihrem Vater hätten vorwerfen müssen, haben Sie der Kirche vorgeworfen.

NIETZSCHE: Wenn Sie diesem bigotten religiösen Einfluss ausgesetzt gewesen wären, wären auch Sie krank geworden.

DARWINIST: Gerade weil Sie selbst krank waren, ist nicht zu verstehen, warum Sie dafür waren, dass das Schwache zugrunde gehen soll?

NIETZSCHE: Dabei dachte ich natürlich nicht an die großen Denker.

DARWINIST: Als Sie vom Übermenschen sprachen, war das ernst gemeint?

NIETZSCHE: Damals schon. Es war eine kühne Idee. Ich konnte unmöglich ahnen, dass sie gedankenlos übernommen wird?

DARWINIST: Wie stellen Sie sich diesen Übermenschen vor: als Riesen, als Body-Bildner, als Multitalent oder als Genie?

NIETZSCHE: Ja, was verstehe ich darunter? So konkret wollte das bisher keiner von mir wissen.

DARWINIST: Die Natur des Menschen muss also ihrer Meinung nach verbessert werden?

NIETZSCHE: Die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns ist, von uns Denkern einmal abgesehen, viel zu klein. Ich denke da an eine Steigerung in jeder Hinsicht.

DARWINIST: Wollen Sie, dass die Germanen noch blonder und noch blauäugiger werden, Semiten eine längere Nase und Chinesen noch geschlitztere Augen haben?

NIETZSCHE: Na und? Ich denke da an die Gehirnleistung eines Einsteins, an die Gemütsschwankungen eines Softie, die Konstitution eines Zehnkämpfers, die Willensstärke eines Napoleons und die Schönheit einer Monroe.

DARWINIST: Und Sie fürchten nicht, das am Ende etwas anderes herauskommt: die Statur eines Napoleon, die Willensstärke eines Softie, die Schönheit eines Einstein und die Intelligenz einer Monroe?

NIETZSCHE: Man wird da eben lange an den Naturgesetzen herumexperimentieren müssen.

DARWINIST: Wenn es eines Tages Übermäuse oder Überschafe geben sollte, wird die Natur aus dem Gleichgewicht geraten.

NIETZSCHE: Verlangen Sie von mir keine konkreten Antworten. Als Philosoph begnüge ich mich damit, zu denken. Alles andere ist Sache der Naturwissenschaftler, Genforscher oder Biologen.

DARWINIST: Aber Sie können doch nicht nur spekulieren. Sie müssen doch auch Wege zeigen...

NIETZSCHE: Nichts ist einfacher als das. Wenn aus irgendwelchen Gründen die Züchtung von Überkatzen oder Überwölfen nicht gelingen sollte, müssen eben die Übermäuse Katzen jagen und die Überschafe Wölfe reißen.

DARWINIST: Das bedeutet, dass die Mäuse und die Schafe umgestaltet werden müssen.

NIETZSCHE: Langsam begreifen Sie meine Gedankengänge. Das bedeutet, dass die Natur auch diese Tiere mit Krallen und einem Raubtiergebiss ausstatten muss.

DARWINIST: Nach Ihren Vorstellungen wäre es auch möglich, dass eines Tages der Überaffe den Durchschnittsmenschen überragt.

NIETZSCHE: Man wird da eben lange herumexperimentieren müssen, bis das gewünschte Ergebnis heraus kommt.

Darwinist: Das hört sich so utopisch an.

NIETZSCHE: Utopisch? Wir Denker eilen da zuweilen der Natur voraus. Dann muss eben die Natur versuchen, uns wieder einzuholen.

DARWINIST: Bei so kühnen Gedankensprüngen wird sie allerdings mit dem Einholen Mühe haben. –

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