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ERZHERZOG LUDWIG VIKTOR VON HABSBURG 1842–1919 Der verbannte Habsburger im Schloss Kleßheim

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Der jüngste Bruder von Kaiser Franz Joseph, Erzherzog Ludwig Viktor, als Kind liebevoll „Luziwuzi“ genannt, hat es am Habsburgerhof in Wien nicht leicht. Er gilt als exzentrischer Sonderling und äußerst schwieriger Charakter. Er kann sehr charmant sein, ist aber wegen seiner scharfen Zunge gefürchtet. Die Fürstin Nora Fugger lästert über ihn, er sei „weder militärisch noch kunstverständig, schwächlich, unmännlich, geziert und von garstigem Äußeren“. Noch abschätziger beurteilt ihn Kaiserin Elisabeth: „Ekelhaft ist mir der Affe/boshaft wie kein andres Vieh/hässlich, wie es anzuschauen/ist sein Maul auch lästerhaft.“

Kaiser Franz Joseph muss sich in seinem Herrscherhaus noch mit anderen schrulligen Erzherzögen herumschlagen. Einer davon ist Leopold (geb. 1868 als Sohn von Ferdinand IV.), der zunächst die Tochter eines Zuckerbäckers liebt, später mit der Prostituierten Wilhelmine Adamovic ein Verhältnis hat und schließlich Maria Magdalena Ritter, die er von ihrem Zuhälter freigekauft hat, heiratet. Dem „schönen“ Erzherzog Otto Franz Josef wird nachgesagt, dass er betrunken und nackt durch das Hotel Sacher spaziert sei. Als wahrhafter Aussteiger erweist sich Erzherzog Ludwig Salvator, der mit seiner Dampfyacht „Nixe“ über das Mittelmeer segelt und kulturhistorische Bücher schreibt. Er schwimmt nackt und schläft unter freiem Himmel, trägt abgenutzte Kleidung – und das trotz einer jährlichen Apanage von 100 000 Kronen. Die Seitensprünge der Habsburger sind wohl das Ergebnis der Heiratspolitik, denn Liebesheiraten sind nicht vorgesehen. Zudem sind einige der Erzherzöge unterfordert, denn sie bekommen vom starrsinnigen Kaiser keine politischen Aufgaben. Das fördert das Bestreben, das enge Herrschaftskonzept zu sprengen.

Tatsächlich dürften es jedoch Ludwig Viktors homosexuelle Neigung gewesen sein, die seine Position am Wiener Hof untergraben. Kaiser Franz Joseph und Elisabeth versuchen zunächst, ihm Sophie aus dem Hause der Wittelsbacher als Ehegattin zuzuführen. Doch diese lehnt dankend ab, was seine Selbstachtung schwer verletzt. Ludwig Viktors Bruder, Kaiser Maximilian von Mexiko, hat keine rechtmäßigen Erben und will daher „Luziwuzi“ zu einer Heirat mit der Tochter des brasilianischen Kaisers Pedro II. bewegen. Somit wären Mexiko und Brasilien Teil einer großen, transatlantischen Habsburgermonarchie. Doch dann wird Maximilian 1867 erschossen und die Geschichte läuft in ganz andere Bahnen. Luziwuzis Eskapaden weisen aber auch in die ganz andere Richtung. Denn von der Tänzerin Claudia Couqui erhält er ein Billett, in dem sie ihm für eine gemeinsame Nacht dankt.

