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Übrigens stand in den letzten Wochen von Jena die Freundschaft mit Reinhold Wilmer nicht mehr im Mittelpunkt ihres Lebens. Lucia geriet vielmehr in den seltsamen Kreis des Philosophen Geisberg, von dem sie schon einiges gelesen hatte und dessen »Metaphysik der Lebensalter« damals großes Aufsehen erregte. Es war ein Buch, das vielleicht den Endpunkt, vielleicht aber auch den späten Höhepunkt der Jugendbewegung darstellte. Geisberg sprach davon, daß in diesem Wendepunkt der Welt eine neue, vorurteilslose, klare, tapfere und rücksichtslose Jugend sich der Welt bemächtigen und das Jugendantlitz des neuen Zeitalters herausarbeiten müsse. Freilich gehöre dazu eine Aristokratie der Jugend oder, wie er es nannte, eine Aristie. Das Wort von der Aristie der Jugend war ein Schlagwort jener Tage und richtete mancherlei Verwirrung an. Aber die Forderung Geisbergs nach Wahrheit, Klarheit, Tapferkeit, Entschiedenheit, Ablehnung des Gewesenen und Verwelkten erregte Lucias mutiges Herz.

Geisberg selbst kam im Sommer 1920 zu einer Vortragsreihe nach Jena und sprach an sechs Abenden hintereinander in dem großen und stets überfüllten Volkshaussaal. Lucia war in jedem Vortrag. Der etwa fünfzigjährige Geisberg enttäuschte sie zunächst. Er war ein kleiner, etwas dürrer Mann, mit einem blonden, schütteren Ziegenbärtchen, mit einem wilden, leicht ergrauten Haarschopf, den er eitel hin und her strich, mit einer hellen, etwas krähenden Stimme. Ein Mann, der mit blendenden, aufreizenden Formulierungen und kunstvoll Pausen setzend den Beifall aus dem Publikum herausangelte, um ihn dann mit abwehrenden Gesten seiner sehr langen, schmalen Hände verächtlich zurückzuschleudern, mit seinen gepflegten Händen, die in einem merkwürdigen Gegensatz zu seiner nachlässigen Kleidung standen.

Nach den Vorträgen versammelte Geisberg seine Anhänger meist noch zu Gesprächen um sich. Er war immer umgeben von einer Schar junger Männer, die man spöttisch die Aristen nannte, reiche und arme Jünglinge, die ihn auf seinen Reisen begleiteten und von denen er wohl in den Zeiten, in denen er nicht auf Vortragsreisen war, lebte. Durch Theo Grain, den sie auf einem Vortrag wiedertraf, wurde sie, als eine von drei jungen Mädchen, bei diesen Abenden eingeführt. Sie fanden in der Wohnung eines wohlhabenden Kaufmanns namens Marswede statt, der eigentlich Anthroposoph war, aber allen geistigen Strömungen der Zeit offen, wie er gern und häufig betonte. Marswede – übrigens ein vielschwätzender Dummkopf – hatte lange in China gelebt. Die Wände seiner Wohnung waren mit chinesischen Rollbildern bedeckt, mit Seidenteppichen kostbar ausgestattet, und wenn Marswede nicht gerade einiges aus den Lehren seines Lehrers Rudolf Steiner zum besten gab, so pflegte er die Unterhaltung durch ein paar Zitate aus Confutse oder aus dem I Ging zu würzen und zu verwirren.

Geisberg hatte ein fatales Talent, ihm, dem Gastgeber (er wohnte auch dort), zuzuhören, zuzustimmen und ihn dann sehr schnell aufs Glatteis zu führen und stürzen zu lassen. Hiernach wandte er sich wieder seinen Aristen zu, um ihnen die Grundzüge der Wahrhaftigkeit und der Tapferkeit darzulegen.

