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Woolloomolloo Sydney 1950

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Maria war vor Kriegsbeginn aus Ungarn geflüchtet und auf abenteuerlichen Wegen nach Australien gelangt, und mir, dem um Jahre Jüngeren, schien es, als habe sie unendlich mehr Leben gelebt als ich. Es zeichnete sich in ihren Augen ab, ihrem Lächeln, ihren Bewegungen – die versprachen Erfahrung, das spürte ich. Wir begegneten uns in ihrem kleinen Laden am Hafen von Woolloomolloo, wo sie selbstgefertigte Broschen, Ohrringe und anderen Schmuck verkaufte, und daß sie für mich, den Kohlentrimmer eines Südseefrachters, vorzeitig den Laden schloß, nahm sich wie ein Wunder aus.

Zusammen gingen wir den Weg vom Hafen die Steinstufen hinauf nach Potts Point, und als sie die Tür ihrer kleinen Wohnung hinter uns zumachte, sie den Vorhang zuzog vor dem Fenster mit dem Blick zum Meer, war schon erfühlt, was wir uns geben und füreinander sein würden. Von ihrem langen, dunklen Haar ging ein betörender Duft aus, und später war mir, als schwebe dieser Duft im Raum. Er verlor sich nicht, und als sie sich am Morgen über mich beugte und ihr Haar seiden über mein Gesicht glitt, war es, als hätte sich der Duft in der Nacht gesammelt. Ich atmete ihn und begehrte sie. Noch ehe sich im Vorhang das erste Licht des Morgens zeigte, klang von unten im Hafen das Tuten einer Schiffssirene zu uns hoch – es mußte der Ruf der Fiona sein, meines Frachters, der planmäßig auslief – Mann von Bord. Ich durfte nicht fehlen. Maria blieb, wo sie lag, und in der Hast meines Aufbruchs fragte sie nicht nach einem Wiedersehen. Ich küßte sie und ging, und schrieb ihr von fernen Häfen – Maria Ronai, Schmuckladen am Kai von Woolloomolloo, Sydney. Ob meine Briefe sie erreichten? Mich erreichte keine Zeile von ihr. Und spürte ich auch, so lange ich es trug, das Kettchen, das sie mir zum Abschied zusteckte, fremd auf meiner Haut – der Duft ihres Haares blieb mir.

Die Zeit berühren

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