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CHRISTIAN DOPPLER 1803–1853 Seine Forschungen haben die Welt verändert

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Fast ein Jahrhundert lang sind seine Forschungen unbeachtet geblieben. Doch die Welt von heute ist ohne die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Salzburgers Christian Doppler nicht mehr vorstellbar. In der Luftfahrt, in der Raumfahrt (Satellitennavigation), im Straßenverkehr, in der Astronomie und Meteorologie, im Vermessungswesen, in der Abgasmessung von Motoren, überall stoßen wir auf den Doppler-Effekt. Wer kann sich heute noch ein Mittelklasse-Auto ohne das Navigationssystem GPS vorstellen? In besonderem Maß aber hat Doppler die Medizin revolutioniert. Denn durch die Sonografie hat die Medizin die Möglichkeit, den Blutdruck in den Gefäßen zu messen, die Blutgeschwindigkeit hörbar zu machen und dadurch Gefäßverschlüsse oder Engstellen zu diagnostizieren. Auch die Computertomografie sowie das Monitoring bei Operationen und Schwangerschaften sind ohne Dopplers bahnbrechende Erkenntnisse nicht vorstellbar.

Über Dopplers Kindheit und Jugend in Salzburg gibt es keinerlei Dokumente oder Selbstzeugnisse wie Briefe, Tagebücher, auch keine Zeugnisse von Zeitgenossen. Die spärlichen, nicht überprüfbaren Informationen über seine Salzburger Zeit verdanken wir seinem Enkel Adolf Doppler. Die erste nachweisbare Quelle gibt es erst über sein Studium am Wiener Polytechnischen Institut. Dennoch können einige Daten als gesicherte Fakten angenommen werden. Christian Doppler wird am 29. November 1803 in Salzburg im Haus Makartplatz 1 (gegenüber dem Salzburger Landestheater und neben Mozarts Wohnhaus) als viertes von fünf Kindern des Steinmetzmeisters Johann Doppler und dessen Frau Theresia (geborene Seeleuthner) geboren. Die Familie gehört zum altstädtischen bürgerlichen Gesellschaftsbereich. Es gibt zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Stadt Salzburg lediglich zwei Steinmetzbetriebe.

Christian wird in eine von Katastrophen gebeutelte Zeit geboren. Die 16 000 Einwohner zählende Stadt Salzburg leidet unter den Napoleonischen Kriegszügen und muss für 12 000 Soldaten Unterkünfte und Verpflegung bereitstellen. Im Jahr 1810 fällt das Kurfürstentum für sechs Jahre an die Bayern, bis es 1816 auf Beschluss des Wiener Kongresses endgültig dem Habsburgerreich zugeschlagen und dem Land Oberösterreich angegliedert wird. Die Explosion des indonesischen Vulkans Tambora überzieht Europa im Sommer 1816 mit einer dichten Aschewolke, was wegen des Ernteausfalls zu Hungersnöten führt.

Obwohl Christian bereits als Kind im väterlichen Betrieb mitarbeitet, kommt wegen seines zarten Körperbaus eine handwerkliche Ausbildung nicht infrage. Daher übernimmt sein um neun Jahre älterer Bruder als Erstgeborener den väterlichen Steinmetzbetrieb im Weiler Himmelreich. So kann sich Christian nur aufgrund von höherer Bildung aus seinem Herkunftsmilieu lösen. Christians Lebensweg ist ein klassischer Fall für den Aufstieg aus dem handwerklich dominierten Stadtbürgertum ins gehobene Bildungsbürgertum. Auf Anraten des Mathematikers Simon Stampfer, der am Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtet und Christians mathematisches Talent erkennt, wird der Junge in das Lyceum (Gymnasium) geschickt. Doch schon nach drei Jahren nimmt ihn der Vater trotz ausgezeichneter Leistungen aus der Schule und schickt ihn in die „deutsche Normalschule“ nach Linz. Denn der Bub soll eine kaufmännische Berufsausbildung erhalten, um ein materiell gesichertes Leben führen zu können. Doch neuerlich schaltet sich Simon Stampfer ein, daher wird der begabte Bub nach Abschluss der „Normalschule“ von 1822 bis 1825 nach Wien auf das Polytechnische Institut geschickt, das er mit ausgezeichneten Noten abschließt.