Merkwürdige acht Tage! Merkwürdige Abende. Geisberg in einem mit chinesischem Brokat überzogenen Sessel thronend. Marswede massig und töricht neben ihm auf einem Hocker sitzend und nervös nach einer Zigarette angelnd, die er nicht rauchen durfte, da Geisberg die Vernebelung der Gehirne durch das Nikotin unerträglich fand und den feineren Sinnen abträglich. Nicht abträglich diesen feineren Sinnen war der Sekt, den Geisberg in durstigen Zügen aus einem schönen Pokal zu trinken pflegte. Aber auch diesen Sekt billigte er sich allein zu, ein Altersgebräu, wie er sagte, das sein müder schlagendes Herz zu jugendlichen Rhythmen anfeuerte.

Es wurden nicht eigentlich Diskussionen abgehalten, sondern die Aristen stellten Fragen, die wahrscheinlich schon vorher verabredet waren. Ein Beispiel: Gaston Levy, der Lieblingsjünger Geisbergs (Johannes mit Spitznamen), fragte, ob die führende Jugend sich verheiraten dürfe, ob sie es müsse oder ob das ihrem Regierungsauftrag oder der Weltlenkung abträglich sei. Geisberg nickte, sann pathetisch vor sich hin und entwickelte dann eine billige, wilde Theorie, nach der die Ehe ein Notstand sei, nur für die Schwächeren, die dürftige Menge notwendig. Für die Regierenden ablenkend und höchst schauderhaft. Allerdings seien die Regierenden zur Zeugung verpflichtet. (Man sieht, Geisbergs Theorien tauchten später recht wirksam wieder auf!) Und es komme nun darauf an, Frauen mit Mut und Unterscheidungsvermögen zu finden, die kurzfristige Gefährtinnen der Regierenden zu sein imstande wären. Dabei blitzte Geisberg die anwesenden drei jungen Mädchen lachend an. Ob zum Beispiel Lucia kraftvoll und mutig genug zu dieser Aufgabe sei. Ihrem Körper nach gewiß. Aber der Geist sei in ihr wohl noch nicht mächtig. Geisberg war immer von einer scharfen Direktheit, der in diesem Fall ein faunisches, gieriges Element beigemischt war. Lucias Antwort, daß es ihr zwar nicht an Mut fehle, wohl aber an der Neigung zu dem Beruf einer Regierungsmutter, erregte einige Heiterkeit, die aber von einer herrischen Gebärde Geisbergs schnell erstickt wurde. In dieser Gebärde war Geringschätzung, Mitleid für die Unverständige, und man ging schnell zu anderen, wichtigeren Themen über. Um so erstaunter war Lucia, als am anderen Morgen zwei der Aristen sie in der Universität aufsuchten. Es waren jener Jünger Johannes, der blauäugige französische Jude Gaston Levy, ein zarter, schmalhüftiger, feuriger Jüngling, und der junge Dramatiker Gellewein, der mit revolutionären Einaktern einigen Erfolg gehabt hatte, quicklebendig, etwas dicklich, mit vorquellenden Basedowaugen, höchst intelligent und verschlagen, ein Allesfresser, der, mit einem hungrigen Gehirn ausgestattet, jeden Gedanken der Zeit in sich hineinfraß und in wirren Deklamationen wieder aus sich herausspie. Sie kamen, um Lucia zu Geisberg einzuladen. Er müsse dringend mit ihr sprechen. Es sei von höchster Wichtigkeit, daß sie sich sofort zu ihm begäbe.

Die Unterredung, die in dem prächtigen Zimmer Marswedes stattfand, ist schwer aufzuzeichnen. Deshalb scheint es besser, die Tatsachen zu berichten.

