Читать книгу Erinnerungswürdig - Walter Thaler - Страница 10
BARBARA KRAFFT 1764–1825 Sie schuf das Porträt Mozarts
ОглавлениеFast niemand kennt ihren Namen. Auch sind kaum dokumentarische Materialien wie Briefe, Tagebucheintragungen oder andere persönliche Zeugnisse von ihr erhalten. Nur Kunstexperten wissen um ihre wichtigsten biografischen Lebensstationen und kennen ihre bedeutendsten Bildnisse. Aber fast alle kennen das von ihr geschaffene Porträt Mozarts, das sogar Mozartkugeln ziert. Barbara Krafft hat 28 Jahre nach dem Tod Mozarts im Jahr 1819 nach den Angaben von Mozarts Schwester Nannerl das am häufigsten reproduzierte und inzwischen bekannteste Bildnis Mozarts gemalt. Sie gehört zu den bedeutendsten Porträtmalerinnen des Klassizismus und verstand es als Künstlerin, sich ein Netzwerk von Auftraggebern zu schaffen und Verkaufsausstellungen zu organisieren. Kurzum: Sie ist nicht nur eine bedeutende Malerin, sondern auch ein Marketingtalent des 18. und 19. Jahrhunderts.
Barbara Krafft wird am 1. April 1764 in Iglau an der böhmisch-mährischen Grenze als Tochter des k. u. k. Hofmalers Johann Nepomuk Steiner geboren. Er porträtiert Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II., bleibt aber trotzdem ein von Geldsorgen geplagter Künstler. Die Mutter Maria Anna verfügt deshalb in ihrem Testament, dass nur das Kind erbberechtigt sein soll, das einen „ordentlichen“ Beruf ergreift. Daher erhält Barbara nach deren Tod nur den Pflichtteil, Bruder Franz Xaver, der Chirurg ist, wird Universalerbe. Schon in ihren Kinderjahren erhält Barbara Malunterricht von ihrem Vater, mit dem sie nach Wien übersiedelt und dort 1786 ihr erstes Bild ausstellt. Sehr rasch macht sie sich als Porträtmalerin einen Namen.
1789 heiratet sie den Apotheker Josef Krafft. Im Jahr 1792 wird ihr Sohn Johann August geboren, den sie zum Maler ausbildet und der später in München als Lithograf tätig wird. Die Tochter Barbara wird 1801 in Prag geboren. In der Folge signiert sie ihre Bilder mit „Barbara Krafft nata Steiner pixit“ (Barbara Krafft, geb. Steiner hat es gemalt), um ihres Vaters Bekanntheit und ihre Herkunft als Qualitätsmerkmale anzuführen. 1794 zieht Barbara mit ihrem Mann und Sohn Johann August in die fürsterzbischöfliche Residenzstadt Salzburg, weil sie sich dort weniger künstlerischer Konkurrenz stellen muss. Die Stadt zählt damals 16 000 Einwohner und ist bereits vom Geist der Aufklärung geprägt. Sehr rasch erhält sie Aufträge für großformatige Repräsentationsporträts durch Salzburger Adelsfamilien, so etwa von Graf und Gräfin Kuenberg oder von Franz Xaver Altgraf von Salm-Reifferscheidt, aber auch von wohlhabenden Bürgerfamilien. Alle hier geschaffenen Porträts bemühen sich um eine Deutung des Charakters der dargestellten Person, was sich besonders in den Mund- und Augenpartien abzeichnet. Die Porträts der Salzburger Bürger*innen zeugen durch die genaue Darstellung von teuren Stoffen und prachtvollem Schmuck von der Wohlhabenheit der Dargestellten. Obwohl sie nur zwei Jahre in der Stadt verbringt, entstehen damals viele bedeutende Porträts, von denen das Salzburg Museum eine Reihe besitzt.
Von Salzburg übersiedelt sie in ihre Geburtsstadt Iglau und geht 1797 nach Prag. Die Gründe für ihren oftmaligen Ortswechsel sind unbekannt. Vermutlich hat die Adelsfamilie Kuenburg eine Vermittlerrolle gespielt. Zudem ist Prag weitaus größer als Salzburg und zeigt ein reges kulturelles Leben. In den sieben Prager Jahren entstehen wieder eine Reihe von Porträts und auch ihr einziges Altarbild für die Pfarrkirche von Bubeneč, einem Stadtteil von Prag.
Als Barbara Krafft 1804 nach Salzburg zurückkehrt, ist Salzburg mittlerweile durch die Napoleonischen Feldzüge zu einem Spielball der europäischen Politik geworden. Das geistliche Fürsterzbistum ist jetzt ein weltliches Kurfürstentum, das 1806 unter die Habsburgerherrschaft, 1809 unter französische, 1810 unter bayerische Verwaltung und schließlich ab 1816 endgültig ins k. u. k. Reich eingegliedert und zu einem Bezirk Oberösterreichs degradiert wird. Durch die Kriegsgeschehnisse leidet das Kulturleben enorm. Doch die ehemals als Auftraggeber für ihre Porträts aufgetretenen reichen Bürgerfamilien übernehmen nun wichtige Verwaltungsaufgaben, was sich für die Künstlerin wirtschaftlich positiv niederschlägt. Im Jahr 1819 entsteht das Mozartporträt im Auftrag Joseph Sonnleitners nach den Angaben von Mozarts Schwester Nannerl. Sonnleitner ist Librettist, Theaterdirektor, Archivar und Gründer der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Das Porträt des Musikgenies soll Mozart nach den Angaben Nannerls am treffendsten darstellen.
Nach 16 Jahren verlässt Barbara Krafft erneut Salzburg und zieht mit ihrem bereits künstlerisch tätigen Sohn Johann August und ihrer noch minderjährigen Tochter Barbara nach Bamberg. Auch diese Residenzstadt war ursprünglich ein geistliches Hochstift und vom Wittelsbacher Herzog Wilhelm übernommen worden. Obwohl Bamberg nur halb so viele Einwohner wie Salzburg zählt, von denen sich die meisten aus Militärangehörigen, Beamten und Handwerkern zusammensetzen, hat sich ein reges Kulturleben entwickelt. Es entsteht ein Theater, eine Stadtbibliothek und ein Museum. In den vier Jahren ihres Bamberger Aufenthaltes soll Barbara Krafft, wie in einem Nekrolog festgehalten wird, nicht weniger als 145 Porträts geschaffen haben. Tatsächlich haben Kunsthistoriker aus der Bamberger Zeit aber nur 42 ermitteln können.
Barbara Kraffts Bedeutung liegt in der genauen Beobachtungsgabe der von ihr Porträtierten und ihren geglückten Versuchen, deren Charakterzüge durch den Gesichtsausdruck zu vermitteln. In einer Zeit, da Frauen noch kein Zugang zu Kunstakademien gewährt wird, gelingt es ihr, zu einer der bedeutendsten klassizistischen Porträtmalerinnen zu werden. Mit ihrer großen Verkaufs- und Selbstvermarktungsgabe und ihren organisierten Verkaufsausstellungen schafft sie als Frau eine beachtliche künstlerische Karriere und wird von ihrem Mann, von dem sie sich während ihrer zweiten Salzburger Periode trennt, wirtschaftlich unabhängig. Das Salzburg Museum hat ihr um die Jahreswende 2019/2020 eine Ausstellung mit ihren bedeutendsten Porträts gewidmet.