Читать книгу Dialoge, Monologe, Interviews - Walter Rupp - Страница 5
SCHOPENHAUER – LEIBNIZ
ОглавлениеSCHOPENHAUER: Herr Kollege Leibniz, überzeugen Sie sich selbst: Die Welt ist schlecht, sehr schlecht sogar. *Reicht ihm seine Brille:
LEIBNIZ: *Setzt die Brille auf: Aber lieber Schopenhauer, Sie übertreiben. Ich finde die Welt herrlich, wunderbar.
SCHOPENHAUER: Sie werden doch zugeben...
LEIBNIZ: Natürlich gibt es das eine oder andere...
SCHOPENHAUER: Das eine oder andere? Sehen Sie ein Lebewesen, das nicht leidet? Oder auch nur einen Menschen, der zufrieden ist? Auch nur einen?
LEIBNIZ: Was besagt das schon: Der Mensch war nie zufrieden und wird es nie sein. Er bringt es sogar fertig, sich über das Gute zu ärgern.
SCHOPENHAUER: Sie Verharmlosungskünstler! So kann nur reden, wer den Bezug zur Wirklichkeit total verloren hat.
LEIBNIZ: Ich sage ihnen: Die Welt ist gut, sie ist die beste aller Welten.
SCHOPENHAUER: Aber, aber, aber... Sie belieben zu scherzen, Herr Kollege. Sie sollten Ihren Augenarzt aufsuchen!
LEIBNIZ: Weshalb? Auch durch Ihre Brille kann ich die Welt nicht anders sehen.
SCHOPENHAUER: Für mich ist sie die schlechteste aller Welten, …
LEIBNIZ: weil Sie ein Talent zum Pessimismus haben. *Gibt die Brille zurück.
SCHOPENHAUER: Und wo bekommt man Ihren Optimismus her? Wo kann man den erwerben?
LEIBNIZ: Indem man statt auf die Mängel, auf das, was geglückt ist, schaut.
SCHOPENHAUER: Wäre die Welt wirklich die beste aller Welten - wie Sie herausgefunden haben wollen - hätten wir den Himmel schon jetzt und hier.
LEIBNIZ: Und wenn die Welt die schlechteste aller Welten wäre - wie Sie behaupten - wären wir schon jetzt in der Hölle. Bekanntlich lässt sich ja ein Superlativ nicht noch steigern: Noch schlechter als am schlechtesten kann etwas nicht sein. *Gibt ihm seine Brille: Sie sollten einmal durch meine Brille sehen.
SCHOPENHAUER: Ich werde nie durch eine andere als durch meine Brille sehen.
LEIBNIZ: Was fürchten Sie? Dass Sie dann Ihre Philosophie revidieren müssen?
SCHOPENHAUER: Sie sollten meine Werke lesen! Ich habe darin ausführlich und überzeugend dargestellt, wie schlecht die Welt ist.
LEIBNIZ: Schließen wir einen Kompromiss: Sie ist gut und schlecht zugleich, sowohl als auch! Verzichten wir auf den Superlativ!
SCHOPENHAUER: Was? Ich soll künftig statt von der 'schlechtesten' nur noch von einer 'schlechten' Welt reden? Ich soll mich mit einem gedämpften Pessimismus zufrieden geben? Wollen Sie mein Lebenswerk zerstören?
LEIBNIZ: Beruhigen Sie sich, Herr Kollege, es liegt mir fern...
SCHOPENHAUER: Es wird Ihnen nicht gelingen, mich für Ihren Optimismus zu gewinnen!
LEIBNIZ: Meinetwegen soll es eine pessimistische Philosophie geben, damit auch die Pessimisten glücklich werden können.
SCHOPENHAUER: Sehen Sie vielleicht irgendwo da unten den 'besten' aller Menschen? Irgendwo?
LEIBNIZ: Da muss ich Ihnen allerdings recht geben, den sehe ich nicht.
SCHOPENHAUER: *Triumphierend: Also! –