Geisberg empfing sie in einem prächtigen Marswedischen Chinesenkittel, ein schwarzglänzendes Mandarinenkäppchen auf den Schopf gedrückt. Er schien nicht ganz nüchtern, obwohl die Sektflasche, aus der er sicher getrunken hatte, nicht mehr zu sehen war. Sie durfte auf dem Hocker neben dem Brokatsessel Platz nehmen. Er faßte mit seiner schönen linken Hand nach ihrem Arm und sah sie lange prüfend an. Nach gut fünf Minuten erst begann er zu sprechen. Lucia sei ihm aufgefallen, gleich am ersten Vortragsabend. Immer, wenn er auf dem Podium stünde, würden ihm einzelne Zuhörer sichtbar, leuchteten durch eine gewisse Aura in der grauen Menge, zeigten sich ihren Anlagen nach als Ausgezeichnete oder Erwählte oder vielmehr böten sich seinem inneren Auge, dem Polyphem-Auge des Herzens, dem Einauge, zur Wahl an. Es habe ihn deshalb nicht erstaunt, daß sie im intimen Kreise, angezogen von dem Weltbild Geisbergs – er sprach von sich stets in der dritten Person –, erschienen sei. Das, was sie gestern geäußert hätte, sei zwar ebenso unwichtig wie unrichtig. Denn woher wolle sie wohl ihre Berufung kennen, etwa daher, daß sie mit einem Kommunisten zu schlafen pflege? Ja, er habe sich erkundigt. Ein netter Mann, aber unrettbar einer falschen und veralteten Weltansicht verfallen.

Hier mußte Lucia lachen. Aber er schien es nicht zu hören. Er fuhr einfach in seinem Monolog fort. Er habe sie in die Liste seiner Anhänger aufgenommen, nicht als aktives Mitglied. Denn das könnten aus naturgegebenen Gründen nur Männer sein, geistgeführte Überwinder aller Bindungen. Aber als passives frauliches Mitglied. Nun begriff Lucia schon eher das seltsame Angebot, und nur schwer konnte sie das Gelächter unterdrücken, das in ihr aufstieg. »Können Sie entschieden fühlen?« fragte Geisberg scharf. Sie entzog ihm endlich ihren Arm und sagte: »Sehr entschieden.« Er nickte bedeutungsvoll. Dann sagte er: »Man bestürmt mich, daß ich einen Sohn bekommen soll. Ich habe bisher abgelehnt. Aber wahrscheinlich haben meine Anhänger recht. Der Versuch, eine körperliche Erdenspur zu hinterlassen, sollte gemacht werden. Ohne alles Geschwätz also: Sind Sie bereit? Sind Sie tapfer, sind Sie bedingungslos genug? Ich habe acht Tage Zeit.«

Lucia erhob sich. Was sollte sie darauf antworten? Denn so lächerlich das Ganze war, so völlig absurd und außerhalb ihrer Möglichkeiten: er war trotz allem ein bedeutsamer Mann, der bedeutendste, der ihr bisher begegnet war, ein verwirrter Geist wahrscheinlich, aber ein Geist, von dem zu lernen schön und wichtig gewesen wäre. Entschiedenheit und Tapferkeit. Die Dinge zu Ende denken. Vor nichts erschrecken. Keine Bindungen haben, die den äußersten Ansprüchen nicht genügten ... das war etwas für ihre mutige Seele und für ihr durch die allzu enge Bindung an Reinhold enttäuschtes Herz. Aber dieser Mann als Mann?

Sie sah ihn lange von oben her an. Das Mandarinenkäppchen glänzte in der Sonne. Sein Blick funkelte verräterisch. Pfui ... dieser Faunsblick. Sie drehte sich um und ging schweigend auf die Tür zu. Der kleine Mann im Stuhl machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten. Er keifte hinter ihr drein mit hoher, sich überschlagender Stimme: »Geh nur zurück! Schnell zurück, dorthin, wo du hingehörst, in die Herde. Blöke mit den anderen Kühen. Blöke nur. Blöke.«

