Читать книгу Darum in die Ferne schweifen - Werner Stilz - Страница 31
ОглавлениеWiedersehen mit Kanada
Knapp fünfzehn Jahre nach meinem letzten Besuch in Kanada, schien es mir an der Zeit, meiner Familie das Land zu zeigen, in dem ich als junger Mann vier interessante Jahre verbracht hatte. In den Sommerferien 1985 machten wir uns mit einer Chartermaschine der Fluggesellschaft Warden Air auf den weiten Weg nach Vancouver. Der Aufenthalt in der zweigeschossigen Boeing 747 war äußerst angenehm. Als Nachspeise zu den überaus schmackhaften Gerichten gab es, neben anderem, eine Auswahl an ganzen Torten. Ich ließ mir ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte schmecken. Der Service beeindruckte mich. Ich hatte etwas vergleichbares noch bei keiner anderen Fluglinie erlebt, nicht einmal in der Business Class. Es kam sogar noch besser: Im Obergeschoss der Boeing 747 befand sich eine Bar, an der kostenlos alkoholische Getränke ausgeschenkt wurden. Ich ließ mir das nicht zweimal sagen. Die Familie wunderte sich, wo der Herr Papa so lange blieb. Leider gab es derart luxuriöse Reisemöglichkeiten hoch über den Wolken nicht allzu lange. Die Fluggesellschaft musste im nächsten Jahr Insolvenz anmelden und wurde schließlich von Air Canada geschluckt.
Da Rolf und Friedels Kinder inzwischen ausgeflogen waren, gab es für uns genügend Platz im Haus. Im Garten wartete bereits ein Pool auf unsere Jungs. Sie amüsierten sich wunderbar darin.
Gemeinsam unternahmen wir schöne Touren durch die Rocky Mountains. Friedel und Rolf zeigten uns auch Canyons und Seen abseits der Touristenrouten. Wir zelteten an kleinen Bächen, sammelten Holz für unser Lagerfeuer, aßen Forellen, die Rolf und ich zuvor aus dem glasklaren Wasser geangelt hatten, und genossen die romantische Stimmung. Die Buben fühlten sich wie Winnetou und Old Shatterhand. Mit Rolfs Boot fuhren wir auch ein paar Mal auf dem Okanagan Lake und picknickten an einsamen Uferstellen.
Nach diesen erholsamen Tagen begab ich mich mit Margret und den Kindern im Mietwagen auf eine längere Tour. Unser Ziel war Kalifornien. Über Vancouver, Seattle und Portland kamen wir an der Pazifikküste gut vorwärts. Oft war die Küste sehr felsig. Wir staunten über die hohen Wellen und die nicht weniger beeindruckenden Dünen, am meisten aber über die Redwood Bäume. Manche der viele hundert Jahre alten Riesen waren so groß, dass man Hochzeitskapellen in die Stämme geschlagen hatte. Unser Weg führte uns weiter ins Landesinnere zum Lake Tahoe und nach Squaw Valley, wo – unvergessen – der Schwarzwälder Postbote Georg Thoma bei den Olympischen Winterspielen im Jahr 1960 die Goldmedaille in der Nordischen Kombination gewann.
In Reno wollten wir natürlich alle gemeinsam in die Spielbank, wurden aber gleich am Eingang abgewiesen. Kinder hatten keinen Zutritt. Also brachten wir sie im Hotel zu Bett und zogen anschließend zu zweit ins Casino. Für amerikanische Verhältnisse war es ein absolutes »No Go«, Kinder allein in einem Hotelzimmer zu lassen, selbst wenn sie, wie unsere, bereits sieben und sechs Jahre alt waren. Doch war der Besuch im Spielerparadies nicht ganz unsere Sache. Statt selber zu spielen, war es für uns interessanter, die anderen Spieler zu beobachten. Es war offensichtlich, dass viele von ihnen abhängig waren und wahrscheinlich viel zu viel riskierten. Auch Rolf und Friedel machten öfters eine Flugreise hierher, speziell um in die Spielbanken zu gehen. Die Flüge aus Kelowna nach Reno waren extrem billig, um möglichst viele Leute anzulocken, wie sie uns erzählt hatten. Sie erwähnten auch, dass selbst am Flughafen von Reno noch einarmige Banditen zum Glücksspiel einluden – für den Fall, dass die Leute noch nicht genug hatten und ihre restlichen Dollars verspielen wollten.
An der Grenze nach Kalifornien gab es zu unserer Überraschung strenge Kontrollen. Unser mitgebrachtes Obst wurde konfisziert, das Auto musste eine Wasserschleuse durchqueren, die mit besonderen Chemikalien versehen war. Mit dieser Maßnahme wollte sich der Staat Kalifornien vor unerwünschten Krankheitserregern schützen.
In San Francisco erkundeten wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie zum Beispiel die alte Kabel-Tram, die steile Straßen hinauf- und wieder hinunterfährt, oder das Hafenviertel mit Fishermans Wharf. Eine Bootsfahrt zur Golden Gate Bridge und zur gefürchteten Gefangeneninsel Alcatraz durfte auch nicht fehlen. Leider wurde der Genuss der schönen Stadt durch das kalte und windige Wetter etwas getrübt. Für mich stand noch ein Besuch im Nappa Valley auf dem Pflichtprogramm. Ich war beeindruckt von den gepflegten Weingütern mit schönen Herrenhäusern, wie man sie sonst aus Frankreich kennt. Ganz auf Touristen eingestellt, gab es (Werbe)Filmvorführungen und große Verkaufsräume, wo nicht nur der Wein, sondern auch unzählige Souvenirs rund um den Wein angeboten wurden. Nach einer ausgiebigen Weinprobe war Margret gefordert, sich ans Lenkrad unseres Chevrolet-Mietwagens zu setzen. Beim Rundgang durch die Weingärten fielen mir die kleinen Heizöfen auf, die zwischen den Reben aufgestellt waren. Selbst hier wurden also die Reben im Frühjahr beheizt, damit der Frost die jungen Triebe nicht beschädigte.
Auf dem Heimweg kamen wir noch an vielen schönen Plätzen und Seen vorbei. Den Jungs gefiel es, wenn bei unseren Stopps immer wieder die Erdmännchen erschienen, kleine lustige Gesellen, die längst keine Scheu vor Menschen mehr hatten. Wir verbrachten noch ein paar Tage in Kelowna, mit den obligatorischen Besuchen bei verschiedenen Weingütern im Okanagantal. Dann war es Zeit für die Heimreise.