Читать книгу Menosgada - Werner Karl - Страница 16

Kapitel XIII: Tougener

Оглавление

Alaric wusste nicht, was ihn mehr frustrierte. Die hilflose Sorge um seine Tochter, der abgeschlachtete fremde Junge, seine getöteten Jäger und natürlich die Späher der Germanen. Oder das Auftauchen mindestens eines Schwarzen Reiters. Und dem, was dieses Auftauchen bedeuten konnte. Wenn die Legende Recht behielt, dann standen ihm und seinem Volk schwere Zeiten bevor.

Er hatte vorgehabt, sich mit dem Druiden Feidlim zu beraten, ihn nach mehr Details der Legende zu befragen. Vor allem die genauen Umstände, die es seinem Vorfahren ermöglicht hatten, den Schwarzen Druiden in den Berg einzuschließen. Feidlim musste als Druide davon wissen.

Alaric wusste genau, welcher Berg dies war. Es genügte nur ein Blick über das Tal des Menos. Wie ein beständiger Stein in seinem Bauch wog das Wissen um diese Gruft schwer in ihm. Aber Feidlim war seit Tagen verschwunden. Nun war es nicht ungewöhnlich, dass der Druide sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte und natürlich frei gehen und kommen konnte, wie es ihm beliebte. Doch ausgerechnet jetzt, da ihn sein Fürst am dringendsten brauchte, war er nicht da.

Also hatte sich Alaric mit zehn Männern auf den Weg gemacht, um die nächste Siedlung der Tougener aufzusuchen.

Streitaxtleute … ein respektvoller Name. Sie wissen mit ihren Äxten umzugehen.

Andererseits zeugte es auch von dem bescheidenen Wohlstand – wenn man dieses Wort überhaupt benutzen wollte – der Tougener.

Nun, diese Tougener sind nicht der Hauptteil ihres Volkes, es sind Versprengte, Flüchtlinge. Sie haben nicht die Mittel um nennenswerte Mengen von Schwertern schmieden zu können.

Dies war einer der Gründe, warum dieser Stamm in den vergangenen Jahren hin und her gerissen war, zwischen dem Gedanken, die Kelten von Menosgada anzugreifen oder Handel mit ihnen zu treiben.

Ich mache endlich den ersten Schritt, dachte Alaric und blickte zum Himmel, wo die Sonne sich bemühte, seine düsteren Gedanken mit warmen Strahlen zu vertreiben. Ich biete ihnen nicht nur Metall zum Schmieden an, sondern ein echtes Bündnis … ich brauche ihre Männer und Äxte gegen die Germanen … und die Finsternis. Wenn sie denn wirklich auferstanden ist.

Sie waren nun den dritten Tag nordwärts unterwegs und Alaric wusste, dass es nicht mehr weit war zur Tougener-Siedlung. Eigentlich hätten sie schon auf einzelne Bauern, Jäger oder Wachen stoßen müssen, doch sie hatten bis jetzt niemanden gesehen.

Der Fürst von Menosgada hatte in einem Beutel ein Stück Stoff der Bekleidung des toten Jungen. Vielleicht half ihm dies bei den Verhandlungen. Allerdings konnte es durchaus sein, dass der Junge gar kein Tougener war, sondern ein Boier. Und die wären sicher nicht begeistert, wenn er mit diesem Beweis einer Schandtat bei ihnen auftauchen würde, egal, ob er nun schuld war oder nicht. Die Boier waren nicht sehr gesprächsbereit.

Wieder sah Alaric gen Himmel und erst jetzt fiel ihm auf, wie still es in dem Wald war. Die Sonne schickte goldene Strahlen auf die Erde, doch die Vögel blieben stumm.

Wolfried hätte mich längst mit seinem Misstrauen darauf aufmerksam gemacht. Aber Wolfried schützte in seiner Abwesenheit Menosgada. Alaric wollte gerade einen Späher vorausschicken, als ein Mann an der Spitze des Trupps die Hand hob und sein Pferd zügelte.