Aus diesen drei Jahren in Wien sind erstmals persönliche Dokumente erhalten, nämlich Gedichte, Charaden (pantomimische Verkleidungsspiele zum Erraten eines Wortes), Essays und eine Studie über das Berchtesgadener Land. Die Gedichte sind ganz zeittypisch sentimental und sprachlich überladen. Wegen zweier Gedichte, die dem Andenken der verstorbenen Freunde Ludwig Sauter (Bruder des Volksdichters Ferdinand Sauter und des Mediziners Anton Sauter) und Karl von Schallhammer gewidmet sind, vermutet der Salzburger Historiker Robert Hoffmann, dass Doppler auch dem Freundeskreis von Franz Schubert angehört habe. Denn auch der spätere Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, Karl Kreil, engster Freund Dopplers in seinen letzten Lebensjahren, gehört zum Schubert-Freundeskreis.

Christian hat aber ein höheres Ziel, er will an der Universität studieren. Daher muss er im Erwachsenenalter die Matura am Salzburger Lyceum nachholen. Er absolviert die ausständigen Semester in der halben Zeit und schließt von den 37 Absolventen seines Jahrgangs als Bester mit den Noten „eminente“ (ausgezeichnet) ab. Damit hat er nun als Sohn aus dem Handwerkerstand höhere Karriereaussichten. Doch Salzburg kann ihm diese nicht bieten, denn es ist in der k.u.k. Monarchie die zweitärmste Region. Als Dopplers Mathematikprofessor am Gymnasium, Adam Burg, den Lehrstuhl für höhere Mathematik am Polytechnikum in Wien erhält, holt er sich Doppler als Assistenten. Doch diese Stelle ist nur auf vier Jahre begrenzt, so muss er im Jahr 1834 als Buchhalter in einer Baumwollspinnerei in Bruck an der Leitha sein karges Brot verdienen.

Da seine akademischen Stellengesuche ohne Erfolg bleiben, plant er in die USA auszuwandern. Doch plötzlich wendet sich sein Schicksal, er bekommt die Stelle als Professor für Arithmetik, Algebra und Geometrie an der „Ständischen Realschule“ in Prag. In dieser Stadt hatte Karl IV. im Jahr 1348 die erste deutsche Universität gegründet, hier hatten die großen Astronomen Tycho Brahe und Johannes Kepler gewirkt. Prag hat, als Doppler hier ankommt, 100 000 Einwohner und einen hohen Rang in der europäischen Wissenschaft. 1836 heiratet er in der Pfarrkirche Mülln die hochbegabte 24-jährige Salzburgerin Mathilde Sturm, Tochter eines angesehenen Goldschmieds. In den nächsten elf Jahren, in denen die Familie in Prag lebt, werden fünf Kinder geboren. In Prag entsteht und veröffentlicht Doppler sein Hauptwerk „Über das farbige Licht der Doppelsterne und einiger anderer Gestirne des Himmels“ und mehr als 50 wissenschaftliche Arbeiten in den Disziplinen Mathematik, Physik und Astronomie.

Seine Hypothese ist, dass die Farbigkeit der Sterne auf der Entfernungsänderung während der Lichtaussendung beruhe. Seine Bemühungen führen schließlich zum baldigen experimentellen Nachweis des akustischen Phänomens, das als Doppler-Effekt in die Wissenschaft eingeht. Beim Doppler-Effekt handelt es sich es um Wellen, die von einem Sender ausgesendet werden und bei einem Empfänger ankommen. Der Doppler-Effekt ist die zeitliche Stauchung beziehungsweise Dehnung einer Welle durch die Veränderungen des Abstands zwischen Sender und Empfänger. Verkleinert sich der Abstand Sender–Empfänger, so steigt die wahrgenommene Frequenz. Vergrößert sich der Abstand, so sinkt diese. Daher wird das Motorengeräusch eines Rennwagens oder das Folgetonhorn eines Rettungsautos beim Annähern als höher, beim Entfernen als tiefer wahrgenommen. – Es ist der Wiener Physiker Ernst Mach, der 1860, also sieben Jahre nach Dopplers Tod, den Nachweis für die Richtigkeit von Dopplers Forschungen erbringt und ihm damit die Anerkennung seiner Entdeckungen zuteilwerden lässt. Der Doppler-Effekt hat sich wissenschaftlich als „Jahrtausendeffekt“ erwiesen, ohne den das Leben heute nicht mehr vorstellbar ist. Damit erweist sich Christian Doppler als der für die Menschheit bedeutendste Wissenschafter Salzburgs. Was Mozart in der Musik der Welt bedeutet, so sind die Errungenschaften in der Technik und Medizin ohne Dopplers Forschungen nicht denkbar.

