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Kapitel III: Ein Opfer für die Götter

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Brianna erschrak über das rasante Tempo, mit dem die Flammen das Schwein vollständig einhüllten. Binnen Augenblicken brannte das Tier so heftig, als hätte der Druide es vorher mit Pech eingerieben. Doch dem war nicht so. Sie hätte es an dessen unverwechselbarem Gestank sofort erkannt. Das, was jetzt in ihre Nase stieg, war ein anderer übler, horniger Geruch. Es war das Haarkleid des Opfers, das sofort in Brand geraten war und nun stinkende Schwaden aufsteigen ließ. Nach kurzer Zeit waren die Borsten und Haare verschwunden und offenbarten die blanke Haut der Sau.

Es brutzelte und zischte, Fett tropfte in die Flammen, stob dort kurz auf und ließ ihr unweigerlich das Wasser im Mund zusammenlaufen. Für die Dauer von etwa zehn Herzschlägen duftete das brennende Schwein köstlich. Brianna schämte sich dafür und dachte daran, wie viele Menschen von dem Tier hätten satt werden können.

Doch die Flammen schlugen immer höher und loderten mit gierigen Zungen um das Opfer. Schließlich sollte das hier kein Festmahl werden. Das Tier war gut genährt und hatte sich auch eine dicke Schwarte anfressen können. Jetzt platzte die Kruste mit schrecklich knackenden Geräuschen auf. In Briannas Ohren klang es wie das Brechen von dünnen Knochen. Nur Augenblicke später wandelte sich der sonst verführerische Duft in beißenden Qualm. Er stieg in schwarzen Rauchfahnen in den Himmel, der zwar immer noch von dichten Wolken bedeckt war, aber keinen Regen herabfallen ließ.

Unwillkürlich machte sie ein paar Schritte nach hinten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie heiß das Feuer geworden war und rückte noch weiter ab. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass auch andere Umstehende zurückwichen.

Das Schwein brannte jetzt auch von innen heraus, und blankes Fleisch, Knochen und Organe wurden sichtbar. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, das arme Tier auszuweiden. Ekliger Brodem ließ Brianna den Mund trocken werden und sich nach einem Schluck Wasser sehnen. Leichte Böen trieben den Gestank zu der Menge, die sich ohne Befehl um das Opferfeuer versammelt hatte, fasziniert und erschrocken zugleich vom Schauspiel und von der dahinter steckenden Hoffnung. Manch einer trug einen gequälten Ausdruck im Gesicht, andere Verbissenheit oder blanke Angst. Die Götter verlangten nach diesem Opfer. So hatte es wenigstens Feidlim behauptet.

Brianna hegte schon lange Zweifel am Nutzen solcher Gaben … und an der Existenz von Göttern. Sie würde aber nie im Leben – auch nicht Alaric gegenüber – erwähnen, wie sie darüber dachte. Doch ihr Volk glaubte daran. Und wenn sie Fürstin bleiben wollte, musste sie den Bedürfnissen ihrer Untertanen – sie selbst betrachtete sie als anvertraute Menschen – nachkommen und Ritualen beiwohnen, deren Sinnhaftigkeit und vor allem deren Wirksamkeit ihr mehr als fraglich vorkamen.

Ob es den Göttern nicht besser gefallen hätte, wenn wir das Schwein bei einem Festessen – ihnen zu Ehren – verspeist hätten? Würden die Menschen die Götter nicht höher schätzen mit satten Mägen, lachenden Gesichtern und frohen Gedanken?, fügte sie stumm hinzu und konnte ihren Blick von dem Tier nicht abwenden, das mittlerweile zu einem schwarzen Klumpen geworden war, der keine Ähnlichkeit mehr mit einem lebenden Geschöpf aufwies. Jetzt sehen und riechen sie nur Verschwendung und den Verlust eines wertvollen Tieres … nur noch ein ekliges und qualmendes Etwas. Erfreut die Götter der Anblick von verkohltem Fleisch?