Als Ludwig Viktors homophile Neigungen aber immer öffentlicher werden und zu Skandalen führen, muss der Kaiser handeln. So soll sich Ludwig Viktor im Wiener Centralbad in der Weihburggasse einem Offizier derart anzüglich genähert haben, dass dieser ihn ohrfeigt. Der Salzburger Historiker Ernst Hanisch hat darauf verwiesen, dass in ganz Europa damals, später verstärkt durch den Prozess um den irischen Dichter Oscar Wilde, eine homophobe Panik ausgebrochen sei. Der exzentrische Sonderling muss daher vom Wiener Hof entfernt werden. Kaiser Franz Joseph entscheidet daraufhin bereits 1861, dass Ludwig ihn in Salzburg vertreten solle, wohin man bereits die Witwe des Kaisers Franz I., Caroline Auguste, abgeschoben hatte. Ludwig residiert nun im Schloss Kleßheim. Da dieses aber im Winter kaum beheizbar ist, lässt er vom Architekten Heinrich von Ferstel, dem Erbauer der Votivkirche und des Hauptgebäudes der Universität Wien, das sogenannte Winterschloss erbauen, besser bekannt als Kavalierhaus. Dieses wird bis ins Detail blau-weiß eingerichtet, von den Teppichen und Tapeten über das Porzellan bis zum Zigarrenlöscher und der Nagelfeile. Ferstel baut für ihn auch im Renaissancestil das Palais am Schwarzenbergplatz in Wien.

Die neue Umgebung und die fehlenden Zwänge des habsburgischen Hofes lassen Ludwig Viktor zu einem neuen Menschen werden. Statt der bislang gezeigten Überheblichkeit und seines menschenverachtenden Witzes zeigt er nun Interesse und Anteilnahme an den Menschen. Aus dem unbeliebten, geradezu Verachteten wird ein Mitfühlender und großer Mäzen für Salzburg. Aufgrund seines Sinneswandels beruft ihn Kaiser Franz Joseph nun zum Vorsitzenden des neu gegründeten Roten Kreuzes. Ludwig Viktor selbst spendet 10 000 Gulden und bereist fast das gesamte Habsburgerreich, um die Einrichtungen des Roten Kreuzes zu inspizieren und zu verbessern.

Als im Jahr 1899 eine Hochwasserkatastrophe große Teile der Stadt Salzburg verwüstet, öffnet er großzügig Schloss und Park von Kleßheim für eine Wohltätigkeitsveranstaltung und spendet selbst eine große Summe zur Linderung der Katastrophe. Ludwig tritt auch für eine unentgeltliche Krankenbehandlung in Spitälern ein, unterstützt Witwen und Waisen, richtet Armenküchen für Obdachlose ein und fördert karitative Vereine.

Sehr regen Anteil nimmt Ludwig am Kulturleben der Stadt Salzburg und wird zu einem der wichtigsten Förderer des Kunstschaffens. Daher ist er auch Protektor des neu gegründeten Salzburger Kunstvereins und des entstehenden Künstlerhauses. Er fühlt sich auch der Gemeinde Siezenheim sehr verbunden. So ist die Gründung der Volksschule Siezenheim eine Schenkung des freigiebigen Erzherzogs. Im Verlauf der vier Jahrzehnte, die er als „Verbannter vom Wiener Hof“ in Salzburg lebt, tut er mehr für die Stadt und deren Bevölkerung als jemals ein Habsburger vor oder nach ihm.

Die Homosexualität eines Mitglieds des Herrscherhauses gibt aber immer noch Anlass zu Spekulationen. Da homosexuelle Handlungen auch zu Erpressung führen können, fürchtet das Militär dahinter auch Spionage und Verrat. Daher wird den in Salzburg stationierten Offizieren verboten, Einladungen des Erzherzogs wegen dessen „unnatürlicher Neigungen“ anzunehmen.

In den letzten Lebensjahren wird beim Erzherzog Ludwig Viktor geistige Umnachtung festgestellt. Er lebt nun völlig zurückgezogen unter Kuratel in seinem Schloss Kleßheim, wo er am 18. Jänner 1919, wenige Wochen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges stirbt. Seinem Wunsch gemäß wird er nicht in der Kapuzinergruft, sondern am Ortsfriedhof von Siezenheim bestattet. Der schlichte Grabstein trägt keinen Namen, sondern einen persönlich verfassten Dankesgruß an seinen Kaiser und seine Freunde:

„Meinem Kaiser (Franz Josef I.) Dank!

Die Seele Gott – in Buß’ und Reue,

Der starren Erde meine Hülle –

Dafür, was sie mir einst im Leben,

Den Dankesgruß an meine Freunde,

Und all den Blinden mein Vergeben,

Die, – unverdient, mir etwa Feinde.

18. Jänner 1919.“

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