Alaric, der sich in der Mitte befand, scherte aus und ritt an die Seite des Mannes. Der brauchte kein Wort zu sagen, denn das Bild, das sich ihnen nur wenig abseits des Weges bot, sprach für sich selbst.

Eine junge Frau lag dort, die Kleider zerrissen und blutig. Sie lag auf dem Rücken, den Oberkörper zur Hälfte entblößt. Die Beine standen unnatürlich ab, wahrscheinlich gebrochen. Wären sie weit gespreizt gewesen, spräche es für eine Vergewaltigung … ob nun vor oder nach ihrem Tod. Doch Alaric hatte nicht den Eindruck, dass die Frau vergewaltigt worden war. Ihr starrer Blick trug immer noch das Entsetzen, das sie bei ihrem Tod empfunden hatte. Doch das war es nicht, was die Männer und ihn schlucken ließ.

Von ihrer linken Brust bis zu ihrer rechten Hüfte klaffte eine Wunde, die sie hatte ausbluten lassen, wie ein abgestochenes Schwein. Maden bewegten sich darin und fraßen sich satt. Die Ränder der Wunde waren aufgewölbt wie eine geplatzte Wurst, dunkel verkrustet von einem sengenden Hieb.

»Also ist es wahr, Herr?«

Der Krieger hatte längst seinen Schild vom Rücken und in die Linke genommen. Mit langsamer Bewegung zog er sein Schwert aus der Scheide, so als hätte er Angst, ein zu lautes Geräusch zu machen. Nach und nach taten es ihm einige seiner Kameraden gleich.

»Scheint so«, antwortete Alaric und sah für einen Moment in dem Gesicht der jungen Frau das von Kyla. »Wir sollten sie begraben«, sagte er.

Doch bevor er den Männern den Befehl dazu geben konnte, zischte ein Speer nur knapp an seiner Brust vorbei, der ihn nur verfehlte, weil er sich den Männern zugedreht hatte. Dem Speer folgte ein wütender Schrei, dem sich Dutzende weitere anschlossen.

Alaric riss seinen Schild hoch.

»Zusammenbleiben!«, schrie er.

Auf beiden Seiten des Pfades raschelte und knackte es im Wald. Ein, zwei weitere Speere und etliche Pfeile schossen durch die Luft und fanden ihr Ziel in Hals und Brust von zweien seiner Männer. Die beiden lagen noch nicht am Boden, als Alaric und der Krieger neben ihm kehrt machten.

»Bildet einen Kreis!«, befahl er und konnte einem Pfeil ausweichen, der ihn dennoch am Ohr streifte. Alaric fühlte, dass warmes Blut seinen Hals herablief.

Männer brachen aus dem Wald hervor, 20, 25 Mann. Sie alle trugen Äxte in den Händen. Nur einer schwang ein Schwert, sicher der Anführer. Sie brüllten wie eine Herde rasender Rinder und brachen wie solche durch die Gewächse am Wegesrand, dann hatten sie die Reiter erreicht. Es waren allesamt Kelten, das sah Alaric sofort. Es mussten die Tougener sein, die er aufsuchen wollte … und von denen eine tote Frau zu seinen Füßen lag. Mit kräftigen Schlägen wehrte er die Hiebe von einem Krieger ab, der nach seinem Bein hackte. Er schlug dem Mann die Klinge flach auf den Kopf, da er ihn nicht töten wollte.

»Haltet ein, Tougener!«, brüllte er und wusste dabei, dass ihm niemand zuhören würde. »Wir sind nicht die Mörder dieser Frau!«

Er hätte genauso gegen ein Gewitter anschreien können. Der Mann trat zwei Schritte zur Seite und schlug nun seine Axt auf das Maul von Alarics Pferd. Das schrie vor Schmerz auf und stieg in die Höhe. Die Bewegung kam so überraschend, dass Alaric den Halt verlor und zu Boden stürzte. Das Pferd keilte um sich und schleuderte einen anderen Tougener zwischen zwei seiner Kameraden, dann stob es davon. Sofort war der Krieger bei Alaric und hob die Hand zum tödlichen Schlag. Im allerletzten Moment konnte Alaric seinen Schild vor sich heben und mit der Spitze seines Schwertes den Mann ins Gemächt stechen. Eine Fontäne heißen Blutes schoss daraus hervor und Mann und Axt fielen nieder.