Unwillkürlich fiel ihr Blick auf den Druiden Feidlim, der immer noch in der Nähe des Opfers stand und den der Rauch augenscheinlich völlig unberührt ließ. Sein Blick war lange auf dem armen Tier gelegen und hatte zeitweise einen seltsamen Ausdruck angenommen, den sie nur als … erregt bezeichnen konnte. Er schien die Zeremonie tatsächlich zu genießen. Erst jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass er bei ähnlichen Gelegenheiten den gleichen zufriedenen Ausdruck gezeigt hatte.

Findet er Gefallen am Tod einer Kreatur oder ist es nur der Umstand, dass er derjenige ist, dem – außer natürlich dem Schwein - alle Aufmerksamkeit gilt?

Sie wich noch weiter zurück und schob sich zwischen zwei Männer, die mit starren Mienen das Ersterben der Flammen verfolgten. Jetzt konnte sie den Druiden beobachten, ohne dass es diesem sofort auffiel, außer er würde sich ihr direkt zuwenden. Aber Feidlim richtete seine Aufmerksamkeit nun gen Himmel und rief mit aller Inbrunst die Götter an – oder tat zumindest so. War es Zufall, dass, unmittelbar nachdem an das Opfer Feuer gelegt worden war, die Wolken aufgerissen waren und nach langen regenreichen Tagen die trübgraue Decke an einigen Stellen das blaue Firmament zeigte?

Er hatte die Hände erhoben und sprach schon oft gebrauchte Beschwörungen aus, unterstrich manche von ihnen mit geheimnisvollen Gesten und versicherte sich mit schnellen Blicken von deren Wirkung auf sein Publikum. Zu seiner Fürstin sah er aber nicht.

Brianna wunderte und ärgerte sich über sich selbst, dass ihr sein Verhalten nicht schon früher aufgefallen war.

Wie blind bin ich gewesen? Hat mich die Sorge um Kyla so betrübt, dass ich nicht erkennen konnte, dass selbst Feidlim der wahre Glaube zu fehlen scheint? Es gefiel ihr nicht, dass ihre Zweifel in ihm einen Gesinnungsgenossen zu finden schien. Das macht dich nicht zu meinem Freund, Feidlim, dachte sie düster und wunderte sich selbst über ihre zunehmende Abneigung ausgerechnet dem Mann gegenüber, der durch dieses Opfer die Götter nicht nur um besseres Wetter bitten, sondern auch ihrer Tochter die finsteren Träume nehmen wollte. Mit Unbehagen tauchte in ihr der Gedanke auf, dass sie alle den Druiden bislang als Mittler zu den Göttern betrachteten, obwohl dieser möglicherweise nicht an deren Wirken – ja vielleicht nicht mal an ihre Existenz – zu glauben schien? Was sagte das über den Wahrheitsgehalt und selbstverständlich auch über die Zuverlässigkeit seiner Vorhersagen aus?

Können wir ihm vertrauen? Können wir ihm noch ein Wort glauben?

Ob ihre Zweifel nun berechtigt waren oder nicht: der Himmel war aufgerissen und ließ von Augenblick zu Augenblick immer mehr das lang ersehnte Licht auf sie fallen. Alle Umstehenden, vor allem die Bauern unter ihnen, machten zufriedene, ja glückliche Gesichter und konnten das Ende des Rituals kaum erwarten. Sie würden wohl sogleich auf ihre Felder eilen und nach der Ernte schauen.

Oder bin ich einfach nur zu misstrauisch?

Sie blickte den letzten schwindenden Wolken nach und freute sich selbst über die Sonnenstrahlen, die warm ihre Haut berührten. Aus den in geringer Entfernung stehenden Bäumen drang das Zwitschern einiger Vögel. Deren aufkommender Gesang hatte wohl die Kraft, die letzten Rauchfahnen des Opfers aufzulösen.

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