Doch Dopplers unermüdliche wissenschaftliche Forschungen und Publikationen schlagen sich schließlich in massiven gesundheitlichen Schäden nieder. Zudem fühlt er sich in der Stadt Prag persönlich nicht wohl. Im Jahr 1847 aber tut sich eine neue berufliche Chance für ihn auf, denn er wird als Professor für Mathematik und Physik an die Berg- und Forstakademie in Schemnitz (heute: Banska Stiavnica) im slowakischen Erzgebirge berufen, ein Jahr später wird er für seine Forschungen Mitglied der „Österreichischen Akademie der Wissenschaften“. In Schemnitz besteht seit 1772 die älteste Bergbauakademie der Welt. Als jedoch die Revolution 1848 auch auf Ungarn übergreift, erfasst die Unruhe auch das zu Ungarn gehörige Schemnitz. Wieder ergibt sich für den geachteten Wissenschafter eine neue Chance. Da 1849 der Förderer Christian Dopplers, der in den Adelsstand erhobene Simon Stampfer, in Pension geht, wird sein Zögling als Nachfolger nach Wien berufen und Direktor des neu errichteten Instituts für Experimentalphysik. Jetzt ist der Forscher Christian Doppler am Höhepunkt seiner Karriere.

Der Erfolgreiche hat generell immer Neider, die sich zumeist zu Gegnern entwickeln. Doppler begeht den Fehler, dass er in der Akademie der Wissenschaften den Vorschlag unterbreitet, die Verbesserung der Daguerreotypie (des ersten kommerziell nutzbaren Fotografieverfahrens) wissenschaftlich weiterzuführen. Damit erwächst ihm der bedeutendste Mathematiker der Monarchie, Josef Petzval, zum mächtigen Feind. Denn dieser hatte mit seinem Objektiv die Lichtstärke um das 32-Fache gesteigert und die Belichtungsdauer von einer Viertelstunde auf eine halbe Minute gesenkt. Petzval wirft Doppler vor, er betreibe Populärwissenschaft. Die Akademie schließt sich dieser Meinung an. Doppler, gesundheitlich bereits schwer beeinträchtigt, ist daraufhin ein gebrochener Mann.

Dazu verstärken sich seine gesundheitlichen Probleme immer mehr. Seine Mitarbeit in der Werkstatt seines Vaters bis zum 17. Lebensjahr äußert sich zunehmend negativ, denn Doppler erkrankt – wie übrigens der Vater und ein älterer Bruder – an einer dauerhaften atemwegsverengenden Lungenkrankheit. Er erhofft sich Linderung beziehungsweise Heilung in Venedig. Nach 150 Tagen eines sich ständig verstärkenden Leidens stirbt Doppler am 17. März 1853 im Beisein seiner Frau Mathilde in der Lagunenstadt im Haus Riva degli Schiavoni 4133. Er liegt am Friedhof von San Michele begraben, allerdings ist sein Grab auf diesem Friedhof nicht mehr bekannt.

Selbst in seinen kühnsten Träumen hätte sich der Visionär Christian Doppler kaum vorstellen können, welche Bedeutung seine Entdeckung einmal für die gesamte Menschheit haben würde und welche Wellen seine Schrift „Über das farbige Licht der Doppelsterne“ (1842) einmal schlagen würde. Kein Effekt hat unser Weltbild so entscheidend verändert wie das Doppler-Prinzip. Prof. Dr. Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, erklärte auf einem Symposium in Salzburg anlässlich Dopplers 200. Geburtstag den Doppler-Effekt zum „Jahrtausend-Effekt“. In seiner Monografie über Doppler bezeichnet der langjährige Ressortchef für Außenpolitik bei den „Salzburger Nachrichten“, Clemens M. Hutter, den Gelehrten als den „für die Menschheit bedeutendsten Salzburger“. In Salzburg tragen die Christian-Doppler-Universitätsklinik (ehemals: Landesnervenklinik) und ein Gymnasium in Lehen seinen Namen. Eine Straße und der Platz vor dem Salzburger Flughafen sind ebenso nach ihm benannt. Der Christian-Doppler-Fonds unterstützt Forschungsarbeiten zur Nutzung des Doppler-Effekts.

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