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Bahnwärterhaus Rheinland 1938

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Die Eltern wollten, daß ich von Duisburg nach Köln eine Fahrkarte löse und mein Fahrrad per Zug befördere, und als ich dann die Brodski Brüder, David und Schlomo, am Zielbahnhof traf, waren sie erschöpft von der langen Strecke, die sie ohne mich geradelt waren. Auf dem gemeinsamen Weg rheinaufwärts legten sie schon nach kurzer Zeit eine Rast ein, entfachten hinter der Uferböschung ein Feuer, und während sie sich dort ausruhten, sollte ich auf Quartiersuche gehen.

Eine Bäuerin, die ich ansprach, wollte uns ihre Scheune nicht lassen, sollten wir doch sonstwo schlafen, und ich hatte das Gefühl, sie witterte etwas. Als sich ähnliches mehrfach wiederholte, ich wieder geringschätzig abgewiesen wurde, kam ich mir gebrandmarkt vor. Mir war, als läge Bedrohung in der Luft. Mißmutig kehrte ich zu David und Schlomo zurück, löffelte schweigend die Suppe, die sie gekocht hatten, und brauchte nichts zu erklären. »Werden wir müssen schlafen im Wald«, sagte Schlomo, und das machte mich nicht gesprächiger. Sein jiddischer Tonfall und wie er und sein Bruder die Worte verdrehten, störte mich plötzlich. Immer noch schwieg ich, und dann spülten sie das Kochgeschirr, packten es weg und löschten das Feuer. Wir radelten weiter. Gegen Abend wurde es kalt und wir froren. Der Wind pfiff, die Dynamos surrten, und das Licht der Scheinwerfer irrte über dem schmalen Flußweg. Wir bogen rechts ab auf ein Wäldchen zu, und ich hoffte sehr, dort nicht übernachten zu müssen. Aber wo sonst? Die beiden, David und Schlomo, das war gewiß, würden schon ihrer Sprache wegen nicht mehr ausrichten als ich.

»Redet nicht so verquer«, bat ich sie, »sonst landen wir nirgends und erfrieren im Wald.«

Schlomo zog die Schultern ein und betrachtete mich über die Achsel. »Wer wird reden«, fragte er. »Du wirst reden.«

Der Eisenbahner, der im Fenster des Bahnwärterhauses lehnte, sah mich lange an. »Keine Bleibe, was«, meinte er. »Drei obdachlose Judenjungen.«

Dabei hatten die Brodskis noch kein Wort gesagt. Ich spürte, daß sie mir etwas vorwarfen, fand sie im Recht und trat einen Schritt zurück.

»Wird keinen Sinn haben, hier um Quartier zu bitten«, meinte ich zu dem Eisenbahner.

Statt einer Antwort sagte er das von den drei Affen, von denen einer nichts hört, der zweite nichts sieht, der dritte nichts sagt.

»Könnt ihr es so halten?« fragte er.

Es war warm im Bahnwärterhaus, im Kanonenofen brannte knackend das Holz, und wir schliefen fest auf dem harten Boden, hörten weder den Streckenmelder noch das Rattern der Züge. Es war schon hell, als uns der Eisenbahner mit dampfendem Muckefuck weckte.

Wir tranken die Becher leer und dankten ihm.

»Drei Affen«, warnte er uns. »Ihr wißt Bescheid.«

»Werden wir es nicht wissen«, sagte Schlomo achselzuckend und stieß uns dabei an.

Der Mann stutzte. »Was soll das heißen?«

»Von uns erfährt keiner was«, versprach ich schnell.

»Besser auch«, sagte der Mann, »und nun ab mit euch.«

Er sammelte die Becher ein. Und dann radelten wir nach Köln zurück.

Die Zeit berühren

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