Zwei seiner Männer zur Linken und drei zu seiner Rechten saßen noch auf ihren Pferden, allerdings bluteten sie schon aus mehreren Wunden; einer hatte nur noch ein halbes Bein. Aus dem Stumpf pulste es rot und er brüllte mehr vor Wut als vor Schmerz, die Augen weit aufgerissen und halb wahnsinnig.

Der Rest seiner Begleitung kämpfte tapfer. Aber der enge Pfad ließ ihnen keinen Platz, um den Vorteil der Pferde richtig nutzen zu können. Einer nach dem anderen seiner Reiter sank tödlich getroffen vom Pferd, manche zusammen mit ihren zerhackten, blutenden Tieren. Alaric tötete noch drei Tougener, dann stand er plötzlich allein mit einem letzten Mann inmitten eines Ringes aus Feinden … und toten Gefährten.

»Verdammt noch mal, hört auf mit der Schlachterei!«, rief er den Männern zu, die den Kreis schlossen und langsam mit triefenden Äxten auf sie zugingen. »Wir sind nicht die Mörder dieser Frau«, stieß er zum zweiten Mal hervor und suchte nach dem Mann mit dem Schwert. Dieser stand schräg vor ihm und spuckte auf den Boden.

»Noch eine Lüge, du Dreckskerl, bevor ich dir deinen Kopf abschlage?«

»Ich bin Alaric, Fürst von Menosgada, du solltest mich kennen. Wir waren das nicht!« Alaric gebot seinem letzten Krieger Einhalt, als dieser sein Schwert zum Schlag erhob.

»Hört ihm doch endlich zu!«, schrie dieser. Der Mann mit Namen Yashar deutete hinter sich zu der Frauenleiche. »Seht sie euch doch genau an. Ihr Leib wurde von einer Schwarzen Klinge verbrannt. Ihr wisst genau, was das bedeutet.«

»Ammenmärchen! Lügner!«

»Dann bringt mich zu eurem Anführer, Fürst …« Ausgerechnet jetzt fiel ihm der Name des Mannes nicht ein. Er wusste nur noch, dass der Tougener-Fürst schon alt war.

»Unser Herr ist vor einem Jahr am Fieber gestorben. Sein Sohn Raik ist nun unser Stammesführer.« Der Mann mit dem Schwert senkte seinen Kopf. »Raik ist nicht so leicht zu überreden wie ich. Aber er kann es gar nicht leiden, wenn ein Anderer Entscheidungen trifft, die ihm zustehen. Soll er doch über deinen Kopf urteilen.«

Dann wandte er sich an seine Männer. »Lassen wir die beiden vorerst am Leben. Unsere Äxte haben das Mädchen ausreichend gerächt. Lassen wir Raik und den anderen auch noch ihren Spaß.«

Seine Männer stießen Siegesrufe aus und machten sich an die schreckliche Arbeit, die nach jeder Schlacht den Glücklichen blieb.

Die Tougener hatten ihn und Yashar natürlich entwaffnet und gefesselt, dann zweien seiner Männer den Gnadenstoß gegeben. Jetzt taumelten Alaric und Yashar hinter den Pferden erschlagener Kameraden her, die die Tougener noch einfangen konnten. Alle anderen unverletzten Pferde waren davongestürmt. Auf dem ersten saß der Anführer des Tougener-Trupps, auf dem zweiten lag die Leiche des Mädchens. So marschierten sie fast einen halben Tag, dann erreichten sie das Tougener-Dorf.

Oder das, was von ihm übrig geblieben war.

Der Anführer ließ sein Reittier ein langsameres Tempo annehmen und der Trupp schloss sich dankbar an. Doch tat er dies nach Meinung Alarics sicher nicht, um seine Männer - und schon gar nicht seine beiden Gefangenen - zu schonen, sondern um letzteren Gelegenheit zu geben, die Gräuel zu betrachten, durch die sie schritten.

