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St. Vincent Place Melbourne 1949

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Es ließ sich gut an – Bill Harvey, dem ich die Wohnung vermittelt hatte, zeigte sich erkenntlich, indem er einmal die Woche mit seinem kleinen Ford zum Markt fuhr und auch sonst den Großteil aller Besorgungen machte, und Henry Higgins, der zu meiner Überraschung mit eingezogen war – was wußte ich damals von Männern, die anders waren –, kochte für uns in der Gemeinschaftsküche und hielt das Haus sauber. Von dem Tag an, als er seufzend klagte, Frauenarbeit sei nie getan, nannte ich ihn für mich Henriette. Wir tangierten uns nicht. Die Wohnung der beiden lag zum Hinterhof und meine zum Platz mit den rund ums Jahr blühenden St. Vincent Gardens. Das Haus war alt, aber gut in Schuß, weiträumig, mit großen Fenstern, war renoviert ehe wir einzogen, und außen und innen weiß. Oben, in der Wohnung mit der Veranda, lebte der Hauswirt mit seiner Mutter, und anzurechnen war ihm, daß er keinen Anstoß an Bill und Henry nahm. Er akzeptierte sie und wie sie waren und honorierte Henrys Mühen, indem er den beiden die Miete herabsetzte. Nichts also störte den Lauf der Dinge, bis ich Bill eine Wochenendarbeit anbot – von montags bis freitags war er Buchhalter einer Sportwarenfirma, nun fuhr er mich samstags und sonntags in seinem Auto von Kirche zu Kirche, wo ich für Elite-Fotos mit einer Leica Hochzeitsbilder machte. Henry vermißte Bill und war eifersüchtig, ließ gleich das Kochen und vernachlässigte das Haus. Bald mußte der Hauswirt die Arbeit tun, und natürlich erhöhte er die Miete wieder. Henry bemerkte das schadenfroh; auch sonst hatte er sich verändert – er war hämisch geworden, spitz, und weil niemand mehr kochte, magerte er ab. Bill aß in Restaurants und fehlte jetzt nicht nur an den Wochenenden, ich selbst, der in der Stadtbibliothek an einem Buch schrieb, ging während der Woche für billiges Geld in der Kochschule essen, und an den Wochenenden zu Chung Wah, dem Chinesen. Meine Wohnung am St. Vincent Place war zu einer Schlafstätte reduziert, und fortan sah ich Henry so gut wie nie. Der Augenblick, als ich ihn in der Dämmerung auf den Stufen der Stadtbibliothek sitzen sah, blieb mir haften. Henry weinte. Er saß dort, zusammengekauert, und weinte. Natürlich ließ ich mich aufhalten, natürlich fragte ich ihn nach seinem Kummer – aber er antwortete nicht gleich. »Was zahlen Sie Bill, daß er Sie an den Wochenenden zu den Kirchen fährt?« fragte er schließlich. Ich sagte es ihm. Er putzte sich die Nase, wischte sich mit dem Handrücken die Augen und nahm dann aus seiner Brieftasche eine Fünfpfundnote. »Nehmen Sie das, ich bitte Sie, und mieten Sie sich jemand anders – und jeden Freitag komme ich mit dem Geld.«

Das schlug ich aus, suchte mir aber einen neuen Fahrer. Bald glänzte das Haus am St. Vincent Place wieder von innen, wie zuvor aßen wir zu dritt in der Gemeinschaftsküche, doch erst als sich meine Freundin bei uns einlud und wir zu viert aßen, war Henry ganz der alte. Er sang beim Servieren, warf uns allen freundliche Blicke zu und wirkte gelöst wie in den Tagen, als er mit Bill Harvey eingezogen war.

Die Zeit berühren

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