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HERMANN SCHMIDTMANN 1841–1919 Kunstdüngerfabrikant und Pinzgauer Schlossherr
ОглавлениеDie größten Grundbesitze im Pinzgau gehören heute den staatseigenen Österreichischen Bundesforsten, den Bayerischen Saalforsten und den Automobil-Tycoons Porsche und Piëch. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann sich allerdings der deutsche Selfmademan Hermann Schmidtmann, der durch Kunstdüngerproduktion in den USA ein riesiges Vermögen aufgebaut hatte, mit 7 000 Hektar Landwirtschaftsbesitz und 30 000 Hektar Jagdgründen als bedeutendster Eigentümer land- und forstwirtschaftlicher Flächen rühmen. Dazu kommen noch die Schlösser Grubhof und Oberrain. Der Erste Weltkrieg und die nachfolgende galoppierende Inflation setzen dem Milliardär aber hart zu. Dennoch weisen seine Nachkommen auch heute noch im Raum Maria Alm-Hinterthal beträchtlichen Grundbesitz auf. Hermann Schmidtmann wird als Sohn armer Eltern in der thüringischen Stadt Schmalkaden geboren. Er ergreift den Beruf eines Kaufmanns und studiert eifrig Sprachen. Im Jahr 1858 wandert er in die Vereinigten Staaten aus, wo er durch enormen Fleiß und Tüchtigkeit den Grundstein für sein späteres Vermögen legt. Vierzehn Jahre später kehrt er nach Europa zurück und kauft dem Erfinder der Diamantkronenbohrmaschine dessen Patent ab. In England beteiligt er sich an einem neuen System der Gesteinsbohrung, was schließlich zur Gründung der „Continental Boring Company“ führt, dessen Generaldirektor Schmidtmann wird. Schließlich erwirbt er die gesamte Gesellschaft, die im Raum Aschersleben in Sachsen-Anhalt erfolgreich nach Kalisalz gebohrt hat.
Als der erste Förderschacht im Jahr 1878 angeschlagen wird, ziehen sich die Engländer aus dem Vorhaben zurück, Schmidtmann führt das Unternehmen jedoch erfolgreich weiter und lässt noch weitere sechs Schächte bohren. Kalisalz (oder kurz Kali) ist eine fossile Ablagerung verschiedener Salzminerale mit einem hohen Gehalt an Kaliumverbindungen. Der Mineralstoff Kalium ist ein Hauptelement der Pflanzenernährung und verstärkt bei Pflanzen die Stoffwechselprozesse. Dadurch wird das Wachstum der Pflanzen gefördert. Schmidtmann hat auf das richtige Pferd gesetzt und kann nun durch Nichteinhaltung von Konventionen und Beschränkungen ein Kalisyndikat errichten, das ihm in Europa eine absolute Vormachtstellung bringt. In der Wirtschaft gilt er mit seinen unternehmerischen Maßnahmen als Außenseiter, doch sein Reichtum steigt für damalige Verhältnisse ins Unermessliche. Denn die Landwirtschaft kann jetzt durch den Einsatz von Kali und Thomasmehl die Hektarerträge verdoppeln.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts dominiert Schmidtmann den gesamten Düngemittelmarkt der USA, Russlands, Deutschlands und der österreichischen k. u. k. Monarchie. Schmidtmann ist jetzt so vermögend, dass er ständig 40 Millionen Goldkronen flüssig hat. Der Milliardär ist mit der Schweizerin Josefine Bürgi verheiratet und hat mit ihr zwei Kinder: Sohn Waldemar und Tochter Florence.
Die ungeheure Ausweitung seines Unternehmens hält Schmidtmann nicht davon ab, auch privat viel zu reisen. So kommt er 1886 erstmals zur Erholung nach Lofer, ist sofort von der Gegend begeistert und pachtet die Gemeindejagd von Lofer. Im Jahr 1890 kauft er von der Familie Josef und Anna Faistauer, den Eltern des später berühmten Malers Anton Faistauer, das Gut Grubhof mit seinen Nebengebäuden, reißt es bis auf die Grundmauern ab und beauftragt den Architekten Josef Wessicken (s. Kap.: Josef Wessicken) und den Salzburger Baumeister Ceconi, ein dreigeschoßiges Schloss im spätgotischen Stil zu errichten.
Zudem stattet er das Schloss im ersten Stock mit wertvollen Gemälden aus. Er erwirbt auch das Gut Oberrain in Unken, das er ebenfalls zu einem prächtigen Schloss ausbauen lässt und es schließlich seiner Tochter Florence als Hochzeitsgeschenk überträgt.
Schmidtmanns Ziel ist es aber nicht nur, prachtvolle Herrensitze zu errichten, er hat wesentlich hochfliegendere Pläne. Er kauft im Saalachpinzgau zwischen Unken und Hinterthal viele Bauerngüter auf und kann durch den Einsatz seines Kunstdüngers die landwirtschaftliche Produktion wesentlich erhöhen. Denn die Bauern hatten ihre Felder bisher ausschließlich mit Mist und Jauche gedüngt. Insgesamt erwirbt der Unternehmer 41 Bauernhöfe oder Gutsbestände. Darunter befinden sich der Brandlhof bei Saalfelden, das Stoißengut in den Hohlwegen, die Bachwinkelgüter und große Teile von Hinterthal, die sich zum Teil heute noch im Besitz seiner Nachkommen befinden.