Das Dorf musste einmal aus acht bis zehn Wohnhäusern und einigen Scheunen bestanden haben. So genau ließ sich das aus den Trümmern nicht mehr erschließen. Alles war bis auf kümmerliche Reste niedergebrannt. Etliche Tiere - Alaric hielt die verkohlten Körper für Schafe und Ziegen - lagen überall verstreut herum. Manche der Kadaver und Häuserpfosten schwelten noch.

Der Fürst von Menosgada sah an der Stelle, die wohl einmal die Dorfmitte gewesen sein mochte, einen größeren Trupp Tougener auf sie warten. Als sie sich soweit genähert hatten, dass die Wartenden ihn erkennen konnten, ließ der Anführer anhalten, dann stieg er ab. Mit wenigen Schritten war er an einem jüngeren Mann angelangt, der aber von allen Tougenern das finsterste Gesicht machte.

»Fürst Raik«, begann der Mann, der sie besiegt hatte. »Wir haben einen halben Tag von hier die Leiche eines Mädchens aus diesem Dorf gefunden. Sie muss dem Massaker für kurze Zeit entkommen sein. In der Nähe trieb sich noch dieses Pack herum, das ich dafür für schuldig halte.« Er drehte sich zu Alaric und Yashar um. »Die beiden hier sind der Rest des Packs. Einer davon will der Herr von Menosgada sein. Ich dachte mir, Fürst Raik, dass Ihr ihn wohl sprechen wollt, bevor Ihr ihm seiner gerechten Strafe zuführt.«

»Gut gemacht, Isvan. Bindet jeden von ihnen an einen Baum, der dafür nicht zu morsch ist. Dann lasst euch Bier und Brot geben. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.«

Alaric und Yashar ließen sich widerstandlos an Bäume fesseln. Sie beobachteten, wie die Tougener alle Leichen einsammelten und in einer rasch ausgehobenen flachen Grube niederlegten. Es war ein schrecklicher Anblick, wenn dabei verkohlte Teile der Körper abbrachen. Viele Leichname waren so entstellt, dass man nur noch vermuten konnte, ob dies ein Mann oder eine Frau gewesen war. Die kleineren Körper mussten die von Kindern sein. Mehr als einmal drehten sich Alaric und Yashar Männer mit unverhohlener Mordlust und Rache in den Augen zu. Aber offensichtlich hatte ihr Herr Raik eindeutige Befehle erlassen, denn niemand stürzte sich auf sie und ließ seinem Zorn einfach freien Lauf.

Als die Tougener endlich damit fertig waren, schichteten sie Erdreich und alle Steine aus der näheren Umgebung auf das provisorische Grab. Eine unheimliche Stille senkte sich über die Männer, als sie auch dies erledigt hatten und Raik auf die beiden Gefangenen zuschritt.

»Wir haben jetzt keine Zeit, diesen Menschen eine würdige Zeremonie angedeihen zu lassen«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme zu ihnen. Raik sah Alaric mit kaltem Blick an. »Leider müssen wir uns erst mit unseren Feinden beschäftigen, bevor wir ihnen den Weg in die Anderswelt ermöglichen können. Hoffen wir, dass ihre Seelen noch ein wenig warten können.«

Er konnte nicht ahnen, dass ihre Seelen längst an einem Ziel angelangt waren, von dem es kein Entrinnen gab.

»Dann versuche zu verstehen, dass weder ich noch mein Stamm deine Feinde sind, Fürst Raik«, antwortete Alaric. »Wir sollten uns beide gegen die Schwarzen Krieger vereinen … und denjenigen, dem sie gehorchen!«

»Wenn deine Behauptung der Wahrheit entspricht, werde ich darüber nachdenken. Denn wenn es einen Schwarzen Druiden gibt, ist er auch mein Feind.« Er machte eine kurze Pause, dann schien er sich zu einer weiteren Äußerung entschlossen zu haben.

»Sie wird es herausfinden.« Jedes seiner Worte zeugte von unerschütterlichem Vertrauen.

»Wen meint ihr mit sie

»Unsere Druidin.«

Menosgada

Подняться наверх