Sie hörte ihn noch schreien, als sie auf der Straße stand. Endlich konnte sie lachen. Sie lachte laut, herzlich, schmerzlich. Hier ist es nötig, von einer Grundeigenschaft Lucias zu berichten, die ihr manchen Kummer bereitet hat, der sie aber auch die Rettung aus mancherlei seelischen Schiffbrüchen verdankte. So sehr sie die eigenen Charakterfehler verachtete, so sehr nahm sie die Entgleisungen anderer Menschen als selbstverständlich hin. Niemals konnte sie als Richter auftreten. Und das heißt wiederum, daß Menschen, die sie achtete, auch Verachtenswertes begehen konnten. Sie nahm ihnen das nicht übel. »Jeder Mensch ist einer Schweinerei fähig« – so wird sie ihre Erkenntnis damals wohl ausgedrückt haben. »Deshalb ist er doch der, der er ist. Und wenn er überhaupt was ist, so muß man die Schweinerei eben hinnehmen.« Aus dieser Einstellung ist es zu verstehen, daß Lucia am Abend des gleichen Tages wieder im Kreise der Aristen erschien und sich unbefangen zu Füßen des Philosophen hinsetzte, der sie sogar einer kleinen begrüßenden Verbeugung würdigte. Das wurde von den Aristen, von denen jeder in einem eifersüchtigen Kampf um die Gunst des Meisters stand, genau registriert, und sicherlich wurden daraus ganz falsche Folgerungen gezogen, daß Geisberg nach der Diskussion alle anderen wegschickte und Lucia allein zum Bleiben aufforderte. Sie blieb – ohne Angst. Denn sie spürte, daß Geisberg sein lächerliches Angebot vom Vormittag nicht wiederholen würde. Mochte er auch faunsartig aussehen. Sein Geist hatte etwas Löwenhaftes, und er würde nicht versuchen, die Beute, die er einmal verfehlt hatte, nochmals anzuspringen.

Geisberg rückte zwei Stühle auf den Balkon, von dem aus man bei einem sanften, zuweilen von leichtem Gewölk verschatteten Mondschein auf die Lichter der Stadt sehen konnte. Er hatte herrisch noch eine Flasche Sekt und – o Wunder – zwei Gläser von Marswede verlangt. Er öffnete sogar selbst die Flasche, schenkte ein und stieß mit Lucia an. Dabei lächelte er ein wahrhaft liebenswürdiges, werbendes Lächeln. Er war überhaupt natürlich, menschlich und auf eine herzliche Weise bewegt. Das ganze Kasperletheater der Bedeutsamkeit (so hatte Reinhold respektlos seine Allüren in der Öffentlichkeit genannt) hatte er abgetan. Nur das fünf Minuten lange »besinnende« Schweigen war noch geblieben. Dann aber sprach er männlich und warm. Tastend und vorsichtig und nicht ohne Selbstironie: Er sei durchaus kein tiefer Brunnen, aus dem jeder Hinz und Kunz unerschöpflich Erkenntnisse herausschöpfen könne, sondern zuweilen vertrocknet und verdorrt und quellenlos. Ähnlich nur von fern dem Bild, das sich die Aristen von ihm malten. Aber er wolle dieses Heiligenbild ruhig »in der Kirche« hängen lassen. Lucia habe jedoch vermittels ihres helläugigen Herzens erkannt, daß er durchaus noch nicht festgefahren sei in jenen Kernsätzen und Leitsprüchen, die seine Anhänger als Geisbergsche Grunderkenntnisse zu verbreiten pflegten. Es sei ihm merkwürdig gewesen, eine entschiedene, mutige und dennoch weibliche Frau zu treffen, die ihn anerkenne und nicht einfach kritiklos hinnehme oder ablehne. Der bedeutende Geist – und er, Geisberg, wisse selbstverständlich um seine eigene Bedeutung – lebe leider zumeist in einem luftleeren Raum zwischen absoluter Anerkennung durch die Anhänger und absoluter Verneinung durch die Gegner. Aber das nur nebenbei. Weswegen er sie gebeten habe, noch dazubleiben und ihm, dem Alternden, ein paar kostbare, unwiederbringliche Stunden zu schenken: Er habe immer das absolute Primat des Männlichen aus vollster Überzeugung vertreten und die lächerlichen Mütterlichkeitsapostel und Matriarchatler abgelehnt, und das tue er auch noch. Aber die Wege der letzten Jahre hätten ihn an einigen Frauen vorübergeführt, die ihm gewisse Zweifel an der Überlegenheit der Männer ins Gedankenbeet gesät hätten. Bisher habe er alle aufgehende Saat als Unkraut ausgerissen. Nun aber müsse er wider Willen begreifen – »ja, ja, Lucia, Sie spielen eine bedeutende Rolle in meinem Leben« –, daß er Ausnahmen zuzugestehen habe, daß es also doch mit der Theorie des Logos spermatikos oder der hormonalen Überlegenheit des Männlichen nicht seine absolute Richtigkeit habe. Er bitte sie also um ihre Freundschaft, die nichts weiter zu sein brauche als das Versprechen, ab und zu einen Gedankenbericht aus ihrem Leben an ihn abzugeben. Denn er müsse nun an einen etwas mühsamen Umbau des Gedankengebäudes gehen. Er müsse den Frauen, die sich hier, da und dort als Vertreterinnen eines ganz neuen Frauentyps zeigten (oder Menschentyps, das wisse er noch nicht), eine gewisse Rolle zuerkennen, über deren Umfang er sich ohne Lucias Hilfe und ohne die Hilfe jener paar anderen Frauen keine Klarheit verschaffen könne. »Sie sind klüger gewesen als ich«, sagte er zum Schluß, »und ich gestehe, daß ich darüber nicht traurig bin, sondern, weil’s das im Augenblick Notwendige hervorbrachte, sehr zufrieden. Für uns beide ist es wichtiger, eine mann-weibliche Freundschaft zu schließen, die ich bisher abgelehnt habe, als uns in jene Beziehungen zu begeben, deren Dauer auf wenige Sekunden oder Minuten begrenzt ist.«

