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Gefängniszelle San Quentin 1973

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Hinter Gittern nun schon das zwölfte Jahr, grauhaarig und alt vor seiner Zeit, ein Greis von fünfzig, hatte er jedesmal, wenn ihm wegen guter Führung und Bestarbeit in der Tischlerei vorzeitige Entlassung versprochen worden war, gegen irgendwelche Regeln verstoßen, um die Haftzeit zu verlängern. Er wollte seine achtzehn Jahre bis zum letzten Tag absitzen, denn er fühlte sich schuldig.

»Reden Sie mit ihm, er wird es Ihnen beichten«, hatte mir der Gefängnisdirektor versichert. »Darauf wartet er bloß.«

So redeten wir also miteinander, Julio Martinez und ich, und ist mir auch der Ablauf des Geständnisses nicht mehr deutlich, so doch der Tonfall – er sprach gedämpft mit starkem mexikanischem Akzent, und er schaffte es, daß ich mir vorstellte, wie er in jener Nacht nach Hause gekommen war, müde von der Plackerei auf dem Feld und der Arbeit an dem Schuppen, den der Boß unter Flutlicht hatte bauen lassen. Lang nach Mitternacht war es, und die Frau fehlte. Das Haus, eine Holzbaracke am Dorfrand, war verwaist. Er suchte sie, rief nach ihr, und dann streckte er sich auf der Pritsche aus und wartete. Wo mochte sie sein? Nie zuvor war sie ohne seine Billigung weg gewesen, immer hatte sie bereit gestanden mit einem Bottich heißen Wassers, daß er sich wusch, und mit warmem Essen auf dem Herd. Eine Stunde verstrich und eine weitere. Maria blieb verschollen. Es nutzte nichts, daß er über die Arbeit nachdachte, die morgen anlag und wie er die Männer dazu bringen konnte, gegen die Doppelschichten anzugehen, die ihnen aufgezwungen waren, die Hungerlöhne, die Ausbeutung. Wer würde mithalten, wenn er zum Streik aufrief, wer sie unterstützen, falls es dazu kam. Es nutzte nichts, daß er dem nachgrübelte. Wo war Maria? Die Knochen schmerzten ihn, das Kreuz, und mehr als nur die Stiefel von den Füßen ziehen, brachte er nicht zustande. Er war geschafft. Schlaflos lag er da und starrte vor sich hin. Nichts regte sich. Schon war es drei und erst im ersten grauen Licht des Morgens bewegte sich die Tür. Die Frau trat ein, leise trat sie ein, und er erkannte, daß ihr Haar wirr und die Bluse überm Busen zerrissen war. Argwohn durchfuhr ihn. Weibsstück, dachte er, Hure – wo verdammt, hast du dich rumgetrieben, und noch ehe er das laut herausschrie, war er auf den Beinen, stand er vor ihr und – schlug zu. Sie schrie und fiel, prallte mit dem Kopf gegen die Tischkante und blieb liegen. Reglos blieb sie liegen und war tot. Er riß sie an sich, sie hing in seinen Armen wie eine Puppe, schlaff die Arme, der Körper, der Busen entblößt in der Bluse. »Maria«, hauchte er, »Maria« – und noch ehe die Hähne krähten, stellte er sich der Polizei auf dem Revier.

»Und was hörte ich da – was verdammt, hörte ich da?« fragte er mich.

Ich schwieg. Er würde es schon sagen.

»Herumgetrieben«, sagte er dumpf, und es war, als erinnere er sich an ein gestriges und kein zwölf Jahre altes Geschehen. »Nichts davon, und auch mit keinem Kerl hatte sie sich eingelassen. Was ihr zustieß, stieß ihr auf der Demonstration zu, die Bullen hatten sie so zugerichtet, weil sie das Transparent nicht losließ. Und dann war sie verhaftet, vor Morgengrauen aber wieder auf die Straße geworfen worden. So war das – und ich bin schuldig, und werde es sein bis in den Tod. Jesus!«

»Jesus«, sagte auch ich, aber es war ihm kein Trost, und er blickte noch ins Leere, als ich schon aufbrach.

Die Zeit berühren

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