Durch die Einfuhr von großen Mengen an Kalium und Thomasmehl erringt der Unternehmer im Pinzgau bald eine landwirtschaftliche Monopolstellung. Seine Bauernhöfe werden zu Mustergütern. Die dynamische Ankaufspolitik des Kunstdünger-Millionärs findet natürlich nicht die Zustimmung vieler kleinerer Landwirtschaftsbetriebe. Schon damals liest man in der heimischen Presse vom „Ausverkauf der Heimat“. Durch Schmidtmanns Ankaufspolitik kommt zwar viel Geld in den Pinzgau, doch gleichzeitig verlieren viele der verschuldeten Bauern ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit. Insgesamt umfasst der Schmidtmann’sche Grundbesitz schließlich 7 000 Hektar.
Da Schmidtmann der Jagdleidenschaft frönt, pachtet er 30 000 Hektar Jagdgründe im Pinzgau, wozu das gesamte Gebirgsmassiv des Steinernen Meeres gehört. Dazu beschäftigt er 64 Jäger, um das gesamte Gebiet jagdwirtschaftlich zu betreuen.
Die Reaktion der stets selbstbewussten Pinzgauer, die sich durch den Eindringling aus Deutschland bedroht fühlen, führt zu Forderungen an den Salzburger Landtag, aber auch an den Reichsrat in Wien. Der Erste Weltkrieg und die nachfolgende galoppierende Inflation zwingt allerdings die Familie Schmidtmann, später wieder einen großen Teil der landwirtschaftlichen Betriebe abzustoßen.
Ein persönliches Anliegen ist für Schmidtmann die Aufzucht und Veredelung der Pinzgauer Rinderrasse. Sein Gutsverwalter Heinrich Gierth versucht als erster, durch eine strenge Zuchtauswahl die Produktionskraft des Pinzgauer Rindes zu stärken. Da dies bald zu erheblichen Erfolgen führt, wird Gierth schließlich vom Land Salzburg als Tierschutzinspektor angeworben.
Auch der Pferdezucht gilt Schmidtmanns Liebe, speziell den Norikerpferden. Zur Heimat seiner „braunen Lipizzaner“ wird der Brandlhof in den Pinzgauer Hohlwegen bei Saalfelden, denn die „weißen Lipizzaner“ sind ausschließlich dem Kaiserhaus vorbehalten. Auch im Getreide- und Obstanbau setzt der innovative Unternehmer auf neue Produktionsmethoden und stellt in Lofer große Glashäuser auf, in denen er im Winter Erdbeeren, Weintrauben und Gurken züchtet, die er sodann an den deutschen Kaiser liefern lässt.
Für das Pinzgauer Saalachtal sind sein fortschrittlicher Geist und seine unternehmerische Energie von großem Nutzen, denn er lässt von Lofer nach Hinterthal die erste Telefonleitung bauen und für den Grubhof das erste Elektrizitätswerk im Pinzgau errichten. Mit dem Flatscherbauern Jakob Herbst schließt er für immerwährende Zeiten einen Vertrag zur Errichtung einer Wasserleitung vom Kramerhaus bis Oberrain in Unken.
Hermann Schmidtmann stirbt im Jahr 1919 mit 78 Jahren und wird im Park des Schlosses Grubhof bestattet. Den amerikanischen Besitz erbt Sohn Waldemar, die europäischen Güter die Tochter Florence, die mit General Arno von Poser und Groß Naeditz verheiratet ist. Das Testament Hermann Schmidtmanns enthält nicht weniger als 74 Grundbucheintragungen allein im Saalach-Pinzgau und im angrenzenden Tirol (Waidring).
Nach dem Ersten Weltkrieg bleibt das Schloss Grubhof weitgehend ungenutzt. Im Jahr 1956 geht das prachtvolle Gebäude im neugotischen Stil zu je einem Drittel an die Töchter von Florence Poser, Hildegard Wolff, Maria Spitzy und Florence Schandl-Dachmann. Leider wird der Park des Schlosses später durch die Errichtung moderner Apartmenthäuser verbaut und als Ferienwohnanlage einer Tiroler Time-Sharing-Gesellschaft geführt.
Das Schloss Oberrain wird dem mit der Familie befreundeten Rittmeister Erwin Sochatzky und dessen Frau überlassen, die daraus einen Hotelbetrieb machen, der bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges ein internationales Publikum anzieht. Im Jahr 1957 kauft die Salzburger Landesregierung Schloss Oberrain und übergibt es der Gesellschaft „Rettet das Kind“, die Jugendliche mit Behinderungen auf ein möglichst selbstständiges Privat- und Berufsleben vorbereitet.