So ungefähr sprach Geisberg an jenem Abend. Wenn man diese Unterhaltung aufschreibt, so klingt das gestelzter, als es war. Es war nämlich alles ganz einfach gemeint, und das junge Mädchen Lucia wurde durch die Freundschaftserklärung so heftig erschüttert, daß man das Folgende vielleicht begreifen kann. Sie beugte sich nämlich voller Rührung über Geisbergs Hände und küßte sie. Er nahm das mit einer reizenden Verlegenheit entgegen, strich ihr über die Haare, schob sie auf ihren Sessel zurück und begann friedlich, freundlich und mit einem bissigen Humor über sein Leben, seine Armut, seine Kämpfe, seine Erfolge zu berichten, über seine Erdenspur, wie er das nannte, deren kometenhafter Aufstieg auf seinem Zenit angekommen sei und sich nun dem Abstieg zuneige. Denn in dem Augenblick, in dem ein Philosoph oder Lebenskünder, der er eigentlich sei, von seiner Einseitigkeit ablasse, müsse es mit seinem Erfolg bergab gehen, da nur der Einseitige Anhänger haben könne, und der wahrhafte Denker, der die Dinge rund denke oder wenigstens eine eigene Gedankenarbeit verlange, nichts als Zweifel hinterlasse. Niemand zahle außerdem dafür, daß er selber denken müsse.

Mit solchen Gesprächen verbrachten sie die halbe Nacht, fast bis zur Morgendämmerung, und verabschiedeten sich heiter und als Freunde. Als Lucia aus dem Hause trat, sah sie, wie die beiden Aristen Gaston Levy und Gellewein eiligst davonrannten. Sie hatten vor dem Hause Wache gestanden, um festzustellen, was eigentlich zwischen Geisberg und Lucia geschehen sei. Sie mußte wieder einmal herzlich lachen. Nun wußten die beiden etwas ganz Falsches.

Damit endete das Kapitel Jena. Denn der Abschied von Reinhold, der Bruch mit ihm, den sie noch am letzten Tag mit Entschiedenheit vollzog, war nicht mehr bedeutungsvoll, da sie ihn ja schon Wochen vorher vollzogen hatte. Die innere Entscheidung entscheidet allein. Ach, was für ein kluger Satz! Wie lange kann man mit einem Menschen leben, von dem man sich innerlich schon längst getrennt hat, und dieses tagtägliche Zusammenleben mit seinen tausend Kleinigkeiten soll unerheblich, soll nicht entscheidend sein? Was für ein Trugschluß!

Lucia Bernhöven

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